Was soll denn diese Super League?
Die Zukunft des europäischen Fußballs ist ungewiss, und das hat nur am Rande mit der Corona-Pandemie zu tun. Zwölf Klubs gieren nach Geld und Macht. Das könnte aber ein Eigentor werden.
Seit der Nacht auf Montag steht die Welt des Fußballs kopf. Die Ankündigung von zwölf Klubs aus England, Spanien und Italien, eine selbstständige Super League zu gründen, wirft viele Fragen auf. Einige lassen sich beantworten.
Frage: Warum das alles?
Antwort: „Wir machen das, um den Fußball zu retten, der sich in einer kritischen Situation befindet“, sagte Florentino Pérez im spanischen Fernsehen. Der 74-jährige Präsident von Real Madrid und Vorstandsvorsitzender der Super League sprach die großen Verluste durch die Corona-Pandemie an – die Klubs würden nun dringend Geld brauchen, und ein Bewerb wie die Super League sei ohnehin die Zukunft. Die vorgestern abgesegnete Champions-League-Reform ab 2024 käme für Pérez zu spät: „2024 sind wir alle tot.“
Frage: Ist es um Europas Topklubs wirklich so schlimm bestellt?
Antwort: Vor allem die spanischen Topklubs FC Barcelona und Real Madrid sind hochverschuldet, Barça soll Verbindlichkeiten über 1,3 Milliarden Euro haben. Sie waren aber schon in Schieflage, als Corona noch eine Randnotiz aus Wuhan war. Natürlich traf die Pandemie alle Klubs, die englische Premier League kalkuliert mit einem Gesamtverlust von zwei Milliarden Pfund. Manchester United verbuchte im letzten Quartal 2020 bereits wieder einen Gewinn.
Frage: Schauen wir in fünf Jahren also alle Super League?
Antwort: Das ist noch lange nicht fix. Es stehen juristische Scharmützel bevor, im Interesse des eigenen Profits werden die Streitparteien auch miteinander verhandeln – beim Geldverdienen kommen die Leut’ z’samm. Der Sportmarketing-Experte Dennis Trautwein sieht in der Super League keine ernste Absicht, sondern einen „klaren strategischen Move“, um in der Champions League „einen größeren Teil des Kuchens“abzubekommen. Es steht ein Tanz bevor, an dessen Ende die Fußballwelt eine völlig andere sein könnte.
Frage: Kann die Uefa Spieler der zwölf Klubs, etwa Cristiano Ronaldo oder Toni Kroos, von der EM im Juni aussperren und die Nationalteams somit massiv schwächen?
Antwort: Nein, diese Drohungen sind ein großer Bluff, zumindest nach Meinung von Juristen. „Rein juristisch betrachtet, hat die Uefa keine Chance, ihre Drohungen durchzusetzen“, sagt die Professorin Anne Jakob. Die deutsche Fachanwältin für Sportrecht ist sich wie andere Kollegen sicher: „Die europäischen Gerichte würden einen Ausschluss für unwirksam erklären.“Der Grund sei recht einfach: „Weil es dem europäischen Kartell- und Wettbewerbsrecht widerspricht.“
Frage: Können Uefa und Fifa juristisch sonst etwas ausrichten?
Antwort: Aus Uefa-Kreisen hört man von langen Notfallmeetings mit hochkarätigen Juristen. Man kann annehmen, dass der Kontinentalverband viel versuchen wird und auch teure Rückschläge vor Gericht riskieren wird. Aber auch hier gilt, was für einen EM-Ausschluss gilt: Das europäische Wettbewerbsrecht gibt das Verbot einer Konkurrenzveranstaltung kaum her.
Frage: Die Liga wollte die zwölf Gründungsmitglieder um weitere drei Klubs aufstocken. Wer kommt noch dazu?
Antwort: Geplant waren offenbar Bayern, Dortmund und Paris Saint-Germain, darauf deuten auch deutsche und französische PRKontakte in der ursprünglichen Aussendung hin. Das Trio will derzeit nichts von einer Teil
nahme wissen. Zeichnet sich eine Akzeptanz der Super League ab, würden sie mit einer weiteren Ablehnung riskieren, finanziell abgehängt zu werden.
Frage: Warum sind die Deutschen nicht dabei?
Antwort: Die Eigentümerstruktur ist in Deutschland durch die sogenannte 50+1-Regel grundsätzlich anders als in England – kein Investor darf eine Mehrheit in einem Klub übernehmen. Die Klubs haben deutlich fanfreundlichere Ticketpreise, als auf der Insel üblich ist. „Wir sind nicht dabei, weil wir kein Teil davon sein wollen“, sagte Bayerns Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge. Er ließ sich gestern ins Exekutivkomitee der Uefa wählen – ein weiteres Zeichen der Loyalität zum Kontinentalverband.
Frage: Wie reagieren eigentlich die Spieler?
Antwort: Die Profis halten sich bisher auffällig zurück, nur wenige wagten sich aus der Deckung. Sie stehen aber auch in einem kniffligen Zwiespalt. Einerseits wollen die Spieler natürlich an Welt- und Europameisterschaften teilnehmen, andererseits auch ihrem Verein nicht in den Rücken fallen. Von den Gründerklubs tat als erster Spieler James Milner vom FC Liverpool seine Meinung kund. „Ich mag es kein bisschen und hoffe, dass es nicht passiert“, sagte der Mittelfeldspieler. Der deutsche Nationalspieler Robin Gosens sieht es als „riesige Katastrophe für den Fußball“und würde sich gar an Protesten beteiligen.
Frage: Ist das Band zwischen dem „Dreckigen Dutzend“und dem Rest zerschnitten?
Antwort: Nein. „Es ist nicht zu spät, die Meinung zu ändern, jeder macht Fehler“, sagte Uefa-Präsident Aleksander Ceferin gestern. Auch Bayern-Boss Rummenigge war für einen Dialog: „Meine Hoffnung ist, dass wir noch eine Lösung finden.“Im englischen Fußball gab es 1992 durch die Neugründung der Premier League eine emotionale Spaltung – und Klubs, die einander damals spinnefeind waren, sitzen jetzt nebeneinander an den Geldtöpfen der Liga.
Frage: Was macht die Politik?
Antwort: Sie ist dagegen. Boris Johnson, der britische Premierminister, zeigte sich „entsetzt“. An die Fans gewandt, sagte er: „Das ist euer Spiel – und ihr könnt versichert sein, dass ich alles dafür tun werde, um diesem irrsinnigen Plan die rote Karte zu zeigen.“Der italienische Premier Mario Draghi sagte: „Italiens Regierung unterstützt mit Entschlossenheit die Position der italienischen und europäischen Fußballbehörden, um die nationalen Wettbewerbe, leistungsorientierte Werte und die soziale Funktion des Sports zu erhalten.“
Frage: Was ist mit dem Frauenfußball?
Antwort: Nach dem Start der Super League soll ein analoger Bewerb für Frauenteams folgen. Dass das in der großen Aussendung zur Ligagründung eine Randnotiz war, lässt Rückschlüsse auf die Priorität zu. Die Ex-Weltfußballerin Nadine Keßler, nun bei der Uefa für den Frauenfußball verantwortlich, macht sich Sorgen. Das derzeitige System finanziere „von der Graswurzel bis zur Elite“alles, auch den Frauenfußball. „Das sind lebenswichtige Finanzströme, von denen diese Teile des Spiels, unser Spiel, abhängen.“Frage: Was sagt eigentlich Prinz William? Antwort: William, er ist nicht nur Prinz, sondern auch Präsident des englischen Fußballverbandes FA, hat sich tief besorgt über die Abspaltung gezeigt. „Jetzt müssen wir mehr denn je die gesamte Fußballgemeinschaft und die Werte von Wettbewerb und Fairness in ihrem Kern schützen“, schrieb er auf Twitter.