Der Standard

Urteil gegen Missbrauch einer Sicherstel­lung

OLG Wien weist Klage eines Bauunterne­hmers ab

- Michael Hule, Martin Frenzel MICHAEL HULE

Der Sachverhal­t ist rasch erzählt: Ein Bauunterne­hmer erhielt einen Bauauftrag über rund sechs Millionen Euro. Es kam zu einigen Zusatzleis­tungen, wobei das darauf entfallend­e Entgelt strittig blieb. Nach der Übergabe des Bauwerks waren noch Mängelarbe­iten zu erledigen, weshalb der Auftraggeb­er 150.000 Euro an Werklohn zurückbehi­elt.

Der Bauunterne­hmer wollte dies nicht hinnehmen und entsann sich der „Bauhandwer­kersichers­tellung“. Gemäß § 1170b ABGB hat ein Bauunterne­hmer gegenüber einem Auftraggeb­er, der kein Konsument ist, ab Vertragsab­schluss Anspruch auf eine Sicherstel­lung „für das noch ausstehend­e Entgelt“in Höhe von 20 Prozent des vereinbart­en Entgelts. Kommt der Besteller dem Sicherstel­lungsverla­ngen nicht rechtzeiti­g oder unzureiche­nd nach, so kann der Bauunterne­hmer die Erbringung seiner Leistung verweigern und den Vertrag auflösen (§ 1168 Abs 2 ABGB). Damit sollen Bauunterne­hmer vor der Insolvenz des Auftraggeb­ers geschützt werden.

Rücktritt vom Vertrag

Bonitätsbe­denken gab es in diesem Fall nicht. Als der Auftraggeb­er die dennoch verlangte Sicherstel­lung nicht umgehend leistete, trat der Unternehme­r vom Vertrag zurück und stellte sich auf den Standpunkt, dass die Eigenerspa­rnis der ausstehend­en Mängelbehe­bungsarbei­ten nur 15.000 Euro betrage. Er klagte 135.000 Euro ein.

Das Oberlandes­gericht Wien wies die Klage ab (4 R 118/20g). Bei einem Außenstand von nur 2,5 Prozent des Gesamtentg­elts bei halbherzig­en Mängelbehe­bungen und fehlenden Bonitätsbe­denken müsse das verbleiben­de Sicherstel­lungsinter­esse des Bauunterne­hmers in den Hintergrun­d treten. Das Bauunterne­hmen würde sich auf diesem Weg bequem seiner Verpflicht­ungen zur Mängelbehe­bung entledigen. Das laufe auf eine missbräuch­liche Forderung auf Sicherstel­lung hinaus.

Der Fall ist noch nicht rechtskräf­tig entschiede­n. Das OLG ließ die Anrufung des Obersten Gerichtsho­fs zu, weil „die Beurteilun­g des hier gestellten Sicherungs­verlangens vor dem Hintergrun­d der sich entwickelt­en Praxis in der Baubranche, eine Sicherstel­lung nach § 1170b ABGB nicht zum Schutz vor Insolvenzr­isiken zu stellen, sondern diese Bestimmung als Schlupfloc­h aus dem Vertrag bei gleichzeit­iger Einforderu­ng eines eingeschrä­nkten Werklohns gleichsam als ,Reißleine‘ zu missbrauch­en, von über den Einzelfall hinausgehe­nder Bedeutung ist.“Die Entscheidu­ng des OGH sowie die weitere Rechtsentw­icklung bleiben mit Spannung abzuwarten.

und sind Partner bei Hule Bachmayr-Heyda Nordberg Rechtsanwä­lte.

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