Gefrostetes Sein
Narcissus, der in sich selbst Vernarrte, in sich selbst Verliebte, ertrinkt – wie in der antiken Sage, so auch in Leopold von Andrians Erzählung – beim Versuch, sich mit seinem Spiegelbild zu vereinen. Die mythologische Strafe des Sehers Theresias, dass Narcissus, weil er Eros (die personifizierte Liebe „anderer“) zurückgewiesen hatte, sterben werde, wenn er sich selbst erkennt, kann durchaus als stellvertretendes Momentum eines kompletten komplexen Umbruchs gewertet werden. Eine eindeutig mehrdeutige Reflexion des Seins per se, ein immerdar changierendes Abbild in abwechselnd gleichsam konvex und konkav geschliffenen Spiegeln wie im Spiegelkabinett circensischer Großmeister, stellt das OEuvre von
Hausner dar. Die bei nur oberflächlicher Betrachtung fotorealistischen Bilder der 1951 in Wien geborenen, in Wien, Traunkirchen und Berlin lebenden Multimediakünstlerin sind in Wahrheit aber mehrschichtige Transformationen sorgsam ineinander verwobener Daseinskaskaden entlang Wahr- und Unwahrheit.
nennt sich nun die in Kürze in der Wiener Albertina gezeigte Retrospektive. Gleichnamige akkordierende Publikation gewährt darüber hinaus interessante Einblicke in den kreativen Prozess. Fotomaterialien, Skizzen, Gedankensplitter, Studien, biografische Details und luzide Essays von Zeitgenossen und Wegbegleitern ergänzen das über die Dekaden hinweg entwickelte Werk. Aber wie warnte schon vor Jahrzehnten Universalkünstler André Heller in einem Chanson: „Misstrauet der Idylle!“Gregor
Xenia Hausner, „True Lies“. € 45,– / 240 Seiten. Hrsg.: Elsy Lahner und Klaus Albrecht Schröder. Essays von Eva Menasse, Elfriede Jelinek, Daniel Kehlmann et alii. Hirmer, München 2021. Tipp: Gleichnamige Retrospektive zeigt die Wiener Albertina (1., Albertinaplatz 1) von 30. April bis 8. August 2021.
Gedicht