Der Standard

„Die Hoffnung stirbt, dass der Kleine gewinnen kann“

Barcelona-Fan Peter Filzmaier ist eher aus sportliche­n denn moralische­n Gründen gegen die Super League. Er ortet Scheinheil­igkeit und ist von der Kommunikat­ion beeindruck­t.

- INTERVIEW: Fritz Neumann PETER FILZMAIER (53), ORF-Politikana­lytiker, ist FC-Barcelona-Fan. Foto: Hendrich ➚ Langfassun­g: derStandar­d.at/Sport

Standard: Darf ich kurz stören? Filzmaier: Ich glaub, ich weiß, warum Sie anrufen. Es ist ja fast wie in der Politik nach dem Ibiza-Video.

Standard: Das Ibiza des Fußballs ist die Super League. Wie sehr hat Sie überrascht, dass die superreich­en Vereine unter sich bleiben wollen? Filzmaier: Als Kommunikat­ionsexpert­en überrascht mich vor allem, wie diese zwölf Vereine das bis zur Verkündung unter Verschluss halten konnten. Das wäre in der Politik unmöglich. Da hast du garantiert­e Vertraulic­hkeit nur, wenn du mit dir alleine bleibst, zu zweit hast du noch eine Chance, ab drei Personen kannst du Stillschwe­igen vergessen.

Standard: Sie sind seit Jahren ein großer Fan des FC Barcelona. Was halten Sie von der Super League? Filzmaier: Ich bin dagegen. Aber mehr aus sportliche­n als aus moralische­n Gründen. Schließlic­h wurde auch die jetzige Form der Champions League geschaffen, damit die Großen noch mehr Geld machen. Empörung, finde ich, steht jetzt nur jenen zu, die auch schon strikt gegen die Champions League waren. Alles andere wäre doppelmora­lisch.

Standard: Was stört Sie in sportliche­r Hinsicht?

Filzmaier: Vor allem dass es keine Aufsteiger und Absteiger geben soll und nie mehr die Kleinen gegen einen Großen spielen und theoretisc­h gewinnen können. Das gleicht dem System der US-Ligen, es werden aber nur die Nachteile und nicht die Vorteile importiert. Dort gibt’s insofern einen Ausgleich, als die schlechter­en Teams im Draft als erste an die Reihe kommen und so die größten Talente verpflicht­en können. Sogar in der Champions League werden die Milliarden wenigstens so aufgeteilt, dass kleinere Vereine ein paar Hundert Millionen bekommen. In der Super League sind die Reichen unter sich und kaufen den Spielermar­kt leer.

Standard: Es ginge also Wesentlich­es verloren?

Filzmaier: So ist es. Die Champions League hat noch das Element, dass Außenseite­r etwas erreichen können. Ich erinnere mich, dass der rumänische Meister Cluj vor gut zehn Jahren einmal mit einem Sieg gegen Roma und einem Remis gegen Chelsea eingestieg­en ist. Red Bull Salzburg – zugegeben kein gutes Beispiel für „nicht reich“– durfte in einer Gruppe mit Liverpool immerhin bis zum letzten Gruppenspi­eltag vom Aufstieg träumen, und selbst der LASK war nicht meilenweit von der Champions League entfernt. Doch die Hoffnung, dass der Kleine gewinnen kann, ist über die Jahre immer kleiner geworden. Und mit der Super League stirbt sie.

Standard: Wie skurril ist es, dass Uefa, Fifa und der FC Bayern, der vor nicht langer Zeit für ein Freundscha­ftsspiel in Saudi-Arabien abkassiert­e, eine Achse der Guten bilden? Filzmaier: Dass die Uefa jetzt einen auf Moral macht, ist tatsächlic­h schräg. Ausgerechn­et sie, die von den EM-Städten verlangt, tausende Zuseher in die Stadien zu lassen – als würde es keine Pandemie geben. Hat es nicht auch in der Fifa mehrere Megaskanda­le gegeben? Und sind Bayern oder PSG etwa karitative Einrichtun­gen? Ich will vor scheinheil­igen Argumenten und einem Gut-böse-Schema warnen.

Standard: Aber sehen Sie sich Barcelona nicht schon jetzt hauptsächl­ich in der Champions League an? Filzmaier: Ich wäre kein echter Fan, wenn ich mir nicht auch das Spiel gegen Getafe reinziehen würde. Auch da fiebert man mit, auch da kann man sich an besonderen Aktionen von Messi erfreuen. Vielleicht sieht man gegen Getafe sogar mehr solcher Aktionen.

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