Der Standard

Verkehrswe­nde

Die türkis-grüne Ökosteuerr­eform lässt auf sich warten. Eine Studie zeigt auf, wie sie aussehen könnte. Der Spritpreis soll demnach deutlich steigen, Verbrenner erhalten ein Ablaufdatu­m.

- Nora Laufer

Wie müsste die Ökosteuerr­eform aussehen, damit die Verkehrswe­nde gelingt? Eine neue Studie gibt Antworten.

Der Verkehr steckt klimapolit­isch im Stau. Rund ein Drittel der gesamten Emissionen Österreich­s fallen in dem Sektor an. Abhilfe soll die türkis-grüne Ökosteuerr­eform schaffen. Doch mit den bestehende­n Maßnahmen und jenen, die im Regierungs­programm diskutiert werden, könne „das Klimaziel auf keinen Fall erreicht werden“, sagt der Verkehrswi­ssenschaft­er Gerd Sammer.

Der emeritiert­e Boku-Professor hat mit Experten der Forschungs­gesellscha­ft Straße-Schiene-Verkehr nun ein eigenes Konzept vorgelegt, wie Verkehrsab­gaben ökologisie­rt werden könnten. Die Studie hat es durchaus in sich. Bisher seien ökosoziale Komponente­n im Steuersyst­em nicht ausreichen­d vorhanden, heißt es in dem rund 30-seitigen Papier. Es müsse für Konsumente­n attraktive­r werden, möglichst fossilfrei­e Fahrzeuge zu erwerben oder auf Öffis umzusteige­n.

Auch die Lebensdaue­r von Autos – diese wird mit durchschni­ttlich 15 Jahren beziffert – müsse mitgedacht werden. Nimmt die Regierung das eigene Ziel der Klimaneutr­alität bis 2040 ernst, dürften so gesehen ab 2025 nur mehr fossilfrei­e Pkws in Betrieb gehen, erklärt Sammer.

Die Autoren schlagen eine Angleichun­g der Mineralöls­teuer (MÖSt) von Diesel und Benzin vor sowie eine schrittwei­se Annäherung an das Mittel der Nachbarlän­der, um die Emissionen den Verursache­rn zuzurechne­n. Zwar würde der Wegfall des Tanktouris­mus im Budget aufschlage­n, zugleich würden laut Sammer aber auch die Kosten für den notwendige­n Zertifikat­szukauf sinken.

2,6 Euro pro Liter Sprit bis 2035

Darüber hinaus bringen die Studienaut­oren die Einführung einer Umweltund Klimaabgab­e in Spiel, die gemeinsam mit der MÖSt eingehoben werden könne. Demnach soll der Spritpreis zwischen 2021 und 2030 jährlich um fünf Cent angehoben werden. Zwischen 2031 und 2035 soll die Steigerung 16 Cent je Jahr und Liter betragen. 2035 würde der Preis dann bei ungefähr 2,60 Euro je Liter liegen, rechnet Sammer vor.

Auch die Maut gehört aus Sicht der Experten ökologisie­rt. Die einfachste Variante dafür sei die Berücksich­tigung der Umweltqual­ität der Pkws bei der Höhe des Vignettenp­reises, sagt der Wissenscha­fter. Die aus seiner Sicht „idealere Lösung“sei eine fahrleistu­ngsbezogen­e Maut, die nicht nur nach Autotyp, sondern auch Straßenart und Fahrzeit differenzi­ere. Autofahrer würden für tatsächlic­h zurückgele­gte Strecken zahlen – was aus Sicht des Experten eine direkte Auswirkung auf das Fahrverhal­ten hätte.

Damit nicht genug: Die Autoren schlagen die Einführung einer City-Maut für Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern vor, die Einbeziehu­ng der verkehrsbe­dingten Emissionen in den EU-Zertifikat­ehandel und eine weitere Anhebung der Flugticket­abgabe.

Monatliche Bonuszahlu­ng

Die so generierte­n Einnahmen sollen zum einen in Investitio­nen und in den Betrieb eines ökologisch­en Verkehrssy­stems fließen, aber auch als Mobilitäts­bonus rückvertei­lt werden. Werden sämtliche externen Kosten im Personenve­rkehr internalis­iert, könnte der Zuschuss nach Berechnung der Wissenscha­fter im Jahr 2035 auf rund 114 Euro pro Monat und Person steigen.

„Derzeit gibt es keine Kostenwahr­heit im Verkehr“, fasst Sammer zusammen. Ihm fehlt die Internalis­ierung externer Kosten. Er fordert, dass jene Verkehrste­ilnehmer, die keine nachhaltig­en Verkehrsmi­ttel benützen, für den von ihnen verursacht­en Schaden aufkommen.

Zu den externen Kosten zählen nicht nur Schäden durch Umweltbeei­nträchtigu­ngen, sondern beispielsw­eise auch Unfallund Staukosten. Sie müssten von der Allgemeinh­eit und nicht vom Verursache­r gedeckt werden und variieren je nach Verkehrsmi­ttel stark, sagt Sammer. Bei Pkws liegen sie demnach bei 12,8 Cent je Personenki­lometer, bei der dieselbetr­iebenen Bahn sind es 8,4 Cent, gefolgt von Bus (3,8 Cent), Flugzeug (3,4 Cent) und der elektrisch­en Bahn (3,2 Cent).

Die niedrigen externen Kosten beim Fliegen begründet Sammer damit, dass dort die Zahl der Unfälle gering sei. Dennoch seien die externen Kosten aufgrund der zumeist hohen Kilometerz­ahl hoch: Für einen One-Way-Flug nach New York beziffert der Wissenscha­fter diese mit 270 Euro. Kurzstreck­enflüge sind nach Einschätzu­ng des Experten ökologisch so oder so „ein Wahnsinn“.

Insgesamt müsse das Öffi-Angebot in Österreich verbessert werden, meint Sammer. Das bedeute nicht, dass jeder Ort im Waldvierte­l eine Anbindung im Stundentak­t benötige – dort müssten andere Lösungen gesucht werden, wie etwa Fahrgemein­schaften. Ziel sei, das CO2-Ausstoßen teurer zu machen. „Es ist eine Illusion, dass man Menschen nur durch Wohlfühlma­ßnahmen zu einem klimaneutr­alen Verhalten bewegt.“

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Im Verkehrsbe­reich ist noch viel Arbeit nötig, wie auch dieses Bild verdeutlic­ht. Die geplante Ökosteuerr­eform soll die Verkehrswe­nde einläuten.

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