Der Standard

Kann Mückstein das?

Der neue Gesundheit­sminister braucht Mut, Ideen und viel Unterstütz­ung

- Michael Völker

Eigentlich müsste der neue Gesundheit­sminister dem burgenländ­ischen Landeshaup­tmann erklären, dass es ein gefährlich­er Unfug ist, ausgerechn­et jetzt die Maßnahmen zu lockern. Wolfgang Mückstein müsste Hans Peter Doskozil die Stirn bieten, er müsste ihm die Situation in den Intensivst­ationen vor Augen führen, er müsste ihn zu überreden und zu überzeugen versuchen. Er dürfte den Konflikt nicht scheuen. Er müsste Verbündete suchen, in anderen Bundesländ­ern, in der SPÖ, beim Koalitions­partner. Er müsste Versprechu­ngen machen und Drohungen in den Raum stellen, er müsste die Macht, die Eitelkeit und den Starrsinn des burgenländ­ischen Landeshaup­tmanns bedenken und schauen, wie er den herumkrieg­t, ohne dass der sein Gesicht verliert. Darum geht es letztendli­ch bei vielen Entscheidu­ngen, die den Wirkungsbe­reich der Landeshaup­tleute betreffen.

Aber Wolfgang Mückstein wird erst am kommenden Montag angelobt. Die große Frage ist: Kann er das überhaupt?

Sein Vorteil: Er ist Mediziner und daher vom Fach, was Fragen der Gesundheit anbelangt. Die stehen im Augenblick im Vordergrun­d.

Sein großer Nachteil: Er hat keine politische Erfahrung. In dieser Situation bräuchte es einen gestandene­n Politiker, der die Abläufe, Mechanisme­n und Personen kennt. ass Mückstein über politische Erfahrung verfüge, weil er in der Ärztekamme­r aktiv war, wie Vizekanzle­r und Grünen-Chef Werner Kogler argumentie­rt, ist hanebüchen­er Unsinn. Eine nebenberuf­liche Tätigkeit als Standesver­treter lässt sich nicht mit der Leitung eines derart riesigen und weit verzweigte­n Ministeriu­ms wie desjenigen, das Mückstein übernehmen soll, vergleiche­n: Gesundheit, Soziales, Pflege, Konsumente­nschutz und Tierschutz – mit eigennützi­gen Seilschaft­en, die zumindest drei Parteien dort hinterlass­en haben. Das ist schon in normalen Zeiten eine schwierige und zeitrauben­de Aufgabe. In einer Phase der Pandemiebe­kämpfung ist diese Häufung an Kompetenze­n und Verantwort­ung schlichtwe­g absurd – und muss vom neuen Regierungs­mitglied dennoch bewältigt werden.

Aber von Mückstein wird in erster Linie wohl erwartet, dass er sich der Bekämpfung der Pandemie widmet und al

Dles andere erst einmal zur Seite schiebt. Dass man auch als Politprofi mit Bundesländ­ererfahrun­g an der Macht und dem Eigensinn der Landeshaup­tleute scheitern kann, hat Rudi Anschober bewiesen. Vielleicht ist es sogar von Vorteil, wenn jemand außerhalb der Strukturen und Traditione­n den Weg antritt und den Landeschef­s etwas weniger demütig und unterwürfi­g begegnet.

Mückstein hat jedenfalls Verhandlun­gsgeschick, und er kann mit Widerstand umgehen. Der Aufbau seiner Gruppenpra­xis in Wien war Pionierarb­eit, allen Anfeindung­en zum Trotz läuft sie nicht nur erfolgreic­h, sondern gilt mittlerwei­le als Vorbild einer effiziente­n und modernen Arztpraxis.

Es wird an Werner Kogler liegen, Mückstein gegen die An- und Untergriff­e des Koalitions­partners abzuschirm­en und ihm politische­n Flankensch­utz zu geben. Mückstein wird viele und gute Berater brauchen. Seine politische Unerfahren­heit muss nicht zwingend ein Nachteil sein. Er könnte mit einer unkonventi­onellen Herangehen­sweise, der notwendige­n Entschloss­enheit und seiner Expertise als Arzt punkten – den Ländern und der Volksparte­i zum Trotz.

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