LESERSTIMMEN
Achse der Vernunft Betrifft: Rücktritt Rudolf Anschober
Rudi Anschober hat die politische Bühne so verlassen, wie er sie zuvor ausgefüllt hat: offen, menschlich und kompetent. Das verdient Respekt und definiert bereits zentrale Eckpunkte der Wunschliste an seinen Nachfolger.
Darüber hinaus waren zwei Dinge am Rücktrittstag besonders auffällig: einerseits, am Verhältnis AnschoberKogler zu sehen, dass politische Freundschaft durchaus auch konstruktive Weggefährtenschaft meinen kann, ohne in die Abgründe Kurz-Blümel’schen „Familien“-Verständnisses abzurutschen.
Andererseits, dass sämtliche Vertreter der grünen Koalitionshälfte genötigt waren, auf politischer Ebene allein Bürgermeister Ludwig für die gute Zusammenarbeit in unpopulären Covid-Belangen zu danken. Tatsächlich scheint diese informelle „Achse der Vernunft“derzeit die einzige Stütze der Republik zu sein, die nicht bis zur Handlungsunfähigkeit in Skandalen um die eigene Raffgier verstrickt ist. Schade nur, dass sich für diese nüchterne Form der Kooperation gesamtösterreichisch noch nie eine Mehrheit fand. Leander D. Loacker per Mail
Kontrolle mit Panzerfaust
Betrifft: „Warum Soldaten an der Grenze bewaffnet sind“von Michael Bauer der Standard, 13. 4. 2021 Das Argument „Der Soldat trägt jene Waffe, an der er ausgebildet ist“würde implizieren, wenn im Falle von Personalmangel auf Panzergrenadiere zurückgegriffen werden muss, auch ein Panzer bei den Kontrollen dabei steht.
Im Grunde muss ein Assistenzeinsatz mit mehr als 100 Soldaten, meines Wissens, von der Bundesregierung angefordert werden. Das heißt, es obliegt eigentlich dem Innenminister, im Zuge der Anforderung auch die erforderliche Ausrüstung zu bestimmen.
Ich kann mir vorstellen, dass sich ein Vertreter des Bundesheeres nicht gerne von einem Schriftsteller sagen lassen will, wie das Bundesheer seine Arbeit machen soll. Trotzdem sollte man den Hinweis ernst nehmen: Die Bevölkerung fühlt sich unsicher, wenn das Militär mit Sturmgewehr die eigenen Staatsbürger bei Verwaltungsübertretungen kontrolliert. Es reichen die Pistole im Holster, die eigene Uniform, die Armbinden und die begleitende Polizei als Zeichen der Autorität. Klaus Haas, 1030 Wien
Krankes Europa?
Betrifft: „Alter Kontinent, kranker Kontinent“von Leopold Stefan und Alexander Hahn
der Standard, 10./11. 4. 2021 Der STANDARD berichtet, dass sich Europa wirtschaftlich langsamer erholt als Asien und die USA, womit sich ein Trend beschleunige, „der sich schon lange davor abzeichnete“. Die Erholung der Wirtschaft nach der Krise habe ich in einem Kommentar im STANDARD am 29. März beschrieben, aber für ein Gesamtbild bedarf es einer weiteren Perspektive.
Erstens darf man nicht immer die Größe der USA (und Chinas) mit einzelnen europäischen Ländern vergleichen, sondern sollte öfter über Europa als Einheit berichten. Die EU ist nach mehreren Dimensionen (Industrie, Exporte, Direktinvestitionen, Entwicklungshilfe) die größte Weltregion, auch beim Bruttoinlandsprodukt.
Zweitens kann man Erfolg unterschiedlich definieren, etwa Firmenprofite oder Lebensqualität. Bei vielen Qualitätszielen baut Europa seine Führung aus: Es hat eine hohe und steigende Lebenserwartung, niedrige Armut, viel erneuerbare Energie. Nur beim BIP/Kopf wächst der Vorsprung der USA. Ungleicher Zugang zum Gesundheitssystem, Rassenunruhen und Waffengewalt, aber auch Rauschgift und Dickleibigkeit senken hier allerdings die Lebenserwartung.
Wie kann sich Europa wirtschaftlich noch besser entwickeln? Sieben Punkte: Wir müssen europäisch denken, Forschung intensivieren, Wandel und Heterogenität begrüßen, den Euro für sichere Anlagen anbieten, populistischer Lügen entlarven. Eine europäische Impfstoffproduktion und eine gemeinsame Gesundheitsstrategie wären nötig, ebenso schnellere Entscheidung durch Verzicht auf Einstimmigkeit in Details.
Krisen sind nach Joseph Schumpeter der Zeitpunkt für Innovationen, in diesem Fall, um die Führung Europas in Lebensqualität auszubauen und mit Nachbarn partnerschaftlich zu lernen.