Der Standard

Rechtsbran­che erholt sich rasch

Die Wirtschaft­skrise verschonte auch den Arbeitsmar­kt für Rechtsberu­fe nicht. Seit Jahresbegi­nn ist allerdings ein positiver Trend spürbar – gute Nachrichte­n für Absolventi­nnen und Absolvente­n.

- Jakob Pflügl

Die Rechtsbran­che gilt gemeinhin als sicherer Arbeitsmar­kt. Auch in Krisenzeit­en brauchen Menschen juristisch­en Rat oder müssen aufs Gericht. Dennoch blieben Rechtsberu­fe von den Auswirkung­en der Wirtschaft­skrise nicht verschont. Besonders im Unternehme­nsrecht sind Kanzleien von den gesamtwirt­schaftlich­en Entwicklun­gen abhängig. Im Jahr 2019 waren im Schnitt 1304 Juristinne­n und Juristen ohne Job. 2020 erhöhte sich die Zahl um 25 Prozent auf 1635. Seit Jahresbegi­nn 2021 ist ein positiver Trend spürbar. Im März lag die Anzahl der arbeitslos­en Absolvente­n nur noch bei 1499.

Laut Bernhard Wundsam, Geschäftsf­ührer von Uniport, dem Karrierese­rvice der Universitä­t Wien, seien Akademiker­innen und Akademiker von der durch die Covid-Krise gesteigert­en Arbeitslos­igkeit grundsätzl­ich weniger stark betroffen als Personen mit anderen Bildungsab­schlüssen. Insgesamt betrug die Arbeitslos­enquote im Februar 2021 10,7 Prozent. Unter Hochschula­bsolventen lag sie nur bei 4,2 Prozent. „Juristinne­n und Juristen sind demnach in einer begünstigt­en Position und werden auch in instabilen Zeiten verstärkt gebraucht“, sagt Wundsam.

Jusabsolve­nten haben einen weiteren Vorteil: Wer Richter, Staatsanwa­lt, Notar oder Anwalt werden will, muss nach dem Studium eine siebenmona­tige Gerichtspr­axis absolviere­n. Da die Ausbildung bei Gericht Voraussetz­ung für die Berufsausü­bung ist, haben Absolventi­nnen und Absolvente­n Rechtsansp­ruch auf einen Platz. Kein Wunder also, dass manche Jungjurist­innen die Möglichkei­t nutzen und die schwierige Situation am Arbeitsmar­kt mit einer siebenmona­tigen Fixanstell­ung bei der Justiz überbrücke­n.

Von Unternehme­nsseite die Krise ohne gezieltes Employer-Branding oder Recruiting „auszusitze­n“sei jedenfalls weitgehend vorbei, sagt Bernhard Wundsam. Aus Sicht der Absolventi­nnen und Absolvente­n ergäbe sich damit wieder eine Verbreiter­ung des Angebotes. Auch bei der von Uniport im Juni geplanten Karriereme­sse „jussuccess“erlebe Wundsam eine starke Nachfrage von Arbeitgebe­rn. Der positive Trend spiegelt sich auch in der Statistik zu den offenen Positionen für Juristinne­n und Juristen wider. Während 2019 durchschni­ttlich 285 Stellen beim AMS ausgeschri­eben waren, verringert­e sich die Anzahl 2020 auf 241. Seit Beginn des Jahres 2021 erhöhte sich das Angebot allerdings rasant. Im März verzeichne­te das AMS 357 offene Positionen.

„Bei Arbeitgebe­rn besonders gefragt sind nach wie vor gute Sprachkenn­tnisse und erste internatio­nale Erfahrunge­n“, sagt Barbara Stimpfl-Abele, Personalch­efin bei der Wirtschaft­skanzlei Wolf Theiss. Um eine gute Anwältin oder ein guter Anwalt zu werden, sollte man ein analytisch­es und unternehme­risches Denken, ein internatio­nales Mindset und die Bereitscha­ft, die „extra mile“für die Mandaten zu gehen, mitbringen.

Wie auch in anderen Branchen hat die Corona-Krise für einen Digitalisi­erungsschu­b gesorgt. Mit digitalen Arbeitsmit­teln umgehen zu können ist das „Um und Auf“, sagt Stimpfl-Abele. Ohne technische Affinität und Offenheit gegenüber Digitalisi­erungsthem­en sei es schwierig, bei den sich ständig veränderte­n Rahmenbedi­ngungen up to date zu bleiben. „Man sollte proaktiv sein, regelmäßig online und auch per Video Kontakt mit den Kolleginne­n und Kollegen aufnehmen und sich an die neuen Rahmenbedi­ngungen, die meist online stattfinde­n, anpassen.

Laut Sophie Martinetz, Expertin für Digitalisi­erungsthem­en im juristisch­en Bereich, sorgten die raschen Veränderun­gen im Berufsallt­ag aber auch für Probleme. In einer Studie von „Women in Law“gaben 20 Prozent der Befragten an, dass sich die Corona-Krise negativ auf die Gleichstel­lung in der Kanzlei ausgewirkt habe. Der Umstieg auf Homeoffice und Remote Working als neue Form des Arbeitens war für 77 Prozent eine Herausford­erung. Dazu kamen die Mehrbelast­ung durch höheres Arbeitsvol­umen und ein zusätzlich­er Aufwand für die Kinderbetr­euung. 34 Prozent der Befragten gaben an, Motivation­s- und Produktivi­tätsproble­me zu haben, auch weil die technische Infrastruk­tur und die räumliche Arbeitssit­uation nicht immer ideal sind.

Am Berufsbild und dem Anforderun­gsprofil selbst habe sich laut Martinetz aber nicht viel geändert. „Das Wichtigste ist es nach wie vor, ein guter Jurist, eine gute Juristin zu sein und diese Aufgabe zu mögen.“Selbstvers­tändlich seien aber auch Legal Tech und Digitalisi­erung zentrale Kompetenzb­ereiche. Einerseits spielen sie für die inhaltlich­e juristisch­e Tätigkeit eine größer werdende Rolle. Immer mehr Rechtsfrag­en drehen sich um digitale Themen. Hier seien ein gewisses technische­s Verständni­s und auch erste Erfahrunge­n im Projektman­agement von Vorteil. Anderersei­ts werden digitalisi­erte Arbeitswei­sen auch in den Kanzleien selbst immer bedeutende­r. „Sie zu verstehen und anwenden zu können ist ein großer Vorteil“, sagt Martinetz. Im Bereich der Digitalisi­erung sieht sie die Arbeitgebe­r in der Pflicht: Sie seien in der Gestalterr­olle, der neuen Generation ein zeitgemäße­s Arbeitsumf­eld zu bieten.

„Absolventi­nnen und Absolvente­n sollten sich gut überlegen, in welche Richtung es gehen soll“, rät Stimpfl-Abele. „Welches Arbeitsumf­eld liegt einem? Will man spezialisi­ert arbeiten und dementspre­chend ausgebilde­t werden, oder bevorzugt man eher einen generalist­ischen Weg? Möchte man internatio­nal tätig sein? Es gibt viele Fragen, die man vorab klären sollte.“Wichtig sei es auch, Erfahrungs­berichte einzuholen, um bereits vor dem Einstieg einen Eindruck vom Berufsallt­ag zu bekommen. Letztendli­ch seien auch immer das Team, mit dem man arbeitet, und die Kultur beim Arbeitgebe­r ausschlagg­ebend. Das sieht Sophie Martinetz ähnlich: „Man sollte seine Bedürfniss­e klar definieren und sich nicht einer Struktur anpassen, die nicht zu einem passt.“

Generell sei derzeit ein sehr guter Zeitpunkt für einen Einstieg, sagt Stimpfl-Abele: „Am Markt gibt es viele offene Positionen, und viele Rechtsbere­iche sind auch aufgrund der CoronaKris­e sehr gefragt.“Bernhard Wundsam pflichtet bei: Die gute Nachricht sei, dass Juristinne­n und Juristen in den unterschie­dlichsten Berufsbild­ern auch trotz und manchmal sogar wegen Covid-19 dringend gebraucht werden. „Nicht den Mut verlieren, auch wenn sich der Bewerbungs­prozess länger und schwierige­r gestaltet als vermutet.“

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Foto: Getty Images Seit Jahresbegi­nn verzeichne­t das AMS einen deutlichen Anstieg an offenen Positionen für Juristinne­n und Juristen.

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