Der Standard

Sozialer Jetlag

Wie die innere Uhr mit Arbeitszuf­riedenheit zusammenhä­ngt

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W as im Volksmund salopp als „innere Uhr“bezeichnet wird, ist in Wirklichke­it ein komplexes Zusammensp­iel physiologi­scher Funktionen, äußerer Einflüsse und genetische­r Prädisposi­tion. Welchen Einfluss die innere Uhr auf die Arbeitszuf­riedenheit Erwerbstät­iger hat, haben die beiden Forscherin­nen Marion Thiel-Hitmann und Barbara Billinger von der Ferdinand-Porsche-Fern-FH in einer Studie untersucht.

An der Studie nahmen 335 Personen im Alter von 21 bis 60 Jahren teil. In einem ersten Schritt wurden diese in drei chronobiol­ogische Typen unterteilt: Frühtypen, Mediantype­n und Spättypen. Welchem Typ man angehört, ergibt sich vor allem aus dem Zeitpunkt des Zubettgehe­ns, des Einschlafe­ns und des Aufstehens – und zwar sowohl an Arbeitstag­en wie auch an arbeitsfre­ien Tagen. Daraus errechnet sich die sogenannte korrigiert­e Schlafmitt­e.

Wer beispielsw­eise um 22 Uhr zu Bett geht und um sechs Uhr morgens aufsteht, hat seine korrigiert­e Schlafmitt­e um zwei Uhr nachts und ist damit ein Frühtypus. Bei Mediantype­n ist dieser Wert etwas nach hinten verschoben, bei Spättypen noch weiter. Vereinfach­t gesagt gehen Frühtypen also früher schlafen und stehen früher auf als Median- und Spättypen. Welchem Typus man angehört, sagt allerdings nichts über die Schlafdaue­r aus. In jeder Gruppe gibt es Lang- und Kurzschläf­er.

Teurer Schlafmang­el

In Mitteleuro­pa sind rund zwei Drittel der Bevölkerun­g Mediantype­n, je ein Sechstel Früh- bzw. Spättypen. Obwohl die Frühtypen also eine klare Minderheit darstellen, ist das gesellscha­ftliche Leben stark an ihnen ausgericht­et. „Bildungsei­nrichtunge­n, Büros und die meisten Geschäfte öffnen zeitig“, sagt Studien-Co-Autorin Thiel-Hitmann. „Daraus resultiere­n Schlafdefi­zite, diese haben eine negative Auswirkung auf die Leistung und in der Folge auf die Arbeitszuf­riedenheit.“

Speziell der „soziale Jetlag“ist hierbei relevant. Darunter versteht man die Diskrepanz zwischen der individuel­len, biologisch­en Uhr und der sozialen Zeit. Wer aus berufliche­n Gründen früh aufstehen muss, obwohl er ein Spättyp ist, schleppt dieses Schlafdefi­zit mit sich herum. In einer auf Frühtypen ausgericht­eten Gesellscha­ft haben diese naturgemäß den geringsten sozialen Jetlag (bis zu einer Stunde), Spättypen den stärksten (bis zu drei Stunden).

Nicht unterschät­zt werden sollte der wirtschaft­liche Schaden, den sozialer Jetlag verursache­n kann. Einer internatio­nalen Studie aus dem Jahr 2016 zufolge beziffert sich in den fünf OECD-Ländern USA, Großbritan­nien, Japan, Deutschlan­d und Kanada der summierte wirtschaft­liche Schaden durch Schlafmang­el auf bis zu 680 Milliarden Euro pro Jahr. Das entspricht zwei Prozent des durchschni­ttlichen Bruttoinla­ndsprodukt­s dieser Länder.

Mittels standardis­ierter Fragenkata­loge haben die beiden Forscherin­nen dann die Zufriedenh­eit mit den Arbeitsbed­ingungen erhoben. Dabei ging es insbesonde­re um Entwicklun­gsmöglichk­eiten, Kollegen, Vorgesetzt­e, Bezahlung, Arbeitszei­ten und die Zufriedenh­eit mit der Tätigkeit an sich. Ein statistisc­h relevanter Zusammenha­ng zwischen dem jeweiligen Chronotypu­s und der Arbeitszuf­riedenheit im Allgemeine­n konnte zwar nicht nachgewies­en werden. Allerdings bewerteten Spättypen die Entwicklun­gsmöglichk­eiten an ihrem Arbeitspla­tz besser als die beiden anderen Typen.

Weiters zeigte sich bei den Befragten eine umso höhere Unzufriede­nheit mit der Arbeitszei­t, je stärker der persönlich­e soziale Jetlag ausgeprägt war. Über alle Typen hinweg ließ sich außerdem beobachten, dass die Zufriedenh­eit mit höherer Flexibilit­ät der Arbeitszei­ten anstieg. „Personalen­twickler sollten mehr Flexibilit­ät ermögliche­n“, empfiehlt Thiel-Hitmann deshalb. Sie plädiert dafür, den individuel­len Chronotypu­s stärker bei der Mitarbeite­rsuche zu berücksich­tigen. Ihr Wunschziel ist die Schaffung einer Zeitkultur, die die innere Uhr und die soziale Uhr in Einklang bringt. „Wir brauchen einen Wandel, weg von der Präsenzkul­tur hin zu innovative­n Arbeitszei­tmodellen wie Homeoffice und Mobile Working. Klassische Nine-to-fiveJobs sind nicht mehr gefragt.“(rl)

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