23. Februar, Wien
Wenige Stunden nach Polizeieinsatz erstochen
lassen. Ihre Trauer über den Verlust teilte sie auch auf Facebook. A. verlor seinen Arbeitsplatz in der Kantine eines Wiener Spitals. Nach einer Operation am Bein fiel er monatelang aus und war im Krankenstand, irgendwann wurde er gekündigt. A. bekämpfte die Kündigung zunächst. Nach der Tat zog er die Anfechtung zurück. Das AKH will sich dazu nicht äußern.
Die Stimmung zwischen A. und Nadine wurde schlechter und schlechter. Ein paar Jahre nach Beziehungsbeginn machte sich auf beiden Seiten Kontrollzwang breit. Zig Anrufe, Chatnachrichten und E-Mails gingen da am Tag hin und her, in einem halben Jahr wurden mehrere tausend Nachrichten verschickt. Nadine soll, so heißt es aus Justizkreisen, immer wieder gefragt haben, wo A. gerade sei. Auf die Antwort, er liege im Bett, soll sie ein Foto verlangt haben; vor laufendem Fernseher, um kontrollieren zu können, ob das Foto auch tatsächlich aktuell sei.
Das mag nach Kontrollzwang aussehen. Doch wie später A. Nadine kontrollieren würde, überstieg das bei weitem.
Nicht nur A., auch die meisten der anderen Männer, die dieses Jahr eine Frau töteten, waren gerade frisch getrennt oder befürchteten eine Trennung. Es gebe hier einen „wirklich großen“Genderunterschied, wie mit Trennungen umgegangen wird, sagt Romeo Bissuti, klinischer und Gesundheitspsychologe, Psychotherapeut und Leiter des Männergesundheitszentrums Men.
Ganz allgemein gesagt müsse man sich bei Frauen in Trennungssituationen eher Sorgen machen, dass sie sich selber etwas antun. Bei Männern, dass sie der Frau etwas antun. Für viele von ihnen sei das Beziehungsende eine schwer auszuhaltende narzisstische Kränkung, die Quelle der Verletzung werde im Außen gesucht und mit Gewalt bestraft, sagt der Psychologe. Warum? „Unter andere weil Burschen noch immer vermittelt bekommen beziehungsweise dazu ermutigt werden, auf negative Erlebnisse, Kränkungen oder Schwäche mit Gewalt zu reagieren.“
Außerdem gebe es nach wie vor patriarchale und hegemoniale Ordnungen, die zusätzlichen
Eine 29-Jährige Polin wird in Favoriten erstochen. Wenige Stunden zuvor rief sie wegen eines Streits mit ihrem 28-jährigen österreichischen Partner die Polizei, er hatte sie leicht verletzt. Die Polizei fahndete zunächst erfolglos nach ihm. Wenige Stunden später soll er Nachbarn gesagt haben, er habe seine Freundin erstochen. Nährboden für Gewalt gegen Frauen bieten: „Wenn in gesellschaftlichen Bildern das Selbstbestimmungsrecht der Frau infrage gestellt wird – sei es bei der Berufswahl, der Bildung, wie die Kinderbetreuung funktioniert – wird Frauen abgesprochen, einen eigenen Weg gehen zu können. Wir müssen uns also damit beschäftigen, was Frauen in unserer Gesellschaft haben.“
In Österreich gebe es zwar eine „rhetorische Emanzipation“und man gebe sich gerne aufgeklärt und modern. Bei den Handlungen sei aber ein Auseinanderklaffen sichtbar. „Österreich ist nicht immer ein gerade leuchtendes Beispiel für fortschrittliche Gleichberechtigung“, sagt der Experte. Und: „Wenn man aus einem Land kommt, wo Gewalt gegen Frauen nicht strafbar ist, beeinflusst das einen natürlich. Eine politische Instrumentalisierung dieses Themas hilf jedoch niemanden“, sagt Bissuti. Die Auswertung der Anzeigenstatistik aller Morde zeigt: Von 26 tatverdächtigen im Jahr 2020 hatten 21 die österreichische Staatsbürgerschaft. 2019 waren unter 43 Verdächtigen 22 Österreicher.
Was A. getan haben soll, lässt viele Bekannte und Freunde schockiert bis ungläubig zurück. Er sei doch immer so freundlich gewesen, sagen sie. Laut Bissuti kein Widerspruch. Denn Gewalt an Frauen sei eben für das Umfeld meistens nicht sichtbar. „Gewalttäter sind relativ normale Männer, die oft auch darauf bedacht sind nach Außen einen guten Eindruck zu machen. Und weil sie befürchten, dass dieser Eindruck mit einer Trennung Schaden nimmt, reagieren sie gewalttätig.“Das würde dabei fast ausschließlich in den eigenen vier Wänden passieren und mit verschiedensten Kontrollmechanismen würden die Täter auch dafür sorgen, dass die Frauen niemandem etwas erzählen. „Nur weil polizeilich keine Gewalt bekannt ist, muss das nichts heißen. Wir wissen, dass viele Frauen nicht zur Polizei gehen und keine Anzeige machen. Dass eine Gewalttat ein einmaliger Ausrutscher war, das ist aber fast nie so.“