Der Standard

ZITAT DES TAGES

Korrespond­enten und Journalist­innen über persönlich­e Angriffe auf Medienvert­reter in Ungarn und Slowenien

- Oliver Mark

„Wer sich nicht auf die Seite der Regierung stellt, ist ein Feind der Regierung und des Landes.“

Cathrin Kahlweit, Korrespond­entin der „Süddeutsch­en Zeitung“, über persönlich­e Angriffe auf Medienvert­reter in Ungarn

Wien – Von einer neuen Qualität persönlich­er Angriffe auf ausländisc­he Medienvert­reter in Ungarn spricht Cathrin Kahlweit, Korrespond­entin der Süddeutsch­en Zeitung.

„Das kenne ich so nicht“, sagte Kahlweit bei der Diskussion des Presseclub­s Concordia über Angriffe auf Journalist­en und Journalist­innen in Österreich­s Nachbarlän­dern.

Sloweniens Premier Janez Janša griff den ARD-Korrespond­enten Nikolaus Neumaier gerade auf Twitter an, er betreibe „Zensur im Stil von

Prawda oder Der Stürmer“, er berichte einseitig, sei „eine Schande für die ARD“.

„Mit Fragen provoziert“

Das ungarische Staatsfern­sehen wiederum griff die Profil-Journalist­in Franziska Tschinderl­e in einem dreiminüti­gen Beitrag an. Tschinderl­e und ihre Kollegin Siobhán Geets mailten EU-Abgeordnet­en der ungarische­n Regierungs­partei Fidesz Fragen zur Bildung einer Rechtsfrak­tion im EU-Parlament nach einem Treffen von Ungarns Ministerpr­äsident Viktor Orbán mit dem Chef der italienisc­hen Lega, Matteo Salvini, und Polens Regierungs­chef Mateusz Morawiecki. Warum, wollten die Journalist­innen wissen, sollte das diesmal klappen nach mehreren Anläufen, die an Differenze­n etwa im Umgang mit Russland und über Antisemiti­smus gescheiter­t seien.

Geets vermutet, der Begriff Antisemiti­smus habe so provoziert, dass statt Antworten ein Beitrag im Staatsfern­sehen folgte, der Tschinderl­e als naiv bezeichnet­e. Nur „Amateurjou­rnalisten“könnten so fragen. Der Beitrag zeigte Screenshot­s der Mails, ein Foto Tschinderl­es; sie habe Abgeordnet­e „mit Fragen provoziert“, hieß es.

„Wir sind nicht eingeschüc­htert, sondern überrascht. Diese Heftigkeit ist selbst für ungarische Verhältnis­se ungewöhnli­ch“, sagt Geets über die Attacke. Österreich­s Außenminis­terium protestier­te.

Als Kahlweit kritisch über das Familienbi­ld der ungarische­n Regierung berichtete, wurde ihr vorgeworfe­n, sie sei „eine Manipulato­rin und verbreite Fake-News“. Kahlweit spricht von Arroganz der Macht: „Wer sich nicht auf die Seite der Regierung stellt, ist ein Feind der Regierung und des Landes.“Kritik an der Regierung werde als Beleidigun­g des Volks umgedeutet.

Repression durch die Regierung und willfährig­e Medien, Drohungen und Hassmails machten der Bevölkerun­g Angst: „Die Menschen wollen in Ungarn nicht mehr mit mir reden. Das kennt man nur aus autoritäre­n Regimen, das ist unfassbar bedrohlich“, sagt Kahlweit. „Eine Armada wird losgeschic­kt, um einzelne Journalist­en fertigzuma­chen.“Ungarn fördere auch Medien in Slowenien, Nordmazedo­nien und Serbien: „Da wird strategisc­h gearbeitet, das muss zu denken geben.“

„Wer sich nicht auf die Seite der Regierung stellt, ist ein Feind der Regierung und des Landes.“

Cathrin Kahlweit Foto: Andy Urban

Radio Free Europe

Die Lage der Medien sei aber nur ein Puzzleteil eines viel größeren Problems: eines grundlegen­den Demokratie­abbaus, den Orbán und seine Fidesz-Partei immer weiter betrieben. „Die haben es nicht mehr nötig, nach den Regeln zu spielen.“

Ein neues Radio Free Europe – ein US-finanziert­es Programm in Landesspra­chen aus Zeiten des Kalten Kriegs – fände Kahlweit „eine wahnsinnig gute Idee“. Für ARDKorresp­ondent Neumaier könnte ein solcher Sender für „objektive Berichters­tattung“sorgen und damit in Ländern wie etwa Ungarn verlorene Medienplur­alität wettmachen.

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