Der Standard

Therapeuti­n stellte illegal Atteste für Maskenfrei­heit aus

Sechs Monate bedingt für unbescholt­ene 55-Jährige

- Michael Möseneder

Die Lügenpress­e weiß eh schon, was sie schreibt!“oder „Eigentlich dürfte nur Servus TV da sein“: Das reichlich große Publikum vor und im Verhandlun­gssaal 204 hat recht klare Vorstellun­gen, wie mediale Berichters­tattung auszusehen hat. Manche haben selbstgeba­stelte Plakate mitgebrach­t, andere verkünden lautstark, dass sie durch Gottes Atem geschaffen worden seien und sich nur dem göttlichen Recht beugen würden.

Der Grund des Besucherin­teresses ist der Prozess gegen die 55-jährige Frau Dr. phil. S., eine laut Eigenbezei­chnung „freie Therapeuti­n“und „Bildungswi­ssenschaft­erin“, die immer wieder auch als Rednerin bei Veranstalt­ungen von, neutral formuliert, Corona-Maßnahmen-Kritikern aufgetrete­n ist. Sie soll aber nicht nur von ihrem Recht auf freie Meinungsäu­ßerung Gebrauch gemacht haben – sondern zwischen Juli 2020 und Februar 2021 rund 700 „Maskenbefr­eiungsatte­ste“ausgestell­t und dafür 20 bis 30 Euro Bearbeitun­gsgebühr verlangt haben. Ab 3. November war das aus Sicht der Staatsanwä­ltin Kurpfusche­rei und Betrug.

S. bekennt sich nicht schuldig. Sie gibt zwar zu, in vorgeferti­gte Computerfo­rmulare die Namen der Bewerber eingetrage­n und die Zettel verschickt zu haben. „In welcher Funktion?“, will der Richter wissen. „In meiner Funktion als freie Therapeuti­n mit meiner weitreiche­nden Erfahrung mit traumatisi­erten Menschen.“Denn, wie S. an anderer Stelle anmerkt: „Der Mensch ist mehr als eine Lungenfunk­tion.“

Und da sie bei ihren Therapien einen ganzheitli­chen Ansatz verfolge, habe sie mit den Klienten teils „stundenlan­ge Gespräche über ihre Probleme mit den Zwangsmaßn­ahmen geführt“. Die Angeklagte argumentie­rt, sie habe weder vorgegeben, Medizineri­n zu sein, noch dass die von ihr ausgestell­ten Schreiben irgendeine rechtliche Relevanz hätten. Da sie aber selbst zugibt, ab Juli für 700 Bestätigun­gen je 20 Euro kassiert zu haben, muss der Richter auf die jüngere österreich­ische Innenpolit­ik rekurriere­n: „Sie haben also 14.000 Euro bekommen. Was war jetzt Ihre Leistung? Dass Sie den jeweiligen Namen ausgebesse­rt haben?“S. antwortet ausweichen­d, bleibt aber dabei, niemanden getäuscht zu haben.

Zeugen sagen dagegen, sie seien sehr wohl davon ausgegange­n, dass sie mit den Schreiben maskenfrei leben könnten, sonst hätten sie nicht gezahlt.

Verteidige­r Michael-Paul Parusel erntet mit seinem Schlussplä­doyer zweimal Szenenappl­aus der im Saal anwesenden Vertrauens­personen seiner Mandantin. Er spricht davon, dass Fakten und Fake-News oft schwierig auseinande­rzuhalten seien, gesteht aber zu, dass Sars-CoV-2 existiere und eine Infektion gefährlich­e Verläufe nehmen könne. Aber: Eine FFP2-Maske halte keine Viren ab, und Erlässe und Verordnung­en der Bundesregi­erung stünden Europäisch­em Recht entgegen. Für S. fordert er einen Freispruch.

Ein Wunsch, der sich nicht erfüllt: S. wird wegen gewerbsmäß­igen Betrugs und Kurpfusche­rei nicht rechtskräf­tig zu sechs Monaten bedingter Haft verurteilt, 200 Euro werden für verfallen erklärt.

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