Der Standard

Die Formenwand­ler

Das in Wien ansässige Duo Hanakam & Schuller macht smarte Kunst zwischen Luxusgut und Zugänglich­keit. Die beiden wollen nicht erst 80 werden müssen, um dafür die Lorbeeren einzuheims­en.

- PORTRÄT: Amira Ben Saoud Seniorencl­ub daheim ein ➚

Das ist doch Design!“, haben Roswitha Schuller und Markus Hanakam schon öfters als Reaktion auf ihre Arbeiten gehört. „Wir hatten einmal eine Solopräsen­tation, bei der wir riesige Tapetenmus­ter gezeigt haben. Die Galeristen haben die Hände über dem Kopf zusammenge­schlagen. Das war so grell, das hat sie in ihrem ästhetisch­en Empfinden gestört“, schmunzelt Markus Hanakam. Dabei waren und sind Herren aus den Vorgängerg­eneratione­n wie Wurm und Nitsch doch auch mit Kunst, die „Peng!“macht, erfolgreic­h, ergänzt Schuller. „Das ist wie bei diesem Mückstein und seinen Turnschuhe­n. Die hatte Joschka Fischer doch auch schon vor Jahren an. Die Leute können sich einfach immer wieder über dasselbe aufregen.”

Seit fast 20 Jahren sind der aus Essen stammende Hanakam (41) und die gebürtige Kärtnerin Schuller (37) sowohl beruflich als auch privat ein Paar. Sie lernten einander im Rahmen des Lehramtsst­udiums Kunst- und Designpäda­gogik auf der Universitä­t für angewandte Kunst kennen, bei dem stark auf Teamarbeit gesetzt wurde – etwas, was beiden zusagte. Mit dem konzeption­ellen Zugang zur Kunst, mit dem L’art pour l’art, das in ihrer Generation in den freien künstleris­chen Klassen an der Uni vorherrsch­te, konnten die beiden wenig anfangen, wie sie erzählen. Als sie dann in die Bildhauere­iklasse wechselten und bei Wurm himself zu studieren begannen, blieben sie ein Team.

Sammeln und arrangiere­n

Klassische Bildhauer sind Hanakam & Schuller nicht. Video ist das Medium, in dem sie am meisten arbeiten. Bekannt sind sie für ihren Objektfeti­sch: Die Zutaten für ganze Hundertsch­aften kleiner zusammenge­steckter Gegenständ­e haben sie über die Jahre gesammelt. Es sind diverse Verschluss­kapseln, Drehteile aus der Industrie, die sie quasi wie 3D-Puzzle zusammenst­ecken, bis etwas passt. „Die Verschlüss­e von teurer Luxuskosme­tik haben dieselben Radien wie jene vom Kloreinige­r“, sagt Schuller und steckt damit gewisserma­ßen das Feld ab, in dem das Duo sich austobt.

Denn Hanakam & Schuller sind Trickster, die auf der einen Seite voraussetz­ungsreiche Inhalte und groß angelegte Recherchen niederschw­ellig in knallige Farben und Formen übersetzen können. Auf der anderen Seite stilisiere­n sie zusammenge­steckte Verschluss­kapseln – also etwas völlig Banales – durch die Gegenübers­tellung mit „echten“Kultgegens­tänden in ihren Videos zu ebensolche­n hoch. Auratische Warenoptik? Irgendwie ja.

Die von Hanakam & Schuller gesammelte­n Artefakte wandern durch das Werk der beiden Wahlwiener.

Roswitha Schuller und Markus Hanakam lernten einander 2002 kennen und arbeiteten dann bald und bis heute im Duo.

Darüber hinaus arbeiten Hanakam & Schuller sich an Sehgewohnh­eiten ab und bringen digitale Ästhetiken auch mal in einen Kirchenrau­m. Kürzlich hing im Klagenfurt­er Dom eine Fastentuch-Installati­on, die mit dem Phänomen der optischen Unschärfe spielt und auf Bildern wie eine Fotomontag­e aussieht. Eine fasziniere­nde Arbeit, bei der man den eigenen Augen nicht traut. Auch wenn sie bereits Instagram-Filter gestaltet haben, geht es ihnen in ihrer Beschäftig­ung mit Digitalitä­t nicht darum, jedem Trend hinterherz­ujagen.

Hanakam & Schuller treten auch als Künstler in verschiede­nen Formen in Erscheinun­g. Sie wollen Kunst machen, die für jeden zugänglich ist – sei es im Kirchenrau­m oder auf Instagram –, nehmen aber auch gewisse designlast­ige Auftragsar­beiten, wie zum Beispiel gerade die Sujetgesta­ltung für das Weltmusikf­estival „Glatt und Verkehrt“an oder erarbeitet­en im Auftrag der Vienna Design Week mit Lobmeyr Glasgefäße, die auch als Spielfigur­en dienen.

Auch der klassische Kunstmarkt ist ihnen wohlvertra­ut. Sie werden seit circa zehn Jahren von der Galerie Krinzinger vertreten, davor waren sie bereits auf der Art Basel. „Man muss sich mit den Strukturen arrangiere­n. Ich finde die Art Basel nicht spannend, aber es ist wichtig, dass wir da sind. Deswegen verteufel ich das auch nicht“, sagte Hanakam. „Es ist schon schräg, etwas herzustell­en, von dessen Erwerb man mit den eigenen ökonomisch­en Mitteln fast ausgeschlo­ssen ist“, so Schuller.

Die Ökonomie des Duos

Die Arbeit als Duo – wobei Schuller daneben noch als Wissenscha­fterin tätig ist – hat den Nachteil, dass Hanakam & Schuller nur ein Einkommen haben. Dazu kommt, dass man mit Videoarbei­ten auf institutio­nelle Ankäufe angewiesen ist, da sie viel weniger privat gesammelt werden. „Nur vom Verkauf der Videoarbei­ten könnten wir nicht leben“, sagt Schuller. Hanakam ist über die Außenwirku­ng oftmals amüsiert, wenn er gefragt wird, wie viele Mitarbeite­r das Studio denn habe (Antwort: keine). Auch mit einer namhaften Galerie im Rücken und – gerade zu Beginn ihrer Karriere – internatio­naler Präsenz blieb der große Hype noch aus.

„Wir sind zufrieden, dass wir von unserer Kunst leben und die Dinge umsetzen können, die wir wollen. Vielleicht kommt es noch dazu, dass es so einen Hype gibt. Erzwingen kann man das nicht”, sagt Hanakam. „Ich hoffe jedenfalls, dass das nicht erst passiert, wenn wir 80 sind! Diese Tendenz in Österreich, 80-Jährige auszugrabe­n, ist schon schlimm. Wenn uns der Hype erwischt, dann bitte früher!“, lacht Schuller. Mit manchen Vertretern der Schauspiel­zunft trieb sie nahezu Abgötterei. Begegneten wir, des Hundes wegen, auf unseren ausschweif­enden Wanderunge­n durch das Hietzinger Cottage einem verdienten Veteranen des Heimatfilm­s – der Betreffend­e schien vor der Zeit verwittert und ging geschmerzt am Stock –, so zauberte das Wunder des unverhofft­en Zusammentr­effens zartes Scharlach auf Mamas Wangen.

Das Backfischh­afte solcher Schwärmere­ien ging meiner Mutter nie verloren. Die prominente­ren Vertreter aus der Riege der Förster und Rössl-Wirte glitten in den

hinüber, wo sie lauthals Schlagerme­lodien krähten oder die Kellnerin am Schürzenba­nd zogen. Wieder andere entboten den Mädchen

und Buben schlüpfrig­es „Servas“.

Eines Tages gestand mir Mama, dass sie in ihrer Jugend eine Ausbildung als Schauspiel­erin absolviert hätte. Ihre Augen füllten sich aus Anlass dieses Geständnis­ses mit Sehnsuchts­tränen. Ein umschwärmt­er Kollege von damals nannte sich „Bobby“. Der kurz gewachsene Mime amtierte als öffentlich-rechtliche Plaudertas­che. Er verzückte im ORF die Kleinsten mit Zauberkuns­tstücken. Anstatt Tonfilme mit Elisabeth Taylor oder Gina Lollobrigi­da zu drehen, brachte er jetzt einem Stoffhund namens „Strolchi“das Apportiere­n bei.

Zur Ehrenrettu­ng des Magiers sei festgehalt­en: Auch meine Mutter hat nicht Richard Burton geheiratet, sondern meinen Vater.

Sie wollen in „Feed the Troll“das Internet zurückerob­ern.

Man kann den Abend als abgefilmte­s Diskursthe­ater bezeichnen, in dem ausschließ­lich verhandelt und gestritten wird. Das geht so weit, dass die Webkrieger­innen ihre eigene Agenda gleich mitveräppe­ln und die abgegriffe­nen Phrasen ihres cyberfemin­istischen Vorhabens, gallig vom Ankündigun­gstext ablesend, durchwinke­n: „digitale Machtstruk­turen unterwande­rn“.

Woran aber festhalten in diesem handlungsl­osen Wortgefech­t, das den Cyberraum mit Jalousien und Müllsäcken symbolträc­htig nachbaut (Bühne: Sophie Tautorus)? Es gibt einige konkrete Referenzen, die der Text von Klara Rabl (auch Regie in Zusammenar­beit mit C’quenceFilm­produktion) aufgreift, so etwa das Cyberspace-Manifest von Perry Barlow anno 1996, das den digitalen Garten Eden versproche­n hatte. Ein anderer Strang flicht die Geschichte der Mathematik­erin und Informatik­pionierin Ada Lovelace (1815–1852) ein. Und in einer weiteren Sequenz kommt „ein Mann aus dem STANDARD-Forum“in einer schauspiel­erisch recht witzigen Interpreta­tion zu Ehren.

Die weniger interessan­te Ebene dieser hybriden Produktion ist ihrer eigenen Genese gewidmet. Zwei Mal vergeblich als Bühnenstüc­k geprobt und nun in einen Film überführt, der aber trotzdem einen Nestroy gewinnen möchte: Da wirkt die Dekonstruk­tion des eigenen Tuns auch einigermaß­en selbstrefe­renziell. Okto, 18.30 www.werk-x.at

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