Globales Netzwerk der Riechforscher
Die Störungen des Geruchs- und Geschmackssinns, die die Infektionen durch den Virus SarsCoV-2 vielfach begleiten, hatten den Start einer weltumspannenden Forschungsinitiative zur Folge. Bereits im März 2020 gründeten Wissenschaftstreibende aus Arbeitsbereichen, die diese Problematik berühren, eine globale Arbeitsgemeinschaft, das Global Consortium of Chemosensory Researchers (GCCR). Das Ziel: Mechanismen und Auswirkungen des Geruchsverlusts bei Covid-19Erkrankungen möglichst genau zu untersuchen.
Das gemeinsame Ziel brachte eine bisher nicht dagewesene Vernetzung im Bereich der chemosensorischen Forschung. Mitte April 2021 sind bereits
677 Mitglieder in 65 Ländern der Erde Teil der Arbeitsgemeinschaft. Studien mit großen Teilnehmerzahlen über verschiedenen Kulturen hinweg werden möglich. Mittlerweile haben sich aus der Forschung viele Subprojekte ergeben, die auch weit über den Covid-Bezug hinausgehen.
Aus Österreich sind beispielsweise Wissenschafter der Wiener Universität für Bodenkultur, der Universität Graz, der Universität Wien, der Medizinischen Universität Wien und der Technischen Universität Graz im GCCR vertreten. Sie forschen etwa an den neuronalen Umständen des Geruchsverlusts oder entwickeln Tests und Trainings, um das Riechen neu zu erlernen. (pum) roorganismen – Bakterien, Pilzen, Archaeen und auch Viren – besiedelt. „Wir wollen unter anderem herausfinden, ob und wie sich das nasale Mikrobiom eines Menschen, der an Anosmie, also der Unfähigkeit zu riechen, erkrankt ist, von einem gesunden unterscheidet“, erklärt Fischmeister. „Im Vergleich zum Mikrobiom im Magen- und Darmtrakt gibt es zu jenem in der Nase noch recht wenige Forschungsarbeiten. Hier wollen wir aufholen.“
Das Darmmikrobiom, dem Einfluss auf alle möglichen Erkrankungen – von Diabetes bis Demenz – nachgesagt wird, hat zuletzt in der medizinischen Forschung besonders viel Aufmerksamkeit bekommen. Fischmeister, der in der Projektleiterrolle der Nachfolger von Kollegin Veronika Schöpf ist, arbeitet mit Christine Moissl-Eichinger vom Zentrum für Mikrobiomforschung der Medizinischen Universität Graz zusammen, um dem NasenMikrobiom auf die Spur zu kommen.
Dass es Zusammenhänge zwischen der Riechfähigkeit eines Menschen und der Zusammensetzung des Mikrobioms am Riechorgan gibt, konnten die Forschenden bereits zeigen. In einer Pilotstudie wurden die Mikroorganismen am sogenannten olfaktorischen Epithel analysiert, also jenem Gewebe im oberen Bereich der Nasenhöhle, das auf die Erfassung von Gerüchen spezialisiert ist. Dabei zeigte sich, dass das Mikrobiom von Menschen, die unter Hyposmie – dem teilweisen Verlust des Geruchssinns – leiden, eine höhere Diversität aufwies als jenes von Personen mit normaler Riechfähigkeit.
Veränderungen im Gehirn
Besonders fiel den Forschenden eine Spezies Buttersäure produzierender Bakterien auf, die eigentlich üblicherweise zum Darmmikrobiom gehört und die im Zusammenhang mit dem geringeren Riechvermögen stehen könnte. „Warum diese Bakterien dort sind und wie sie dort hinkommen, ist noch unklar“, sagt Fischmeister.
Das Riechtraining zielt auf die Weitergabe und Verarbeitung der Geruchsinformationen im Gehirn ab. Dank der Neuroplastizität des Gehirns sollen neue Verbindungen im olfaktorischen Kortex entstehen, um eine bessere Sinneswahrnehmung zu erlauben. Teil der Untersuchungen an den Probanden der Trai
waren deshalb MRT-Aufnahmen, die man durchgeführt hat, während den Patienten Gerüche präsentiert wurden. Auf diese Art sollen das Training und die Veränderungen im Mikrobiom in Zusammenhang mit Entwicklungen im Gehirn gesetzt werden.
Das Nasenmikrobiom selbst ist nicht für den Verlust des Geruchssinns verantwortlich, betont Fischmeister. Es habe aber als Teil eines komplexen Wechselspiels beim Riechvorgang eine „modulierende Wirkung“. Das tägliche, bewusste Riechen, das auf die neurologischen Anpassungen zur Verbesserung der Riechfähigkeit abzielt, zeigt letzten Endes auch hier Auswirkungen. „Dem Training folgt auch eine Veränderung des Mikrobioms“, sagt Fischmeister.
Trainingserfolge
Die bisherigen Ergebnisse der Studie, bei der etwa 20 Teilnehmer die vollen sechs Monate absolviert haben, zeigen für Fischmeister sehr erfreuliche Erfolge. Im Vergleich zur Kontrollgruppe zeigte sich bei fast allen Probanden eine positive Wirkung. „Über 90 Prozent konnten eine Verbesserung erreichen“, betont der Forscher. Wer ein beeinträchtigtes Riechvermögen hatte, näherte sich wieder einer normalen Sinnestätigkeit an. Viele der Patienten, die an einem vollkommenen Verlust des Geruchssinns litten, verbesserten sich in Richtung des hyposmischen, also nur beeinträchtigten Bereichs. Die MRT-Aufnahmen bestätigen für Fischmeister, dass die „mit dem Riechen assoziierten Netzwerke im Gehirn zum Teil wiederhergestellt werden“. Ein ähnliches Bild zeigt die Zusammensetzung des Mikrobioms: Auch hier weisen die Probanden nach dem Training verstärkt Merkmale von Menschen mit normalem Geruchssinn auf.
Untersuchungen dieser Art, die Veränderungen des Mikrobioms der Nase berücksichtigen und in den Fokus nehmen, sollen künftig – ähnlich der Forschung am Darmmikrobiom – häufiger werden. Wenn der Einfluss von Bakterien & Co in der Nase im Detail verstanden wird, könnten sie künftig vielleicht auch helfen, gezielte Therapien zu entwickeln. Fischer sagt dazu: „ProbiotikaTherapien für den Magen-Darm-Trakt sind heute sehr verbreitet. Von einem Pendant für die Nase sind wir aber noch weit entfernt.“