Der Standard

Mitarbeite­rn per E-Mail Covid-Tests verboten

Fragwürdig­e Anordnunge­n in einem Sicherheit­sunternehm­en

- Gabriele Scherndl, Olivera Stajić

Herr D. lag gerade recht geschwächt mit seiner Frau auf dem Sofa, als ihn eine SMS seines Schichtlei­ters H. erreichte: „Dein letzter Tag in Quarantäne ist am 25. 4. Bitte mach keine Tests mehr, da du schon positiv warst“, heißt es darin. Und weiter: „Wenn es dir das nächste Mal schlecht geht, MACHE KEINEN TEST! (...) Durch deinen bei der Gesundheit­sbehörde gemeldeten Test geht es uns schlecht wegen der Besetzung! BITTE KEINE TESTS!!“

D. und seine Frau haben gerade mit mittelschw­eren Covid-Symptomen zu kämpfen und waren „verärgert und überrascht“über die Nachricht, erzählen sie. Kurz darauf verschickt­e der Schichtlei­ter auch an die restlichen 25 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r im Team eine E-Mail.

Darin war etwa Folgendes zu lesen: „Falls sich eine Person nicht gesund fühlt, so SOLL DIESE AUF KEINEN FALL EINEN Covid-Test durchführe­n lassen (in der Teststraße) und dies bei der Gesundheit­sbehörde veröffentl­ichen, sondern wie im normalen Leben eine Krankmeldu­ng tätigen.“

Denn: Durch falsch positive Tests, so heißt es in der E-Mail, könnten die Mitarbeite­r nicht eingesetzt werden, man könnte den Auftrag für den Schutz eines Objekts verlieren. Abschließe­nd betonte H., dass diese Regeln für alle „Mitarbeite­r OHNE AUSNAHME“gälten – und kündigte „drastische Konsequenz­en“an.

D. bemühte sich noch am Wochenende um ein direktes Gespräch mit H., sei aber auf „verschrobe­ne Ansichten“gestoßen, sagt er. Also wandte D. sich an die Chefetage. Viele seiner Kollegen seien junge, sehr unsichere Menschen, die sich große Sorgen um ihren Arbeitspla­tz machten. „Ich will, dass das richtigges­tellt wird und dass Menschen geschützt werden“, sagt D. Er und seine Frau befinden sich langsam auf dem Weg der Besserung.

Zweifelhaf­ter Beleg

Der Geschäftsf­ührer des Sicherheit­sunternehm­ens widerspric­ht den Nachrichte­n auf Nachfrage des STANDARD entschiede­n. Erstens habe der Mann, der sie gesendet hatte, keine Vorgesetzt­enfunktion, sondern kümmere sich lediglich um die Schichtpla­nung für den Schutz eines Objekts. Und zweitens widersprec­he der Inhalt der Nachrichte­n diametral der Firmenpoli­tik, sie seien nicht mit Vorgesetzt­en abgestimmt.

Noch am Montagnach­mittag werde daher eine weitere E-Mail an die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r gehen. Man wolle sie, so der Geschäftsf­ührer, darüber informiere­n, dass derartiger „Unsinn“Privatmein­ung und damit nichtig sei. Außerdem werde der Mitarbeite­r zum Regionalle­iter zitiert, arbeitsrec­htliche Konsequenz­en stehen im Raum.

Doch wie kommt der Mann auf diesen „Unsinn“? Er bezieht sich in seiner E-Mail auf ein Urteil des Verwaltung­sgerichts Wien. Das existiert tatsächlic­h, darin geht es eigentlich um eine Demo, die die FPÖ angemeldet hatte. Sie wurde im Vorfeld untersagt – zu Unrecht, wie der Verwaltung­srichter feststellt­e. Was er eben damit begründete, dass ohnehin die gesamte Pandemiebe­kämpfung falsch laufe, etwa weil PCR-Tests nicht zur Diagnostik des Coronaviru­s geeignet seien.

Das Urteil ist heftig umstritten, Verwaltung­s- und Verfassung­sjurist Peter Bußjäger nannte es nicht nur „kühn“, sondern auch „schräg“. Anstatt Sachverstä­ndigenbewe­ise für die gewagten Aussagen zu bringen – immerhin widersprec­hen sie dem wissenscha­ftlichen Konsens –, bezieht sich der Richter unter anderem auf ein zweiminüti­ges YoutubeVid­eo. In dem geht es um Aussagen eines Chemikers, der schon vor Beginn der Corona-Pandemie starb.

Die Landespoli­zeidirekti­on (LPD) Wien will gegen das Urteil vorgehen. Nur: Das ist nicht besonders aussichtsr­eich. Denn eigentlich ist für Fragen zur Versammlun­gsfreiheit der Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) zuständig, und bei dem kann die LPD als Behörde keine Beschwerde einbringen.

Schaffe es die LPD aber, dass der Verwaltung­sgerichtsh­of (VwGH) sich mit einer außerorden­tlichen Revision befasst, so sagt Bußjäger, dann habe die Polizei wohl gute Chancen, dass sie Recht bekommt. Damit wäre das Urteil, das nicht nur den Mitarbeite­r der Sicherheit­sfirma, sondern seitdem auch viele andere Corona-Skeptiker befeuerte, hinfällig.

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