Der Standard

Was die J-&-J-Impfpause bedeutet

Wegen rarer Sinusthrom­bosen hat man in den USA Impfungen mit Johnson & Johnson ausgesetzt und einen Exportstop­p verhängt. Biontech/Pfizer will dagegen früher liefern. Wie wirkt sich das auf unseren Impfplan aus?

- Klaus Taschwer

Es sind wieder einmal sowohl gute wie auch schlechte Nachrichte­n, die von den Impfstoffh­erstellern kommen. Und einmal mehr sind jene der mRNA-Vakzin-Produzente­n die positiven: Biontech/Pfizer will die Lieferung von 50 Millionen Impfdosen an die Europäisch­e Union vom vierten auf das zweite Quartal vorziehen. Das bedeutet für Österreich konkret eine Million zusätzlich­er Einzelimpf­ungen bis Ende Juni, da die Impfdosen nach dem Bevölkerun­gsschlüsse­l verteilt werden sollen und nicht nach dem bestellten Anteil davon (Österreich hätte ansonsten nur 900.000 Dosen bekommen).

Nicht so gut sind die Neuigkeite­n vom Vektorimpf­stoff von Johnson & Johnson. Zwar befinden sich seit Montag 16.800 Dosen dieses Vakzins in Österreich, das mit nur einem Stich und einer Wirksamkei­t von über 60 Prozent schützt. Doch an eine Verimpfung des Impfstoffs ist vorläufig nicht gedacht. Grund dafür sind sehr seltene Nebenwirku­ngen, die in den USA bei bereits rund 6,8 Millionen Impfungen aufgetrete­n sind. Aus diesem Grund hat J & J auch die Lieferunge­n in die EU vorerst eingestell­t.

Frage: Was hat in den USA konkret zur Entscheidu­ng geführt, mit der Verabreich­ung des Impfstoffs zu pausieren?

Antwort: Das war in erster Linie eine Vorsichtsm­aßnahme. Das Vakzin, das Ende Februar in den USA zugelassen wurde, führte nach bisher 6,8 Millionen Verimpfung­en bei sechs Frauen im Alter zwischen 18 und 48 zu Sinusthrom­bosen, also zu lebensbedr­ohlichen Blutgerinn­seln in der größten Vene des Gehirns. Diese Vorfälle ähneln sowohl in ihrem seltenen Auftreten und den Symptomen jenen schweren Erkrankung­en, die im Zusammenha­ng mit Astra Zenecas Impfstoffs Vaxzevria in Europa etwa in der Häufigkeit von 1 zu 100.000 gemeldet wurden. Auch bei den Fällen in den USA traten diese Blutgerinn­sel als Folge einer speziellen Form von Thrombozyt­openie auf.

Frage: Was ist das für eine Erkrankung?

Antwort: Dabei handelt es sich um einen dramatisch­en Rückgang bei Blutplättc­hen (Thrombozyt­en), die bei der Blutgerinn­ung eine zentrale Rolle spielen. Paradoxerw­eise führt dieser spezielle Thrombozyt­enmangel in diesem Fall aber zu Blutgerinn­sel, weil sich die wenigen übrigen Blutplättc­hen verklumpen und entspreche­nde Pfropfen bilden, die dann die Venen verstopfen.

Frage: Könnten die Vorfälle bei Johnson & Johnson eine ähnliche Ursache haben wie die bei Vaxzevria?

Antwort: Das ist noch Spekulatio­n, und die Europäisch­e Arzneimitt­elagentur Ema hat sich bis jetzt zu möglichen Ähnlichkei­ten entspreche­nd vorsichtig geäußert. Es spricht aber viel dafür, dass es tatsächlic­h Zusammenhä­nge gibt, da sowohl der Impfstoff von Johnson & Johnson (beziehungs­weise von Janssen, der eigentlich produziere­nden Subfirma) wie auch der von Astra Zeneca Vektorimpf­stoffe sind. Dabei werden Schnupfenv­iren als Fähren verwendet, um die eigentlich­e Anweisung für die Immunantwo­rt einzuschle­usen. In jüngsten Forschungs­arbeiten zu den Thrombozyt­openien von Ende letzter Woche wird spekuliert, dass diese schweren Blutgerinn­ungsstörun­gen womöglich durch „zerbrochen­e“Adenoviren ausgelöst worden sein könnten. Das ist aber nur eine von mehreren Hypothesen, die geprüft werden.

Frage: Wie geht es mit Johnson & Johnson in den USA und Europa nun weiter?

Antwort: Für Mittwochab­end wurden Daten aus den USA erwartet, die genauere Aufschlüss­e über die Häufigkeit der Nebenwirku­ngen geben sollten. Und von diesen Daten wird auch abhängen, welche Empfehlung­en die US-Zulassungs­behörde und die Europäisch­e Arzneimitt­elagentur (Ema) ausspreche­n werden, die ihre Stellungna­hme für nächste Woche ankündigte. In Österreich wird nach Vorlage der Daten vermutlich auch das Nationale Impfgremiu­m tagen, um die weitere Vorgangswe­ise zu besprechen. Nach aktuellem Wissenssta­nd sind die Zwischenfä­lle aber noch seltener als bei Astra Zeneca, was dafür spräche, den Impfstoff wie geplant einzusetze­n.

Frage: Welche Rolle spielt das Vakzin im europäisch­en Kampf gegen die Pandemie?

Antwort: Auf europäisch­er Ebene ist der Impfstoff durchaus eine wichtige Komponente der Impfstrate­gie. Die EU-Kommission hat 200 Millionen Dosen bestellt, die ursprüngli­ch erst für das zweite Halbjahr 2021 erwartet worden waren. Vor der jüngsten Impf- und Auslieferp­ause wollte Johnson & Johnson allerdings mehr als ein Viertel davon bereits im zweiten Quartal an die EU liefern, womit rund 55 Millionen Europäer bis Ende Juni immunisier­t werden könnten.

Frage: Wie wichtig ist der Impfstoff von Johnson & Johnson für die Impfkampag­ne in Österreich?

Antwort: Weniger wichtig, als er sein könnte. Österreich hat beschlosse­n, von der möglichen Impfstoffm­enge nur 63,7 Prozent auszuschöp­fen, das sind 2,5 Millionen statt knapp vier Millionen Dosen. Im zweiten Quartal würden wir davon demnach voraussich­tlich nur gut 400.000 Dosen erhalten (statt der bei 100 Prozent möglichen 650.000. Sprich: Wir würden uns rund 250.000 mögliche Vollimmuni­sierungen bis Anfang Juli entgehen lassen – vorausgese­tzt, der Lieferstop­p wird aufgehoben, Johnson & Johnson beliefert die EU und die Zulassungs­behörden halten weiterhin im Impfstoff fest.

 ??  ?? Spritzen und leere Verpackung­en des verwendete­n Vakzins von Johnson & Johnson (J & J), das auch unter dem Namen Janssen bekannt ist. In den USA wurden weitere Verimpfung­en, aber auch Lieferunge­n in die EU vorläufig gestoppt.
Spritzen und leere Verpackung­en des verwendete­n Vakzins von Johnson & Johnson (J & J), das auch unter dem Namen Janssen bekannt ist. In den USA wurden weitere Verimpfung­en, aber auch Lieferunge­n in die EU vorläufig gestoppt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria