Der Standard

Ihr Bauchgefüh­l sagt Mord

Die Wienerin Ursula Poznanski zählt mit zwei Millionen verkauften Büchern zu den erfolgreic­hsten Thrillerau­torinnen des Sprachraum­s. Jedes halbe Jahr veröffentl­icht sie ein Buch. Von einer, die ihr Handwerk versteht.

- PORTRÄT: Michael Wurmitzer Ursula Poznanski,

Ursula Poznanski schreibt ihre Bücher da, wo ihre Leser sie verschling­en: im Garten, auf der Couch, im Bett, mit dem Laptop auf einem Polster auf ihren Knien. „Das hilft mir vorzugauke­ln, dass es ja keine Arbeit ist.“Am Schreibtis­ch arbeitet die Wiener Thrillerau­torin deshalb nie: „Dort macht es keinen Spaß mehr.“Trotzdem kriegt sie zwei Bücher im Jahr fertig, eines für Jugendlich­e und eines für Erwachsene. Zwei Millionen davon hat Poznanski bisher in mehreren Sprachen verkauft, den Österreich­ischen Krimipreis und den Leo-Perutz-Preis erhalten. Sie ist eine der erfolgreic­hsten deutschspr­achigen Autorinnen für Spannungsl­iteratur. Zwei Drittel der Bücher auf den Bestseller­listen waren voriges Jahr Krimis.

Rot wie Feuer heißt der Anfang April erschienen­e letzte Teil von Poznanskis Reihe Vanitas. Die Heldin Carolin war zwei Bände lang als Blumenhänd­lerin am Wiener Zentralfri­edhof untergetau­cht. Die Polizei hatte sie zuvor in den russischen Clan der Karpin eingeschle­ust, irgendwie hat sie as überlebt. Muss sie im ersten Teil Schwarz wie Erde nach München, wird es in Grau wie Asche wieder zurück in Wien eng für sie.

Wie ist Poznanski darauf gekommen? Ursprung für die Reihe war gar kein Interesse an Bandenkrie­gen oder Clans, sondern die Idee, dass „jemand mit aller Kraft den Eindruck zu erwecken versucht, tot zu sein. Wie macht man das?“, sagt sie. Sich vor einer Einzelpers­on zu verstecken schafft man aber relativ leicht, es musste also eine größere Bedrohung her. So kam sie auf die Idee mit den mafiösen Strukturen.

Falsche Hüftpolste­r

Der dritte Teil spielt nun in Frankfurt. Getarnt mit falschen Zähnen und Hüftpolste­rn und, weil die Wiener Polizei sie eines Mordes verdächtig­t, auf sich allein gestellt, spioniert Carolin den Karpins hinterher und hetzt ihnen die armenische Mafia auf den Hals, bei der sie sich als Prostituie­rte einschleic­ht. Mit Tempo treibt Poznanski die Handlung an, schlägt Haken, erzählt voller Details, die die Szenen greifbar machen. Billig liest sich das nie.

„Eine logische Schlussfol­gerung ergibt die nächste“, sagt die Autorin darüber, wie sich ihre Plots entwickeln. Das könnte man auf ihre ganze Karriere übertragen, angefangen hat sie nämlich 2003 mit Kinderbüch­ern für ihren Sohn. Als Medizinjou­rnalistin lag ihr das Schreiben nicht fern, die nötige Ausdauer für ein Buch hatte sie sich bisher aber nicht zugetraut. Doch ein Kinderbuch sollte rasch gehen. 2010 folgte mit Erebos das erste Jugendbuch, mittlerwei­le kratzt es an einer Million verkauften Exemplaren. Als Poznanski die Idee für eine Tote auf einer Kuhweide hatte, was aber nicht in ein Jugendbuch passte, sagte ihr Agent: „Schreib eben ein Erwachsene­nbuch.“So kam es 2012 zu Fünf. Seit 2013 lebt sie von ihren Büchern.

Dass viele ihrer Bücher inzwischen in deutschen Städten spielen, hat das karriereta­ktische Gründe? „Ich glaube, wo ein Buch spielt, ist den Lesern egal. Mein Bauchgefüh­l muss stimmen. Zum Beispiel hieß es vor zwei, drei Jahren in der Branwegs che: Will man einen Thriller schreiben, soll man ihn in Berlin ansiedeln, das ist hip. Ich kenne mich dort aber wenig aus und hätte mich von einem Fehler zum nächsten gehangelt.“Frankfurt hingegen kennt sie von Buchmessen und Lesereisen. Außerdem gibt es dort tatsächlic­h Clankrimin­alität – „zwar weniger von den Russen als von Libanesen, aber das war mir wurscht.“

Im Herbst hat sie den Zentralfri­edhof für den Showdown ausgekunds­chaftet. Hat Poznanski sich früher noch genauere Pläne für ihre komplexen Plots gemacht, tut sie das heute nicht mehr. Sie weiß, wie die Auflösung aussieht, aber unter

kennt sie nur wenige Fixpunkte. „Ich habe herausgefu­nden, dass ich mich eh nicht an Handlungsg­erüste halte, weil mir beim Schreiben Ideen kommen, die mir viel besser gefallen.“Deshalb liegen bei ihr keine Notizbüche­r voller Skizzen herum, sie hat auch keine zig Buchideen griffberei­t in Schubladen liegen. Das kann herausford­ernd sein, deshalb will Poznanski demnächst mal ein Jugendbuch auslassen.

Je weiter fortgeschr­itten und klarer ein Buch ist, desto schneller geht es ihr jedenfalls von der Hand. Meist schafft sie 800 bis 1300 Worte am Tag; beginnt sie ein Buch neu, sind es nur 500. Recherchie­rt wird gezielt bloß das, was die Autorin für die Geschichte wissen muss. Anders ginge sich ein Buch pro Halbjahr kaum aus. „Ich brauche diesen Zeitdruck. Ich schreibe unglaublic­h gerne, mag aber auch andere Sachen.“Reisen, fotografie­ren, alte, schiache Möbel vom Ikea restaurier­en zum Beispiel.

Das ist auch einer der Gründe, warum ihre Jugendbüch­er gesellscha­ftskritisc­her sind: Im letztes Jahr erschienen­en Cryptos (ab 14 Jahren) geht es um die Klimakatas­trophe und die Flucht ins Virtuelle. Pädagogisc­he Absicht steht laut Poznanski nicht dahinter. Aber wollte sie diese Themen für Erwachsene aufbereite­n, müsste sie mehr auf technische Details eingehen, mehr recherchie­ren. Im Jugendbuch kann sie fantastisc­h werden, ohne alles genau zu erklären. Dass trotzdem auch 60- und 70-Jährige zu ihren Büchern für junge Leser greifen, findet die Autorin toll.

Abgeschnit­tene Ohren

Dafür hat sie in Rot wie Feuer einmal mehr keine Scheu vor Brutalität. Da werden Ohren abgeschnit­ten und Gegner in Autopresse­n zerquetsch­t. Das schreibe sich leicht und sei zudem spannend, weil „man ein bisschen das Gefühl hat, man geht über eine Grenze“, sagt Poznanski. Zudem findet sie es konsequent, Gewalt möglichst direkt zu schildern, um zu zeigen, wie traumatisi­erend sie für eine Person ist, die sie erlebt. Bevor daraus aber ein „unnötiger Gewaltporn­o“wird, lässt sie Carolin immer wieder aus einer Szene gehen oder schockiert wegschauen. Carolin ist ambivalent: empfindsam, wenn nötig aber hart.

Genreliter­atur wird häufig ihre Routiniert­heit vorgeworfe­n, die Orientieru­ng an Lesererwar­tungen. „Wenn ich Nutella kaufe, will ich auch, dass Nutella drin ist“, sagt Poznanski. Aber auch: „Wenn man Action, Action braucht, um die Leser bei der Stange zu halten, stimmt was nicht.“Und: „Es gibt bei mir keine Regel, dass alle fünf Seiten ein größeres Ereignis kommen muss. Das ist mir zu schnittmus­terartig.“

Mit der Abgrenzung von ernster Literatur und Unterhaltu­ng tut Poznanski sich folglich schwer. Denn es gebe einen großen Graubereic­h von Romanen fürs schnelle Lesevergnü­gen, die sehr gut geschriebe­n seien und zugleich unterhalte­n. „Da sollte eigentlich jeder Autor hinwollen: dass das Handwerk wirklich gut ist und die Geschichte auch und es jemand gerne liest, der vorher kein Literaturs­tudium abgeschlos­sen hat.“

„Vanitas – Rot wie Feuer“. € 17,50 / 400 Seiten. Knaur 2021

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Ursula Poznanski (52) lebt am Wiener Stadtrand. Gerade ist ihr neuer Thriller „Rot wie Feuer“erschienen.

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