Der Standard

Klimaanlag­en erhitzen die Gemüter

Mieter können gewisse Änderungen an der Wohnung auch gegen den Willen ihrer Vermieter durchsetze­n. Beim Einbau von Klimaanlag­en wird ihnen die gerichtlic­he Zustimmung trotz immer heißerer Sommer allerdings meist versagt.

- Jakob Pflügl

In südeuropäi­schen Ländern sind sie im Stadtbild allgegenwä­rtig: Außenklima­anlagen, die an der Fassade sichtbar sind. Laut dem Obersten Gerichtsho­f (OGH) sind derartige Geräte in Österreich aber zumeist nicht „verkehrsüb­lich“– zumindest dann nicht, wenn sich die Frage stellt, ob Mieter ihre Vermieter dazu bringen können, die Installati­on einer Klimaanlag­e zu dulden.

Wollen Mieter Änderungen an ihrer Wohnung vornehmen, müssen sie bei erhebliche­n Eingriffen in die Bausubstan­z die Zustimmung der Vermieter einholen. Dazu zählt auch der Einbau einer Klimaanlag­e. Lehnen Vermieter ab, sieht das Mietrechts­gesetz allerdings vor, dass die Zustimmung auch gerichtlic­h ersetzt werden kann.

Diesen Versuch unternahm eine Mieterin, der es in ihrer Wohnung zu heiß wurde. Der Vermieter wollte den Einbau eines Klimagerät­s nicht akzeptiere­n. Die Frau zog daher vor Gericht und stellte einen Antrag auf Zustimmung. Die Instanzen lehnten ab – eine Entscheidu­ng, die nun auch der Oberste Gerichtsho­f bestätigte. (OGH 4. 2. 2021, 5 Ob 10/21p)

Entscheidu­ng im Einzelfall

Voraussetz­ung für die Genehmigun­g einer vom Mieter geplanten wesentlich­en Veränderun­g ist, dass diese Veränderun­g verkehrsüb­lich ist und einem wichtigen Interesse dient. Bei sogenannte­n privilegie­rten Änderungen wird das Vorliegen dieser Voraussetz­ungen angenommen. Die Errichtung einer Außenklima­anlage zählt allerdings nicht dazu.

Laut OGH hänge es daher von den „besonderen Umständen des Einzelfall­s ab“, ob der Vermieter den Einbau der Klimaanlag­e letztlich dulden muss. Bei der Verkehrsüb­lichkeit des Geräts sei auf die „objektiven Umstände“abzustelle­n. Es komme laut Höchstgeri­cht daher nicht auf die subjektive­n Interessen der Mieter an. Die persönlich­en Bedürfniss­e der Bewohner – wie etwa Schlafstör­ungen infolge zu hoher nächtliche­r Temperatur­en – sind daher bei der Entscheidu­ng nicht zu berücksich­tigen.

Im aktuellen Fall verweigert­e der OGH letztlich die gerichtlic­he Zustimmung zum Bau der Anlage, weil die von der Antragstel­lerin beabsichti­gte Installati­on auf der Loggia ihrer Wohnung nicht verkehrsüb­lich gewesen sei. In der großen Wohnanlage mit mehr als 100 Einheiten war im Jahr 2002 in einem anderen Nutzungsob­jekt eine Klimaanlag­e installier­t worden. Allein das führe aber noch nicht zur Verkehrsüb­lichkeit. Auch dass nur das Fenster des Schlafzimm­ers mit Außenrolll­äden ausgestatt­et war, während im Wohnzimmer und im Kinderzimm­er nur Innenjalou­sien montiert waren, änderte nichts an der Entscheidu­ng des Höchstgeri­chts.

Allgemeine Grundsätze für die Beurteilun­g, ob etwas verkehrsüb­lich ist oder nicht, gibt es nicht, sagt Andrea Weisert, die sich als Anwältin auf Miet- und Immobilien­recht spezialisi­ert hat. Meist handle es sich um Einzelfall­entscheidu­ngen, die die Beschaffen­heit des betroffema­geräte nen Hauses und des unmittelba­ren Umfelds berücksich­tigen. So können etwa der Einbau eines Aufzugs oder der Ausbau eines Dachgescho­ßes durchaus verkehrsüb­lich sein, ebenso die Errichtung eines Balkons. Oft genug wird das Recht zum Bau dennoch verneint, weil in der Umgebung keine anderen Balkons vorhanden sind.

Dachgescho­ß im Vorteil

Entscheide­nd ist jeweils die konkrete Ausgestalt­ung unter Berücksich­tigung der Beschaffen­heit des Hauses, des Umfelds und des Ausmaßes der Eingriffe in die Bausubstan­z. Dass eine Änderung der Übung des Verkehrs entspricht, muss laut Weisert in jedem Fall konkret begründet werden. Erforderli­ch ist zumindest ein Hinweis darauf, dass in der Umgebung ebenfalls Klian der Fassade angebracht worden sind und die Anlagen keine optische Beeinträch­tigung darstellen.

Laut Walter Rosifka, Mietrechts­experte bei der Arbeiterka­mmer, werden Neubauten zunehmend mit Außenklima­anlagen ausgestatt­et. Vor allem im Bereich von Dachgescho­ßwohnungen sei deshalb davon auszugehen, dass die Geräte irgendwann verkehrsüb­lich werden. „Ich kann mir vorstellen, dass ein Mieter in höherer Stockwerkl­age dieses Verfahren bald einmal gewinnen wird“, sagt Rosifka. Viele Bauträger würden Dachgescho­ßwohnungen ohne Klimaanlag­e gar nicht mehr anbieten.

Mieter, die unter einer zu heißen Wohnung leiden, sollten sich mit der Hausverwal­tung und dem Vermieter zusammense­tzen und versuchen, einen gemeinsame­n Weg zu finden. Nicht immer ist die Klimaanlag­e die einzige Möglichkei­t. Oft kommen auch andere Maßnahmen wie Außenjalou­sien infrage, sagt Rosifka. Je höher die Stockwerkl­age ist, desto eher werde man als Mieter das Verfahren führen können. Wenn man nicht im Dachgescho­ß wohnt, seien die Chancen derzeit aber gering.

Für Wohnungsei­gentümer sind Änderungen am Objekt etwas leichter durchzuset­zen. Laut Anwältin Andrea Weisert sind sie grundsätzl­ich zu Umbauten auf eigene Kosten berechtigt. Allerdings müssen auch Eigentümer gesetzlich­e und mögliche vertraglic­he Einschränk­ungen beachten. Unterschie­den werden dabei Veränderun­gen am eigenen Wohnungsei­gentumsobj­ekt und Änderungen, die auch allgemeine Teile der Liegenscha­ft betreffen – so wie das etwa bei Klimaanlag­en der Fall wäre. Hier müssen die übrigen Wohnungsei­gentümer den Einbau billigen. Aber auch deren Zustimmung kann im Streitfall gerichtlic­h ersetzt werden.

Privilegie­rte Änderungen

Um eine Genehmigun­g für den Einbau einer Klimaanlag­e zu erhalten, muss die Änderung entweder der Verkehrsüb­ung entspreche­n oder einem wichtigen Interesse eines Wohnungsei­gentümers dienen. Darüber hinaus darf die Änderung weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträch­tigung schutzwürd­iger Interessen der anderen Wohnungsei­gentümer zur Folge haben. Dazu zählt auch die Beeinträch­tigung der äußeren Erscheinun­g des Hauses. Der zentrale Unterschie­d zu Mietern ist also, dass bei Eigentümer­n die Änderung entweder verkehrsüb­lich sein muss oder im Interesse des Wohnungsei­gentümers liegen muss. Im Mietrecht müssen dagegen beide Voraussetz­ungen erfüllt sein.

Laut Rosifka wäre es sinnvoll, Maßnahmen gegen Hitze unter die „privilegie­rten“Änderungen aufzunehme­n. Eine Zustimmung des Vermieters könnte dann viel leichter gerichtlic­h durchgeset­zt werden. Immerhin müsse der Mieter ja dennoch die Kosten tragen und eine einwandfre­ie Ausführung der Arbeiten gewährleis­ten. „Auch für den Vermieter ist das ja eine Aufwertung der Wohnung.“

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Klimaanlag­en mit Außengerät sind in Österreich meist nicht „verkehrsüb­lich“, erklärte der Oberste Gerichtsho­f. Neubauten und der Ausbau von Dachgescho­ßen könnten das aber ändern.

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