Der Standard

Mit Zug zum Tor

- Eric Frey

Für Fans von Kanzlerin Angela Merkel – und von ihnen gibt es in Deutschlan­d immer noch viele – wäre Armin Laschet der passende Nachfolger: abwägend, ausgleiche­nd und anständig. Für den kommenden Bundestags­wahlkampf der Union aber wirkt der farblose nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident wie der falsche Kandidat.

Als zerstritte­ne Partei droht der CDU/CSU mit Laschet an der Spitze ein katastroph­ales Ergebnis, mit dem sie nicht einmal eine Koalition zimmern könnte. Sie würde am rechten Rand an die AfD verlieren, in der Mitte an die FDP und hätte auf der linksliber­alen Seite mit der frischgekü­rten grünen Kanzlerkan­didatin Annalena Baerbock starke Konkurrenz. Kein Wunder, dass immer mehr CDU-Politiker von ihrem Parteichef abrücken und ihre Hoffnung auf Markus Söder setzen.

Die beeindruck­end profession­elle Entscheidu­ng bei den Grünen hat die Chancen von Laschet wohl weiter geschmäler­t. Die Ökopartei hat bewiesen, dass bei ihnen auch Alphatiere wie Robert Habeck bereit sind, ihren Ehrgeiz der vereinten Partei unterzuord­nen. Das wird ihnen in den Umfragen weiter Auftrieb geben. Laschet hingegen kann nicht mehr damit rechnen, dass die Union geschlosse­n hinter ihm steht. Seine Kür zum Kanzlerkan­didaten wäre ein Eingeständ­nis, dass die ewige Regierungs­partei die Wahl im Herbst bereits aufgegeben hat.

Deshalb konnte es sich CSU-Chef Söder leisten, sein eigenes Wort zu brechen und trotz des raschen Schultersc­hlusses der CDU-Führung hinter Laschet den Kampf um die Kandidatur fortzusetz­en. Seine Kaltblütig­keit erschreckt und empört, aber gleichzeit­ig beeindruck­t sie viele in der CDU: Hier ist einer mit Zug zum Tor, mit ihm können wir gewinnen.

Aus Sicht der Union wäre es das Beste, wenn Laschet zurückstec­ken und sich mit voller Energie hinter die Kandidatur seines bayerische­n Rivalen stellen würde – so wie es Habeck bei den Grünen tut. Dann würde er gesichtswa­hrend aus dem blutigen Konflikt aussteigen und eine konstrukti­ve Rolle als Parteichef und Flügelmann im Wahlkampf spielen.

Söder gegen Baerbock wäre ein spannendes Duell um die Kanzlersch­aft – oder auch nicht. Denn wer sich nach Merkels ruhiger Hand sehnt, wird sich weder mit dem machthungr­igen Bayern noch mit der eloquenten Grünen wohlfühlen. Über Finanzmini­ster Olaf Scholz wurde zuletzt wenig gesprochen. Aber in dieser Konstellat­ion wäre der pragmatisc­he SPD-Kanzlerkan­didat der beste Garant, um Merkels Erbe zu bewahren – und hätte daher zumindest eine kleine Chance.

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