Leere Kilometer im Dieselskandal
So eilig es Volkswagen beim Lkw-Werk in Steyr hat, im Dieselskandal steht man auf der Bremse. Hunderte Verfahren sind blockiert, auch die 16 VKI-Sammelverfahren sind auf dem Pannenstreifen.
Bei der Schließung des MANWerks in Steyr macht Volkswagen Tempo, bei den Dieselklagen hingegen steht der Wolfsburger Konzern voll auf der Bremse. Eindrücklich vorgeführt wurde das einmal mehr am Montag im Handelsgericht in Wien, wo der Verein für Konsumenteninformation (VKI) in einem Sammelverfahren versucht, für 1500 Geschädigte VW-, Audi-, Škoda- und Volkswagen-Besitzer eine 20-prozentige Wertminderung herauszuholen.
Bei den an 15 Landesgerichten in den Bundesländern anhängigen Verfahren für insgesamt knapp 10.000 Diesel-Geschädigte gestaltet sich der Verfahrensablauf nicht minder zäh: Die meisten Verfahren ruhen, weil der Oberste Gerichtshof, der in einem Einzelverfahren angerufen wurde, seinerseits beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg Vorabentscheidung erbat.
Thermofenster
Es geht dabei um das berühmtberüchtigte Thermofenster, das sich wie ein roter Faden durch die geschätzt 500 Zivilverfahren in Österreich in der Diesel-Causa zieht: War die vom deutschen Kraftfahrtbundesamt als illegal eingestufte Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung bei bestimmten Außentemperaturen unzulässig, wie im Dieselbericht des KBA attestiert wurde? Der EuGH hat dies zwar bereits bestätigt, der französische Fall sei aber anders gelagert, die Fragestellung nicht so umfassend wie jene des OGH in Österreich.
30 Jahre oder nur drei?
Darüber hinaus wird heftig über eine mögliche Verjährung der 2015 aufgeflogenen Abgasschummelei gestritten. Angesichts der zum gleichen Thema laufenden Strafermittlungen wegen Verdachts des Betrugs liegt eine dreißigjährige Verjährung nahe, die Anwälte der Beklagten ziehen das allerdings wieder in Zweifel. Im Zivilverfahren wäre nach drei Jahren nichts mehr zu machen, da wäre die Abgasschummelei verjährt.
Das steht in krassem Widerspruch zu dem von Verbraucherschutzvereinigungen in Deutschland betriebenen und im Vorjahr abgehandelten Verfahren für rund 320.000 Dieselbesitzer. Diese wurbekommen den entschädigt, während die über den Verbraucherschutzverein angemeldeten Österreicher und Südtiroler ausgebootet wurden. Selbst der Bundesgerichtshof in Karlsruhe qualifizierte die Abgasmanipulationen als eine klar sittenwidrige Schädigung.
Nutzungsentgelt
Dass Volkswagen auf eine schnelle Lösung des Konflikts trotzdem nicht aus ist, zeigt sich auch daran, dass im Verfahren vor dem Handelsgericht Wien das Nutzungsentgelt thematisiert wird. Schlüsselfrage dabei ist die Wertdifferenz beziehungsweise der Zeitpunkt, der für die Beurteilung der Wertdifferenz herangezogen wird. Ist das der Kaufzeitpunkt, wie der VKI-Konsumentenschützer Thomas Hirmke meint, oder der Schluss der mündlichen Verhandlung, der 2022 oder noch später sein könnte?
Vor diesem Hintergrund scheint sich jede Zeitverzögerung auszuzahlen, denn je länger die mit einem Softwareupdate abgespeisten Dieselbesitzer mit ihrem inzwischen alten Dieselfahrzeug unterwegs sind, desto weniger Schadenersatz