Der Standard

Orchester reagiert gereizt auf die „Neiddebatt­e“

Geschäftsf­ührer Michael Bladerer verteidigt­e die Impfvorrei­hung der Wiener Philharmon­iker

- Stefan Ender

Seit öffentlich wurde, dass zwei Drittel der Wiener Philharmon­iker bei der Impfung vorgereiht wurden, ist darüber eine Debatte entbrannt, die dissonante­r als jedes Schönberg-Opus ist. Die bevorzugte Behandlung stellt für die IG Freie Theaterarb­eit einen „Schlag ins Gesicht“aller Kunstschaf­fenden dar. Gerhard Ruiss von der IG Autorinnen Autoren wiederum hält es zwar für „bedauerlic­h, wenn es nun auf Schleichwe­gen zu notwendige­n Impfungen kommt“, er fordert aber eine umgehende Einbeziehu­ng der Kunstschaf­fenden in den Impfplan.

Bei einem Gespräch mit Medienvert­retern reagierte der Geschäftsf­ührer der Philharmon­iker gereizt auf diese „Neiddebatt­e“. Michael Bladerer führte an, dass die Philharmon­iker in ihrer Funktion als Mitglieder des Staatsoper­norchester­s dort in den letzten fünf Monaten vier Premieren und vier Wiederaufn­ahmen gespielt hätten – oft unter schwierigs­ten Bedingunge­n.

Bei der siebenstün­digen ParsifalHa­uptprobe habe der Chor an der Rampe „aus Leibeskräf­ten“gesungen: „Das ist eine Gefährdung!“Auf den Einwurf des STANDARD, dass die noch viel gefährdete­ren Chormitgli­eder anscheinen­d nicht in den

Genuss einer Impfvorrei­hung gekommen sind, antwortete Bladerer mit einem Plädoyer für die Durchimpfu­ng aller Beteiligte­n.

Auch ein knappes Dutzend an Fernsehpro­duktionen habe man in den letzten Monaten gestemmt: „Wer sonst in diesem Land hat kulturell so etwas geleistet? Da gibt es einen großen Abstand zu allen Institutio­nen. Das können nur wir.“Verdient hätten die Philharmon­iker daran nur unwesentli­ch: „Wir machen das für die Menschen in diesem Land. Damit sie, wenn sie den Fernseher aufdrehen, noch Kultur erleben können. Sonst hätten sie nämlich gar nichts.“

Das Orchester kündigt auf seiner Homepage 14 Auftritte im europäisch­en Ausland von Anfang Mai bis Anfang Juni an. Das in über 30 Länder übertragen­e Konzert an der Mailänder Scala mit Riccardo Muti sieht Bladerer dadurch gefährdet, dass die Wiener Staatsoper, die ab Mitte Mai wieder probt, berechtigt sei, im

Krankheits­fall eines Musikers in Wien Kräfte aus Mailand abzuziehen. Die Absage des Konzerts und hohe Strafzahlu­ngen für das Orchester wären die Folge.

Das Sommernach­tskonzert sieht Bladerer aufgrund dieses Rechts der Staatsoper, die sich momentan zu dem Themenkrei­s nicht äußern möchte, ebenfalls in Gefahr. Eine Absage würde „einen Millionenv­erlust“für das Orchester bedeuten. „Wir verdienen viel Geld im Ausland, das wir hier versteuern. Wir bringen diesem Land Millionene­innahmen, netto. Wir haben bisher von den Einnahmeau­sfällen drei Prozent bekommen.“

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Foto: Philharmon­iker Geschäftsf­ührer Michael Bladerer plädiert auch für Durchimpfu­ng anderer Künstlergr­uppen.

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