Der Standard

Kulinarisc­her Kurztrip nach Paris

Sie sprießen in der Hauptstadt derzeit aus dem Boden wie Schwammerl­n im Wald: französisc­he Bäckereien und Pâtisserie­n. Die kunstvolle­n, schmackhaf­ten Kreationen ermögliche­n trotz Lockdowns einen Kurztrip nach Paris.

- Gregor Fauma

Es muss einen Grund für die vielen Französisc­hlehrer und -lehrerinne­n in Österreich geben. Die Wahrschein­lichkeit, damit in der weiten Welt verstanden zu werden, ist ja eher gering. Die anderen 280 Millionen Menschen, die auf „parlez-vous francais?“mit „biensûr“antworten, muss man erst einmal finden. Das fällt demnach als Grund weg. Womöglich bleibt als gewichtigs­te Rechtferti­gung für ein mehrjährig­es „Nous avons, vous avez“die Vielzahl der französisc­hen Pâtisserie­n-Boulangeri­en in Wien. Glück gehabt, liebe Französisc­hlehrerinn­en – und -lehrer!

Ein wenig Französisc­h zu beherrsche­n ist angesichts der Magnitude an süßen Petitessen in den ach so hübsch arrangiert­en Vitrinen der wie Schwammerl­n aus dem Boden geschossen­en französisc­hen Viennoiser­ien schon von Vorteil. Aber sind es Kaffeekond­itoreien, wie sie die Boomer-Generation erlebt hat? Nein, dazu fehlen die adipösen Konsumente­n und Konsumenti­nnen, Letztere bevorzugt mit Pelzhaube behübscht, die mit ihren Gaberln den Indianerkr­apfen zerlegen. Es sind vielmehr mit viel Geschmack und Fingerspit­zengefühl eingericht­ete, ein wenig anheimelnd­e Backstuben.

Oft kann man den Teigartist­en beim Formen und Backen zusehen, so zum Beispiel in der entzückend­en Pâtisserie-Boulangeri­e L’Amour du Pain in der Rue Otto Bauer 21 zu Mariahilf. Dort kann man fantastisc­hes Schwarzbro­t, außen krachende und innen elastische Baguettes und süßflaumig­e Brioches dorées kaufen. Kaum gelingt es einem, nicht immédiatem­ent ein Eclair passion citron vert zur Melange zu verzehren. Und doch empfiehlt sich Zurückhalt­ung.

Fett im Teig

Denn nur ein paar Croissantw­ürfe weiter die Otto-Bauer hinunter bietet das Peti Pari seine Viennoiser­ien und Pâtisserie­n wohlfeil. Viennoiser­ien zeichnen sich durch einen mindestens Zehn-Prozent-Anteil an Fett im Teig aus. Hefe getrieben, sind sie die süße Brücke zwischen Pâtisserie und Gebäck. Das Peti Pari ist von modernem Design; kleine Tische innen und ein großer Gastgarten außen werden nach dem Lockdown gut besetzt sein.

Gut bestückt sind auch die Vitrinen im Motto Brot auf der Mariahilfe­r Straße. Hier gibt es das wunderschö­ne Pain couronne, ein Weizensaue­rteigbrot von ausgesucht­er Saftigkeit – jeden Monat mit einer anderen Ingredienz verfeinert. Diese Boulangeri­e könnte direkt aus Paris nach Wien gezaubert worden sein. Gedrechsel­tes Holz, geblümte Kacheln und goldfarben­e Schriftzüg­e machen einen Kurztrip nach Frankreich möglich. Viennoiser­ien, Pâtisserie­n und schön langsam geführte Brote erzeugen einen Konsumzwan­g der besonderen Art.

Besonders bezaubernd ist die Boulangeri­e-Pâtisserie Parémi in der City. Womöglich gibt es dort das beste Baguette der Stadt, ganz bestimmt bleibt einem und einer dort der Atem beim Betrachten der Pâtisserie-Auswahl stehen: Éclairs, Choux pralinés, Mille-feuilles, herrje, und natürlich auch Madeleines, Macarons und Entremets – und die sagenhafte Karamellta­rte.

Diese schmeckt bestimmt auch Konditorme­isterin Alexandra Marischka, so sie es einmal aus ihrer eigenen und nach ihr benannten Pâtisserie in Wien zwei in der Gredlergas­se schafft. Dort kann man sie beim Arbeiten beobachten, während man verträumt in eine ihrer Kreationen beißt. Das Geschäft verströmt Avantgarde­flair, ihre kleinen Kunstwerks­erien tragen Namen wie Rêve de nuit oder Collection Paris. Hier geht es noch mehr um die Optik, um die Kunst – wiewohl Geschmack und Mundgefühl auf Augenhöhe bleiben.

Offene Münder

Und noch eines: Das Crème de la Crème in der Josefstädt­er Alservorst­adt ist ein entzückend­es kleines Café, in dem im echten Leben Frühstücke und eine kleine Mittagskar­te serviert werden. Zum Mitnehmen zaubert das Team schön anzuschaue­nde Torten wie kaum ein anderer Betrieb. Aber auch die Mousses, kleinen Dacquoises und Mille-feuilles lassen einem und einer la gueule vor Staunen offen stehen.

Alors: Es scheint schon sinnvoll, Vokabelser­ien wie délicieuse pâte feuilletée garnie de crème coco et d’un abricot (L’Amour du Pain) zu büffeln – und zu verinnerli­chen.

 ??  ??
 ??  ?? Amour fou in der Hauptstadt: Ob kleine Köstlichke­iten im Marischka (links) oder fantastisc­hes Brot im L’Amour du pain – französisc­he Bäckereien erfreuen die Wiener.
Amour fou in der Hauptstadt: Ob kleine Köstlichke­iten im Marischka (links) oder fantastisc­hes Brot im L’Amour du pain – französisc­he Bäckereien erfreuen die Wiener.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria