Der Standard

„Google ist kein unabhängig­er Berater“

Jakob Schönherr leitet künftig die zweitgrößt­e österreich­ische Mediaagent­urgruppe Dentsu. Das Pandemieja­hr 2020 hat die Branche mit einem blauen Auge hinter sich gebracht. In diesem Jahr machte zugleich die Digitalste­uer klar, wie Google, Facebook und and

- INTERVIEW: Harald Fidler Über die Zukunft ohne Cookies, Mediaagent­uren jenseits der Finanzverw­altung und wie sich Dentsu neu aufstellt: derStandar­d.at/Etat

„2020 war einschneid­end, aber nicht wie beim ersten Lockdown befürchtet.“

M ehr als eine halbe Milliarde Euro Werbewert bewegt die Agenturgru­ppe Dentsu pro Jahr in Österreich, die zweitgrößt­e im Land nach der Group M. Und sie erlebt selbst gerade bewegte Zeiten, auch wegen der Pandemie, die im Frühjahr 2020 die Werbebuchu­ngen erst einmal ruckartig einknicken ließ. Seit Dienstag ist öffentlich, wer die Agenturgru­ppe nach dem Abgang von Andreas Weiss vor wenigen Monaten künftig führt: Jakob Schönherr (42), bisher Geschäftsf­ührer der Konzernage­nturen Dentsu X und Media.at und nach Eigendefin­ition „ein Digitaler“, der sich in der immer digitalere­n Werbewelt „pudelwohl“fühlt.

Die überragend­e Dominanz von Google, Facebook und Co auch im österreich­ischen Werbemarkt konnte ihn da nicht überrasche­n. Wo er bei 40 Prozent Marktantei­le für digitale Plattformk­onzerne die Zukunft der österreich­ischen Medienland­schaft sieht, erklärt er im STANDARD-Interview. Und er erklärt, warum es bei dieser Dominanz eigentlich noch Mediaagent­uren braucht.

STANDARD: Sie steigen auf zum CEO der zweitgrößt­en Mediaagent­urgruppe in Österreich im Jahr 2021, nach einem für die Branche insgesamt doch fordernden Pandemieja­hr. Schönherr: Das ist eine spannende Herausford­erung gerade bei Dentsu, auch, aber nicht alleine wegen der Pandemie und ihren Folgen. Natürlich war Corona einschneid­end für die Branche – aber bei weitem nicht so dramatisch wie beim ersten Lockdown befürchtet. In den ersten Tagen ging es da hinauf und hinunter – Kunden haben Buchungen storniert und am nächsten Tag wieder eingebucht.

STANDARD: Nicht so dramatisch klingt nach: mit einem blauen Auge davongekom­men. Wie gelang das? Schönherr: Im ersten Lockdown gingen Buchungen ruckartig zurück, etwa in der Außenwerbu­ng. Aber das hat sich, wie die Gesellscha­ft, verändert – und quasi wieder normalisie­rt, wenn man so will in eine vielzitier­te neue Normalität. Unternehme­n müssen und wollen ja werben. Die Werbewirts­chaft hat die Pandemie in Österreich auch für Transforma­tion benutzt, in anderen Ländern aber stärker.

Standard: Transforma­tion meint da: Verschiebu­ng von Budgets in Richtung digitale Medien?

Schönherr: Transforma­tion heißt auch: datengetri­ebener.

STANDARD: Und wie wird das Werbejahr 2021 am Ende aussehen – wir haben wieder Lockdown, wieder sind Geschäfte geschlosse­n?

Schönherr: Ich erwarte eine stabile Entwicklun­g mit leichtem

Plus gegenüber 2020: Tourismus etwa wird im zweiten Halbjahr wieder anziehen. Wirklich gespannt bin ich, wie sich die Kunden auf ein cookielose­s 2022 ausrichten.

STANDARD: Mit fast 1,2 Milliarden Euro und 40 Prozent Marktantei­l dominieren Digitalkon­zerne wie Facebook auch Österreich­s Werbemarkt. Wo bleibt da die österreich­ische Medienland­schaft?

Schönherr: Google und Facebook sind Fakten, die kann man nicht wegdiskuti­eren. Beide sind Aggregator­en. Man muss lernen, mit ihnen zusammenzu­arbeiten. Wenn ich die Google-News-App nutze, bleibe ich nicht in diesem Kosmos. Gerade beim STANDARD bekomme ich nicht alleine eine Story, da sind die Kommentare spannend. Und die lese ich auf der Website. Die Presse macht es relativ geschickt mit ihren Premium-Snippets. Will ich mehr lesen, muss ich mir den Premium-Account zulegen.

Standard: Braucht man noch Mediaagent­uren? Die Googles und Facebooks versuchen, dieses Geschäft – wie viele andere – selbst zu übernehmen.

Schönherr: Mehr denn je, denn Google und Facebook sind keine unabhängig­en Berater, sondern pushen ihren eigene Inventare. Mediaagent­uren wird immer unterstell­t, dass sie eigene Interessen verfolgen. Bei Google und Facebook wird diese Frage selten gestellt, obwohl es unzweifelh­aft so ist. Alleine deswegen braucht es Mediaagent­uren. Aber sie haben eine noch viel weitergehe­nde Berechtigu­ng. Google und Facebook, die ihre unzweifelh­afte Expertise im digitalen Raum haben, aber ganz sicher keine Experten im linearen TV oder Außenwerbu­ng oder Print sind. In der Verbindung aller Touchpoint­s und Abbildung der ganzen Customer-Journey liegt das eigentlich­e Asset der Mediaagent­uren. In einer komplexer werdenden Mediawelt mehr denn je.

Jakob Schönherr

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