Therapeutin stellte illegal Atteste für Maskenfreiheit aus
Sechs Monate bedingt für unbescholtene 55-Jährige
Die Lügenpresse weiß eh schon, was sie schreibt!“oder „Eigentlich dürfte nur Servus TV da sein“: Das reichlich große Publikum vor und im Verhandlungssaal 204 hat recht klare Vorstellungen, wie mediale Berichterstattung auszusehen hat. Manche haben selbstgebastelte Plakate mitgebracht, andere verkünden lautstark, dass sie durch Gottes Atem geschaffen worden seien und sich nur dem göttlichen Recht beugen würden.
Der Grund des Besucherinteresses ist der Prozess gegen die 55-jährige Frau Dr. phil. S., eine laut Eigenbezeichnung „freie Therapeutin“und „Bildungswissenschafterin“, die immer wieder auch als Rednerin bei Veranstaltungen von, neutral formuliert, Corona-Maßnahmen-Kritikern aufgetreten ist. Sie soll aber nicht nur von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht haben – sondern zwischen Juli 2020 und Februar 2021 rund 700 „Maskenbefreiungsatteste“ausgestellt und dafür 20 bis 30 Euro Bearbeitungsgebühr verlangt haben. Ab 3. November war das aus Sicht der Staatsanwältin Kurpfuscherei und Betrug.
S. bekennt sich nicht schuldig. Sie gibt zwar zu, in vorgefertigte Computerformulare die Namen der Bewerber eingetragen und die Zettel verschickt zu haben. „In welcher Funktion?“, will der Richter wissen. „In meiner Funktion als freie Therapeutin mit meiner weitreichenden Erfahrung mit traumatisierten Menschen.“Denn, wie S. an anderer Stelle anmerkt: „Der Mensch ist mehr als eine Lungenfunktion.“
Und da sie bei ihren Therapien einen ganzheitlichen Ansatz verfolge, habe sie mit den Klienten teils „stundenlange Gespräche über ihre Probleme mit den Zwangsmaßnahmen geführt“. Die Angeklagte argumentiert, sie habe weder vorgegeben, Medizinerin zu sein, noch dass die von ihr ausgestellten Schreiben irgendeine rechtliche Relevanz hätten. Da sie aber selbst zugibt, ab Juli für 700 Bestätigungen je 20 Euro kassiert zu haben, muss der Richter auf die jüngere österreichische Innenpolitik rekurrieren: „Sie haben also 14.000 Euro bekommen. Was war jetzt Ihre Leistung? Dass Sie den jeweiligen Namen ausgebessert haben?“S. antwortet ausweichend, bleibt aber dabei, niemanden getäuscht zu haben.
Zeugen sagen dagegen, sie seien sehr wohl davon ausgegangen, dass sie mit den Schreiben maskenfrei leben könnten, sonst hätten sie nicht gezahlt.
Verteidiger Michael-Paul Parusel erntet mit seinem Schlussplädoyer zweimal Szenenapplaus der im Saal anwesenden Vertrauenspersonen seiner Mandantin. Er spricht davon, dass Fakten und Fake-News oft schwierig auseinanderzuhalten seien, gesteht aber zu, dass Sars-CoV-2 existiere und eine Infektion gefährliche Verläufe nehmen könne. Aber: Eine FFP2-Maske halte keine Viren ab, und Erlässe und Verordnungen der Bundesregierung stünden Europäischem Recht entgegen. Für S. fordert er einen Freispruch.
Ein Wunsch, der sich nicht erfüllt: S. wird wegen gewerbsmäßigen Betrugs und Kurpfuscherei nicht rechtskräftig zu sechs Monaten bedingter Haft verurteilt, 200 Euro werden für verfallen erklärt.