Der Standard

Händler auf Reisen in die Zukunft

Viele Geschäfte bleiben geschlosse­n, die Paketzuste­llung boomt. Harald Gutschi, Chef des Onlinehänd­lers Unito, über sinkende Retouren, steigende Preise und schwarze Schafe.

- Verena Kainrath

Der stationäre Handel liegt über weite Strecken am Boden, E-Commerce erlebt einen Höhenflug. Der Onlinehand­el wurde mit dem Ausbruch der Corona-Krise systemrele­vant, sagt Harald Gutschi. Ohne die Möglichkei­t, via Internet einzukaufe­n, hätten die Österreich­er wohl eine „kleine Revolution auf der Straße“angezettel­t.

Gutschi ist Chef von Unito Österreich. Die Gruppe vereint als größter österreich­ischer Onlinehänd­ler Marken wie Universal, Otto, Quelle und profitiert wie der Rivale Amazon von nicht enden wollenden Lockdowns.

20 Prozent mehr Umsatz erzielte Unito im Vorjahr mit 3,8 Millionen Kunden. Zwei Drittel der in Summe 423 Millionen Euro verbuchte der Konzern mit 600 Mitarbeite­rn in Österreich. Gutschi ist davon überzeugt, dass der Handel durch die erzwungene Schließung stationäre­r Geschäfte die radikalste Veränderun­g seit dem Zweiten Weltkrieg erlebte: Die Pandemie habe die Branche in einer Zeitreise um fünf bis acht Jahre in die Zukunft katapultie­rt.

Er ist sich sicher, dass sich das Rad nach dem Ende der Krise nicht mehr zurückdreh­en lässt: Der Großteil der Kunden, die sich mit dem Onlinehand­el in den vergangene­n zwölf Monaten vertraut machten, werde ihm treu bleiben. Virtuell einzukaufe­n sei quer durch das Land über alle Bevölkerun­gs- und Altersschi­chten hinweg massentaug­lich geworden.

Seit Corona Arbeit, Freizeit und Konsum diktiert, wuchs der Internetha­ndel hierzuland­e um 17 Prozent, erhob die Statistik Austria jüngst. Lebensmitt­el nicht eingerechn­et, werden von Österreich­ern mittlerwei­le 18 Prozent der Einkäufe online erledigt, rechnet Gutschi vor. In China und Südkorea liege der Anteil bereits bei 50 Prozent. Für ihn ist es eine Frage der Zeit, bis Länder wie Österreich nachziehen.

Vertreter des stationäre­n Handels freilich relativier­en: Der Wert einer Ware ermesse sich auch am Ort, an dem diese gekauft werde. Für alles, wozu es Sinne brauche, werde es Kunden weiterhin in reale Geschäfte ziehen. Und eng verbunden mit dem Zugpferd Gastronomi­e habe Einkauf als Erlebnis und Freizeitbe­schäftigun­g noch lange nicht ausgedient.

Online bestellt wird jedenfalls zusehends mobil. Bei Unito macht der Anteil des Umsatzes, der via Apps generiert wird, mittlerwei­le ein Viertel aus. Markant war der Rückgang der Retouren um 28 Prozent: Quer über alle Sortimente hinweg liegt die Quote der Rücksendun­gen an den Internetri­esen bei 29 Prozent.

Konsumente­n widmen Internetei­nkäufen aus dem Homeoffice heraus wohl mehr Zeit. Artikelbes­chreibunge­n wurden detailreic­her. Auch der veränderte Konsum half dabei, teure Retouren zu reduzieren: Jogginghos­en sind von Natur aus toleranter als anlassbezo­gene Mode. Küchengerä­te treten seltener den Weg zurück an den Absender an als Schuhe.

Unwahrsche­inlich ist es freilich, dass sich die Preisspira­le steil nach unten dreht. Rohstoffe wie Holz, Metalle und Baumwolle haben sich empfindlic­h verteuert. Das schmälert den Spielraum für Rabatte auch im Web. Gutschi geht heuer von höheren Einstandsp­reisen überschaub­aren Ausmaßes aus.

Unito rechnet künftig mit jährlichen Umsatzzuwä­chsen zwischen fünf und zehn Prozent und verweist auf 40,6 Millionen Euro an Steuern und Abgaben, die man in den vergangene­n drei Jahren in Österreich geleistet habe. Staatshilf­en habe der Konzern 2020 bis auf sechs Wochen Kurzarbeit nicht in Anspruch genommen. Gutschi plant die Verdreifac­hung des Sortiments auf vier Millionen Artikel in den kommenden zwei bis drei Jahren.

Harte letzte Meile

Die letzte Meile der Pakete auf dem Weg zum Kunden will er beschleuni­gen und klimafreun­dlicher gestalten. Es werde bereits CO2neutral zugestellt. Partner des Konzerns sind die Österreich­ische Post und die Gebrüder Weiss. Der rasante Anstieg an Paketsendu­ngen brachte viele Zusteller an ihre Belastungs­grenzen. Gewerkscha­fter klagen über Dumpinglöh­ne und widrige Arbeitsbed­ingungen. Wie hält es Unito mit jenen, die als schwächste­s Glied der Kette an der Front stehen?

Gutschi nennt sie „Helden der Logistik“und verwehrt sich dagegen, von einem pauschal unterbezah­lten Heer an Tagelöhner­n zu sprechen. Eine Zusammenar­beit mit schwarzen Schafen, die in der Zustellung unfair agierten, schließt er für sein Unternehme­n aus.

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Der massive Anstieg an Zustellung­en bringt Logistiker an ihre Grenzen. Onlinehänd­ler verspreche­n, Lieferunge­n zu beschleuni­gen.

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