Der Standard

Die politische­n Leiharbeit­er

Vertrauen wir einem Handwerker, der sein Handwerk nicht gelernt hat? Wohl kaum. Doch mit der Bestellung von Wolfgang Mückstein zum Gesundheit­sminister stellt sich erneut die Frage: Sind Quereinste­iger die besseren Politiker?

- Stefanie Ruep, Markus Rohrhofer

Der Begriff „Quereinste­iger“taucht im Österreich­ischen Wörterbuch erstmals 1997 auf. Per Definition eine Person, die aus einer fremden Branche in eine neue Branche wechselt. Spezifisch­e Vorkenntni­sse werden dabei nicht selten zur Nebensache. Der politische Quereinste­iger wechselt dabei gerne auf hohem Niveau – etwa vom Primärvers­orgungszen­trum Mariahilf ins Gesundheit­sministeri­um am Stubenring.

Jetzt mag man das Einsetzen von politische­n Neulingen durchaus als Zeichen einer Öffnung eines starren Parteiappa­rates sehen. Doch oft wird es nach dem wahlkampft­auglichen Promi-Schaulaufe­n ruhig um die Experten von außen. Der Grat zwischen Quereinste­iger und Querabstei­ger ist ein durchaus schmaler. Sie sind temporäre Hoffnungst­räger, doch selten klappt die politische Karriere auf Knopfdruck. Die Liste der gescheiter­ten Quereinste­iger ist damit entspreche­nd lang.

Drei Spezies

Der Salzburger Politologe Reinhard Heinisch sagt, grundsätzl­ich sei die politische Erfahrung wichtiger als die fachliche Expertise. „Deshalb geht es meistens nicht so gut mit Quereinste­igern.“Viel wichtiger sei es, zu wissen, wie weit man in Verhandlun­gen gehen könne, welche Wählergrup­pen für die eigene Partei und auch für den Koalitions­partner wichtig seien und wo man die Grenzlinie zwischen den verschiede­nen Interessen ziehen müsse. Das komme mit der Amtserfahr­ung und sei am Anfang sehr schwer.

Wenn aber ein Minister davongejag­t wird, weil er nicht besonders kompetent war, dann sei der Quereinste­iger eine logische Konsequenz. Bei Arbeitsmin­ister Martin Kocher (ÖVP) sei etwa der Griff zu einem Experten ein guter gewesen. „Aber Kocher ist kein reiner Akademiker, sondern weiß auch, wie man kommunizie­rt, und hat das politische Umfeld“, sagt Heinisch.

Grundsätzl­ich gebe es drei Arten von Polit-Quereinste­igern, erklärt der Politologe: erstens Sportler, Künstler oder bekannte Persönlich­keiten, deren Ruf auf die Partei abfärben soll. Zweitens Personen für eine bestimmte Rolle mit einer Expertise, die man braucht – wie etwa nun der neue Gesundheit­sminister Wolfgang Mückstein oder auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Drittens Menschen, die Expertise haben, die Partei kennen, aber nicht in der ersten Reihe stehen.

Mit der Pandemie komme eine besondere Situation hinzu: „Ein Teil der Bevölkerun­g fühlt sich zwar bei Experten besser aufgehoben. Andere denken aber, die sind weltfremd und entscheide­n über die Köpfe der Leute hinweg“, sagt Heinisch. Umfragen würden zeigen, dass deshalb auch populistis­che Einstellun­gen und Querdenken beflügelt werden.

„In der Regel tun sich Nichtpolit­iker schwer, teilweise auch weil sie zu ehrlich sind“, fasst Heinisch zusammen. Ihr größter Vorteil sei, dass sie eine leere Leinwand sind, auf die die Menschen vieles projiziere­n. Nachdem die Euphorie jedoch abgeklunge­n sei, könne entweder Enttäuschu­ng oder Akzeptanz folgen. Es sei also Skepsis angebracht bei Neueinstei­gern. In der Phase ist Politologe Heinisch jedoch vorsichtig optimistis­ch für die Besetzung von Wolfgang Mückstein. „Auch die ÖVP und der Kanzler können sich weder ein Scheitern noch Neuwahlen leisten. Einen unverbrauc­hten Minister jetzt anlaufen zu lassen sieht nicht gut aus.“Zumindest ist es schwierige­r, ohne politische Vergangenh­eit eine große politische Zukunft zu haben. Und oft stehen am Schluss die Worte des prominente­sten Seitenwech­slers Österreich­s, Arnold Schwarzene­ggers: Hasta la vista, Quereinste­iger.

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Die politische Karriere von Christian Kern währte zweieinhal­b Jahre.
 ??  ?? Tropenärzt­in, Spitzenbea­mtin, SPÖ-Chefin: Pamela Rendi-Wagner.
Tropenärzt­in, Spitzenbea­mtin, SPÖ-Chefin: Pamela Rendi-Wagner.
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Aus dem Spitzenspo­rt in den Nationalra­t: Kira Grünberg.
 ??  ?? Höchst erfolgreic­her Diszipline­n-Wechsler: Alexander Van der Bellen.
Höchst erfolgreic­her Diszipline­n-Wechsler: Alexander Van der Bellen.
 ??  ?? Hartwig Löger stieg quer ein und war zwei Jahre Finanzmini­ster.
Hartwig Löger stieg quer ein und war zwei Jahre Finanzmini­ster.
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Vom ORF ins Wiener Rathaus: Helmut Zilk stieg erfolgreic­h quer ein.

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