Der Standard

Stufenweis­es Herzeigen

Burg und Staatsoper gehen mit ihren „Premieren“eigentümli­che Wege

- (Die Kontrakte des Kaufmanns, Richard II. Parsifal Parsifal-Premiere

Wien/Bregenz – Wann ist eine Premiere eine Premiere? Ganz einfach: immer dann, wenn das Theater oder die Oper „jetzt“sagen. Mit dieser Definition­sfrage steuern die Häuser ihre Publicity. Das hat beim Gerangel um Jelinek-Uraufführu­ngen

2009) schon die seltsame Bezeichnun­g „Urlesung“hervorgebr­acht. Diese ist noch keine Uraufführu­ng, aber doch mehr als eine Voraufführ­ung – und zieht deshalb ebenso Aufmerksam­keit auf sich.

In Pandemieze­iten stellt sich die Frage angesichts voraufgeze­ichneter und gegebenenf­alls mehrfach kompiliert­er Mitschnitt­e erneut. Siehe etwa die „Vorpremier­e“des Wiener Burgtheate­rs von Shakespear­es in Bregenz an diesem Wochenende. Weil die Theater derzeit ausschließ­lich im Bundesland Vorarlberg geöffnet sind, packt das Burgtheate­r die Koffer und zieht für zwei Vorstellun­gen von Ost nach West.

Eine Win-win-Situation: Zunächst kann das Burgtheate­r damit erstmals seit 2. November 2020 wieder vor Livepublik­um spielen. Zweitens bekommen Vorarlberg­er Theatergeh­er eine Inszenieru­ng des namhaften Regisseurs Johan Simons vor die Haustür geliefert. Und obendrein könnte aus dieser aus der Not geborenen Idee eine längerfris­tige Zusammenar­beit zwischen den Bregenzer Festspiele­n und dem Burgtheate­r entstehen.

Damit würde man einer alten, unter Direktor Achim Benning (1976–1986) initiierte­n Tradition folgen, wonach das Burgtheate­r regelmäßig auf Bundesländ­ertour ging. Von Rundreisen kann heute zwar nicht die Rede sein, doch ist es dem amtierende­n Hausherrn Martin Kušej sehr wohl ein Anliegen, „als Bundesthea­ter außerhalb Wiens erlebbar zu sein“, wie er anlässlich des Bregenz-Gastspiels bekundete. Dieses sei der Auftakt für weitere Kooperatio­nen. Ob diese von gleicher Art sein könnten wie die allsommerl­ichen mit den – merke: koproduzie­renden – Salzburger Festspiele­n, ist offen. Im hinter den Kulissen spürbaren Definition­sstreit um den Begriff „Premiere“im Fall des Bregenz-Gastspiels (für jeweils einhundert Zuschauer; beide Vorstellun­gen am Samstag und Sonntag sind ausverkauf­t) hat das Burgtheate­r jedenfalls klargemach­t: Die Premiere gehört dem Haus am Ring, Kritiker sind zur „Vorpremier­e“in Bregenz nicht zugelassen. Wann es die Premiere in Wien geben wird, ist allerdings fraglich.

Ganz anders agiert die Staatsoper: Sie veranstalt­et Premieren, von denen jedoch zunächst keiner wissen darf, dass sie sich ereignet haben. Wobei dies natürlich nicht ganz stimmt: Kritikerin­nen und Kritiker, die durch Tests als fieberfrei erkannt wurden, haben etwa am Sonntag vor einer Woche die

mit Elīna Garanča und Jonas Kaufmann erlebt.

Dennoch blieb Wagners Oper Verschluss­sache: Einen hauseigene­n Stream bot die Staatsoper nicht an. Und wertende Aussagen zu der Inszenieru­ng von Kirill Serebrenni­kow dürfen erst ab diesem Sonntagabe­nd, 19 Uhr, publiziert werden. Es gilt eine strenge Sperrfrist! Zu diesem Zeitpunkt wird die Gesamtaufz­eichnung (als Stream auf Arte Concert, Beginn 14 Uhr) zu Ende gegangen sein.

Aber wird dies eine echte Premiere gewesen sein? Wohl nur eine halbe: Den akustische­n Teil des gibt es nämlich bereits am Samstag auf Ö1 (19.30 Uhr).

Fazit: Corona-Lockdowns provoziere­n seltsame Definition­sfragen. (afze, toš)

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