Sperrstunde im Netz
Die heimischen Betreiber fordern im Rahmen des kommenden Telekomgesetzes klare Regeln für den Umgang mit Netzsperren.
Netzsperren werden hierzulande meist über Webseiten verhängt, die für rechtswidrig erklärt wurden. Dabei herrscht aber vor allem bei Sperren aufgrund von Copyright-Verletzungen rechtliche Unklarheit. Mobilfunker wünschen sich nun eine juristische Konkretisierung im kommenden Telekomgesetz. Ein Überblick.
Frage: Was sind Netzsperren überhaupt?
Antwort: In Österreich sind damit meist DNS-Blockaden gemeint. Ein sogenannter DNS-Server übersetzt bei dem Aufruf einer Site eine Domain – beispielsweise derStandard.at – zu einer IP-Adresse. Wird nun eine Netzsperre auferlegt, erhält der Internetanbieter den Auftrag, in sein Verzeichnis einzugreifen und den Zugriff zu unterbinden.
Frage: Können Nutzer das umgehen?
Antwort: Sehr leicht sogar, weswegen die Sinnhaftigkeit immer wieder infrage gestellt wird: Es reicht aus, den standardmäßigen DNS-Server umzustellen. Das ist in den Einstellungen des jeweiligen Betriebssystems möglich. Hinzu kommt, dass die Betreiber gesperrter Dienste häufig selbst alternative Domains aufsetzen. Wahlweise können IPSperren auferlegt werden, bei denen die gesamte IP-Adresse nicht mehr erreichbar ist. Sie sind komplizierter zu umgehen – etwa mithilfe von VPN-Diensten, die den eigenen Zugriff verschleiern. Allerdings bergen IPSperren die Gefahr von Overblocking, also die Sperre von Inhalten, die eigentlich erreichbar sein sollten. Das liegt daran, dass sich verschiedene Webseiten oft eine IP-Adresse
teilen. Daher führt die Sperrung einer IP-Adresse teilweise dazu, dass erlaubte Seiten unweigerlich ebenfalls blockiert werden.
Frage: Wann werden Netzsperren eingesetzt?
Antwort: Wie Charlotte Steenbergen, Generalsekretärin des Providerverbands ISPA, zu deren Mitgliedern unter anderem die Mobilfunker „3“und Magenta gehören, zum STANDARD sagt, unterscheidet man in Österreich zwischen zwei Szenarien: „Zum einen Netzsperren aufgrund von behördlichen Anordnungen.“Diese seien mittlerweile klar geregelt: Eine Verbraucherschutzbehörde muss zunächst einen Antrag bei der Telekom-Kontroll-Kommission (TKK) einbringen. Diese erwägt daraufhin vor allem die Vereinbarkeit der Sperre im Hinblick auf die Netzneutralität. Dieses seit 2016 durch ein EU-Gesetz geltende Prinzip sieht vor, dass jeglicher Datenverkehr im Netz gleich behandelt werden muss – beispielsweise darf ein Youtube-Video nicht schneller laden als ein Besuch beim Konkurrenten Vimeo. Die TKK muss aufgrund dieser Regel also eine Abwägung treffen. „Der Access-Provider hat damit auch Rechtssicherheit, sich durch die Umsetzung der Sperrmaßnahme keiner Verwaltungsstrafe nach dem Telekommunikationsgesetz auszusetzen“, erläutert Steenbergen.
Frage: Gibt es andere Gründe für Sperren? Antwort: Ja – nämlich dann, wenn Privatpersonen einen Unterlassungsanspruch gegen Provider richten. Das geschieht insbesondere im Fall von Urheberrechtsverstößen,
beispielsweise bei Sperren von Piraterieseiten wie der Streaming-Seite kino.to oder der Torrent-Plattform Pirate Bay.
Frage: Was ist hier die Problematik?
Antwort: Eine Zugangssperre sei lediglich auf Grundlage einer privaten Aufforderung nicht möglich, sagt Steenbergen. Der Internetbetreiber sei nicht in der Lage, die Rechtswidrigkeit der Inhalte zu beurteilen. Daher käme es aktuell zu kostspieligen Gerichtsverfahren, bei denen die TKK, die die Vereinbarkeit mit der Netzneutralität trifft, nicht involviert wird. Daher sieht der Verband eine Lösung in dem Telekomgesetz, das noch 2021 verabschiedet werden soll – und fordert dort eine Regulierung für mehr Rechtssicherheit.
Frage: Was gilt in anderen Ländern?
Antwort: In Deutschland unterliegen Internetanbieter einer freiwilligen Selbstkontrolle über die Clearingstelle Urheberrecht im Internet. Dort wird die Entscheidung zur Blockade einer Webseite innerhalb der Stelle getroffen – und damit die Entscheidung eines Gerichts umgangen. Die fehlende Einbindung wurde zuletzt vor allem von Netzaktivisten, die Schattengerichte verorten, scharf kritisiert. In der Schweiz sind Netzsperren wegen Urheberrechtsverletzungen untersagt, allerdings werden Webseiten aufgrund von Verstößen gegen das Glücksspielgesetzes unzugänglich gemacht. Auch hierzulande sieht die kommende Novelle des Glücksspielgesetzes DNS-Sperren für Glücksspielanbieter ohne österreichische Lizenz vor.