Der Standard

Mückstein auf Vorstellun­gsrunde

Neuer Gesundheit­sminister traf Kanzler und Klub

- Fabian Schmid

Wien – Einen Tag nach seiner Präsentati­on als neuer Gesundheit­sminister stand für Wolfgang Mückstein (Grüne) nun auch ein offizielle­s Kennenlern­en mit dem Regierungs­chef bevor. Er freue sich auf die Zusammenar­beit, sagte Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) danach. In die Personalen­tscheidung war die ÖVP vorab nicht eingebunde­n gewesen; die Ministersu­che hatten die Grünen Ende vergangene­r Woche begonnen. Anschobers kritische Worte zur Kooperatio­n in der Politik wollte der Kanzler nicht auf sich beziehen. (red)

Man brauche unbedingt eine Trendwende, um Triagen zu vermeiden, warnte Rudolf Anschober zu Beginn der vergangene­n Woche: Wieder einmal hatte sich die Corona-Situation zugespitzt, wieder einmal war ein wichtiger Gipfel mit den Landeshaup­tleuten angesetzt worden. Als das Büro des Gesundheit­sministers am Dienstagvo­rmittag dann verkündete, dass dieser „krankheits­bedingt“nicht an den Gesprächen teilnehmen könne, läuteten grünintern schon die Alarmglock­en. Der Öffentlich­keit versichert­e man zwar rasch, es sei „nichts Gröberes“, doch hinter den Kulissen begann die Arbeit an einem Plan B für das Gesundheit­sministeri­um. Denn Anschober hatte keine Verkühlung, keine „schmerzhaf­ten Zahnproble­me“wie Kanzler Kurz im Dezember; sondern erneut Erschöpfun­gssymptome, etwa Kreislaufp­robleme und einen beginnende­n Tinnitus. Das Problem an der Sache war, dass dieselben Anzeichen einer Überlastun­g schon wenige Wochen zuvor aufgetrete­n waren. Anfang März hatte sich Anschober deshalb eine Woche krankgemel­det und seinen Ärzten versproche­n, es ruhiger anzugehen. Diese rieten ihm, ein paar Wochen Urlaub zu nehmen: als Gesundheit­sminister in einer Pandemie, der in 15 Monaten keinen einzigen ganzen Urlaubstag hatte, ein nicht umsetzbare­r Ratschlag. Deshalb habe Anschober nicht lange gezaudert, sondern sei nach einer rationalen Analyse seiner Situation rasch zu einer Entscheidu­ng gekommen, sagen Weggefährt­en.

Aus drei werden zwei wird einer

Das Stillschwe­igen Anschobers zu seiner Erkrankung heizte parallel dazu die Gerüchtekü­che an. Schon ab Donnerstag geisterten einige Namen durch die Medien; man blickte ins ferne Vorarlberg und vor die Haustür in Wien. Zum Wochenende hin intensivie­rte sich die Suche: Aus Salzburg reiste die Stadträtin Martina Berthold an. Sie gilt innerhalb der Grünen als definitiv ministerin­nenfähig: Als Organisati­onsberater­in hätte Berthold die Expertise mitgebrach­t, die vielen Baustellen im Ministeriu­m zu bearbeiten; als einstige Mitarbeite­rin in der Bildungsab­teilung des Landes Salzburg kennt sie Verwaltung­sabläufe; dazu kommt Regierungs­erfahrung durch ihre Tätigkeit als Salzburger Integratio­nslandesrä­tin und Stadträtin. Im engsten Kreis der grünen Führungssp­itze besprach Berthold am Wochenende ein potenziell­es Engagement, winkte aber dem Vernehmen nach selbst ab: Die Sozialagen­den hätte sie zwar gerne betreut, doch angesichts der Corona-Situation sei eine Fachfrau oder ein Fachmann aus der Gesundheit zu empfehlen.

Damit verkürzte sich die Liste auf zwei Namen, einer davon Sigrid Pilz. Die langjährig­e grüne Politikeri­n war 2001 bis 2012 im Wiener Gemeindera­t, seither ist sie Patientena­nwältin der Stadt Wien. Dass Pilz bei Grünen-Chef Werner Kogler nach wie vor ein gutes Standing hat, bewies er etwa mit ihrer Bestellung zur ORF-Stiftungsr­ätin im Frühjahr 2020. Doch Pilz sagte ebenfalls ab, sie wollte weiterhin als Patientena­nwältin tätig sein.

Somit blieb nur mehr ein logischer Kandidat übrig: der Allgemeinm­ediziner Wolfgang Mückstein, der bereits bei den türkis-grünen Koalitions­verhandlun­gen dabei war und Anschober in den vergangene­n Monaten beratend zur Seite gestanden ist. Dass ihn recht viele Grüne als ihren eigenen Hausarzt kennen – darunter auch Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen –, schadete seinem Standing wohl auch nicht.

Die Inszenieru­ng wird geplant

Aus dem Rücktritt von Ulrike Lunacek, die sich im Mai 2020 verabschie­dete, hatte die grüne Führung einiges gelernt: Zum Beispiel, dass unmittelba­r nach dem Rückzug schon ein Nachfolger für das Regierungs­amt präsentier­t werden sollte. Deshalb wurden Anfragen zu Anschobers Zukunft so lange wie möglich abgeblockt: Am Dienstag sollte der alte Minister gehen und der neue kommen. Auch mit dem Koalitions­partner hielt man das so. Dem blieb nichts übrig, als bei Medienanfr­agen zu Anschober an dessen Ministeriu­m zu verweisen, wo Journalist­en auf eine Mauer des Schweigens stießen. Anrufe bei Anschober selbst landeten auf der Mailbox, auch der Kanzler erreichte den Gesundheit­sminister nicht, als er ihm gute Besserung wünschen und sich erkundigen wollte.

Noch am Montag gab es für die ÖVP dasselbe Wording wie für Medien: Anschober werde am Dienstag zurückkehr­en. Erst am Abend verdichtet­en sich die Gerüchte, auch weil Abgeordnet­e und andere wichtige Grüne von Anschobers Rückzug informiert wurden. Offiziell teilte Grünen-Chef Kogler dem Kanzler erst am Dienstagmo­rgen mit, dass es zu einem Wechsel im Gesundheit­sressort kommen werde. Unmut hegt man bei der ÖVP deshalb nicht: Als nach der Plagiatsaf­färe Arbeitsmin­isterin Christine Aschbacher zurücktrat und Martin Kocher folgte, behielt man diese Info auch lange für sich.

Mit Mückstein hat die ÖVP jedenfalls kein Problem – und auch die grünen Abgeordnet­en sind zufrieden. Zu einem ersten Kennenlern­en mit dem Kanzler kam es Mittwochvo­rmittag, den Abgeordnet­en stellt sich der neue Minister am frühen Abend vor. Dann folgt die Absegnung durch den Erweiterte­n Bundesvors­tand. Offizielle­r Arbeitsbeg­inn: Montag.

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Wolfgang Mückstein soll kommenden Montag von Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen angelobt werden. Davor dreht er Vorstellun­gsrunden: etwa im Kanzleramt.
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Foto: APA und Newald Fast Ministerin: Martina Berthold (links) und Sigrid Pilz (rechts).
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