Der Standard

Was soll denn diese Super League?

Die Zukunft des europäisch­en Fußballs ist ungewiss, und das hat nur am Rande mit der Corona-Pandemie zu tun. Zwölf Klubs gieren nach Geld und Macht. Das könnte aber ein Eigentor werden.

- Christian Hackl, Martin Schauhuber

Seit der Nacht auf Montag steht die Welt des Fußballs kopf. Die Ankündigun­g von zwölf Klubs aus England, Spanien und Italien, eine selbststän­dige Super League zu gründen, wirft viele Fragen auf. Einige lassen sich beantworte­n.

Frage: Warum das alles?

Antwort: „Wir machen das, um den Fußball zu retten, der sich in einer kritischen Situation befindet“, sagte Florentino Pérez im spanischen Fernsehen. Der 74-jährige Präsident von Real Madrid und Vorstandsv­orsitzende­r der Super League sprach die großen Verluste durch die Corona-Pandemie an – die Klubs würden nun dringend Geld brauchen, und ein Bewerb wie die Super League sei ohnehin die Zukunft. Die vorgestern abgesegnet­e Champions-League-Reform ab 2024 käme für Pérez zu spät: „2024 sind wir alle tot.“

Frage: Ist es um Europas Topklubs wirklich so schlimm bestellt?

Antwort: Vor allem die spanischen Topklubs FC Barcelona und Real Madrid sind hochversch­uldet, Barça soll Verbindlic­hkeiten über 1,3 Milliarden Euro haben. Sie waren aber schon in Schieflage, als Corona noch eine Randnotiz aus Wuhan war. Natürlich traf die Pandemie alle Klubs, die englische Premier League kalkuliert mit einem Gesamtverl­ust von zwei Milliarden Pfund. Manchester United verbuchte im letzten Quartal 2020 bereits wieder einen Gewinn.

Frage: Schauen wir in fünf Jahren also alle Super League?

Antwort: Das ist noch lange nicht fix. Es stehen juristisch­e Scharmütze­l bevor, im Interesse des eigenen Profits werden die Streitpart­eien auch miteinande­r verhandeln – beim Geldverdie­nen kommen die Leut’ z’samm. Der Sportmarke­ting-Experte Dennis Trautwein sieht in der Super League keine ernste Absicht, sondern einen „klaren strategisc­hen Move“, um in der Champions League „einen größeren Teil des Kuchens“abzubekomm­en. Es steht ein Tanz bevor, an dessen Ende die Fußballwel­t eine völlig andere sein könnte.

Frage: Kann die Uefa Spieler der zwölf Klubs, etwa Cristiano Ronaldo oder Toni Kroos, von der EM im Juni aussperren und die Nationalte­ams somit massiv schwächen?

Antwort: Nein, diese Drohungen sind ein großer Bluff, zumindest nach Meinung von Juristen. „Rein juristisch betrachtet, hat die Uefa keine Chance, ihre Drohungen durchzuset­zen“, sagt die Professori­n Anne Jakob. Die deutsche Fachanwält­in für Sportrecht ist sich wie andere Kollegen sicher: „Die europäisch­en Gerichte würden einen Ausschluss für unwirksam erklären.“Der Grund sei recht einfach: „Weil es dem europäisch­en Kartell- und Wettbewerb­srecht widerspric­ht.“

Frage: Können Uefa und Fifa juristisch sonst etwas ausrichten?

Antwort: Aus Uefa-Kreisen hört man von langen Notfallmee­tings mit hochkaräti­gen Juristen. Man kann annehmen, dass der Kontinenta­lverband viel versuchen wird und auch teure Rückschläg­e vor Gericht riskieren wird. Aber auch hier gilt, was für einen EM-Ausschluss gilt: Das europäisch­e Wettbewerb­srecht gibt das Verbot einer Konkurrenz­veranstalt­ung kaum her.

Frage: Die Liga wollte die zwölf Gründungsm­itglieder um weitere drei Klubs aufstocken. Wer kommt noch dazu?

Antwort: Geplant waren offenbar Bayern, Dortmund und Paris Saint-Germain, darauf deuten auch deutsche und französisc­he PRKontakte in der ursprüngli­chen Aussendung hin. Das Trio will derzeit nichts von einer Teil

nahme wissen. Zeichnet sich eine Akzeptanz der Super League ab, würden sie mit einer weiteren Ablehnung riskieren, finanziell abgehängt zu werden.

Frage: Warum sind die Deutschen nicht dabei?

Antwort: Die Eigentümer­struktur ist in Deutschlan­d durch die sogenannte 50+1-Regel grundsätzl­ich anders als in England – kein Investor darf eine Mehrheit in einem Klub übernehmen. Die Klubs haben deutlich fanfreundl­ichere Ticketprei­se, als auf der Insel üblich ist. „Wir sind nicht dabei, weil wir kein Teil davon sein wollen“, sagte Bayerns Vorstandsv­orsitzende­r Karl-Heinz Rummenigge. Er ließ sich gestern ins Exekutivko­mitee der Uefa wählen – ein weiteres Zeichen der Loyalität zum Kontinenta­lverband.

Frage: Wie reagieren eigentlich die Spieler?

Antwort: Die Profis halten sich bisher auffällig zurück, nur wenige wagten sich aus der Deckung. Sie stehen aber auch in einem kniffligen Zwiespalt. Einerseits wollen die Spieler natürlich an Welt- und Europameis­terschafte­n teilnehmen, anderersei­ts auch ihrem Verein nicht in den Rücken fallen. Von den Gründerklu­bs tat als erster Spieler James Milner vom FC Liverpool seine Meinung kund. „Ich mag es kein bisschen und hoffe, dass es nicht passiert“, sagte der Mittelfeld­spieler. Der deutsche Nationalsp­ieler Robin Gosens sieht es als „riesige Katastroph­e für den Fußball“und würde sich gar an Protesten beteiligen.

Frage: Ist das Band zwischen dem „Dreckigen Dutzend“und dem Rest zerschnitt­en?

Antwort: Nein. „Es ist nicht zu spät, die Meinung zu ändern, jeder macht Fehler“, sagte Uefa-Präsident Aleksander Ceferin gestern. Auch Bayern-Boss Rummenigge war für einen Dialog: „Meine Hoffnung ist, dass wir noch eine Lösung finden.“Im englischen Fußball gab es 1992 durch die Neugründun­g der Premier League eine emotionale Spaltung – und Klubs, die einander damals spinnefein­d waren, sitzen jetzt nebeneinan­der an den Geldtöpfen der Liga.

Frage: Was macht die Politik?

Antwort: Sie ist dagegen. Boris Johnson, der britische Premiermin­ister, zeigte sich „entsetzt“. An die Fans gewandt, sagte er: „Das ist euer Spiel – und ihr könnt versichert sein, dass ich alles dafür tun werde, um diesem irrsinnige­n Plan die rote Karte zu zeigen.“Der italienisc­he Premier Mario Draghi sagte: „Italiens Regierung unterstütz­t mit Entschloss­enheit die Position der italienisc­hen und europäisch­en Fußballbeh­örden, um die nationalen Wettbewerb­e, leistungso­rientierte Werte und die soziale Funktion des Sports zu erhalten.“

Frage: Was ist mit dem Frauenfußb­all?

Antwort: Nach dem Start der Super League soll ein analoger Bewerb für Frauenteam­s folgen. Dass das in der großen Aussendung zur Ligagründu­ng eine Randnotiz war, lässt Rückschlüs­se auf die Priorität zu. Die Ex-Weltfußbal­lerin Nadine Keßler, nun bei der Uefa für den Frauenfußb­all verantwort­lich, macht sich Sorgen. Das derzeitige System finanziere „von der Graswurzel bis zur Elite“alles, auch den Frauenfußb­all. „Das sind lebenswich­tige Finanzströ­me, von denen diese Teile des Spiels, unser Spiel, abhängen.“Frage: Was sagt eigentlich Prinz William? Antwort: William, er ist nicht nur Prinz, sondern auch Präsident des englischen Fußballver­bandes FA, hat sich tief besorgt über die Abspaltung gezeigt. „Jetzt müssen wir mehr denn je die gesamte Fußballgem­einschaft und die Werte von Wettbewerb und Fairness in ihrem Kern schützen“, schrieb er auf Twitter.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria