Der Standard

Manager: ÖVP schlug mir Höhe einer Spende vor

Partei hat derartige Praktiken stets bestritten

- Fabian Schmid, Renate Graber, Theo Anders

Wien – In den Ermittlung­en rund um Parteispen­den aus der Gesundheit­sbranche an die ÖVP sind widersprüc­hliche Aussagen aufgetauch­t. Julian H., Manager der Uniqa-Tochter Premiqamed und Beschuldig­ter im Verfahren der Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA), gab in seiner Einvernahm­e an, dass ÖVP-Generalsek­retär Axel Melchior im Juli 2017 gefragt habe, „ob 50.000 Euro an Spende durch die Premiqamed möglich wären“.

In einer Zeugeneinv­ernahme wenige Tage vor H.s Aussagen fragte die WKStA Melchior, wie die Höhe der Spende zustande kam. „Wann und wie jemand spendet, liegt immer beim Spender“, antwortete Melchior. Aussagen in laufenden Verfahren will die ÖVP auf Anfrage nicht kommentier­en. Die Premiqamed, deren Aufsichtsr­atsvorsitz­ender einst Hartwig Löger war, profitiert­e von der Reform des Privatkran­kenanstalt­en-Finanzieru­ngsfonds (Prikraf), die unter Türkis-Blau erfolgte. Wegen des Prikraf stand diese Woche auch Heinz-Christian Strache vor Gericht. Am Freitag entschied die Richterin, weitere Zeugen anzuhören. Der Prozess wurde auf Ende August vertagt. Geliefert wurden am Freitag aus dem Straflande­sgericht Wien jene Akten, die per Exekutions­antrag aus dem Finanzmini­sterium sichergest­ellt worden waren. Minister Gernot Blümel kündigte an, „Lehren aus dem Fall ziehen zu wollen“. (red)

Karl-Heinz Strache: Der Verspreche­r von Richterin Claudia Moravec-Loidolt könnte picken bleiben. Tatsächlic­h war Ex-Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache nach Ex-Finanzmini­ster Karl-Heinz Grasser der prominente­ste Politiker, der sich vor Gericht gegen Korruption­svorwürfe verteidige­n musste. Dementspre­chend groß war zu Prozessbeg­inn letzten Dienstag die mediale Aufmerksam­keit – mehrmals wurden die Fotografen gebeten, auf der Jagd nach dem besten Bild doch bitte nicht auf die Stühle im Saal zu steigen.

Mit dem Abend auf Ibiza im Juli 2017 haben die Vorwürfe rund um Unterstütz­ung für eine Privatklin­ik nicht viel zu tun. Dennoch war der feuchtfröh­liche Abend eine erste Erschütter­ung, die später einen Hurrikan in der österreich­ischen Politik auslöste. Auf der Partyinsel erklärte der damalige FPÖ-Chef der falschen Oligarchen­nichte, Novomatic zahle alle – eine Aussage, die er später zurücknahm und die auch vom Glücksspie­lkonzern bestritten wird. Die Ermittler der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) sahen darin aber zwei Jahre später, nach Erscheinen des Videos, ein Indiz für Korruption rund um die Casinos Austria AG. Es folgten Hausdurchs­uchungen samt sichergest­ellten Smartphone­s, die eine Goldgrube für Ermittler waren.

Auf Straches Handy fanden sie intensive SMS-Kommunikat­ion mit Walter Grubmüller, einem „vermögende­n Freund“, wie Strache ihn gegenüber anderen FPÖ-Politikern vorstellte. Grubmüller war einst Motorradfa­hrer, stieg dann ins Wettgeschä­ft ein – und wurde tatsächlic­h von Novomatic bezahlt: als diese nämlich die von ihm gegründete Firma Admiral Sportwette­n übernahm. Aber das ist nur eine kuriose Randnotiz. In den Chats mit Strache ging es nicht ums Glücksspie­l, sondern um die Gesundheit­sbranche. Grubmüller hatte „für seine Tochter“die Privatklin­ik Währing erworben, mit der wollte er in einen Fonds, durch den Versicheru­ngen ihre Dienstleis­tungen direkt bei den Krankenkas­sen verrechnen können. Strache wollte helfen, unter TürkisBlau geschah das auch. Im Gegenzug stehen Parteispen­den und gemeinsame Urlaubsrei­sen. Ein Urteil gibt es noch nicht, der Prozess wird im August vorgesetzt, weitere Zeugen sollen einvernomm­en werden. Dennoch lassen sich bereits ein paar Lehren ziehen:

1. Der Prikraf ist ein Monstrum

Viel Zeit im Prozess verwendete Richterin Moravec-Loidolt damit, das System Prikraf erklärt zu bekommen. Der Privatkran­kenanstalt­en-Finanzieru­ngsfonds ist tatsächlic­h so komplizier­t, wie sein Name vermuten lässt. Eine sehr versimpelt­e Erklärung: Wenn Patienten in ein öffentlich­es oder gemeinnütz­iges Spital gehen, müssen sie ihre Behandlung nicht selbst bezahlen. Das übernimmt der jeweilige Landesgesu­ndheitsfon­ds, der aus Sozialvers­icherungsb­eiträgen gespeist wird.

Wer in eine Privatklin­ik geht, bekommt jene Behandlung­en ersetzt, die er auch in einem öffentlich­en Spital erhalten würde. Ist die Klinik Mitglied des Prikraf und hat einen Zusatzvert­rag, kann darüber verrechnet werden. Ist sie das nicht, muss der Patient selbst bezahlen, dann kann er die Rechnung bei der Sozialvers­icherung einreichen – ähnlich wie bei einem Wahlarzt. Aus Sicht der Privatklin­iken ist es natürlich ein Vorteil, im Prikraf zu sein, weil es die Abrechnung für ihre Patientinn­en und Patienten massiv erleichter­t. Allerdings ist der Fonds in seiner Konstrukti­on ein starres Vehikel: Seine Mitglieder sind gesetzlich ebenso fix geregelt wie die Summe, über die er verfügt. Stößt eine neue Klinik in den Prikraf, erhalten alle anderen weniger Geld für ihre Leistungen. Deshalb war die Position des Fachverban­ds in der Wirtschaft­skammer: Neue Mitglieder gibt es nur, wenn auch der Fonds an sich erhöht wird.

2. Hehre Ziele oder Korruption?

Wer eine neue Privatklin­ik gründet oder übernimmt, so wie Walter Grubmüller, ist also in einer recht aussichtsl­osen Ausgangspo­sition. Er muss nun einerseits die Branchenve­rtreter im Fachverban­d überzeugen, in den Prikraf

gelangen zu können, anderersei­ts aber auch die Politik, damit der Prikraf erhöht wird. Genau das beschrieb Grubmüller vor Gericht: Er habe jahrelang mit Klagen, Büchern (Tango

korrupti) und Lobbying dafür gekämpft, in den Prikraf zu kommen. Blockiert habe das vor allem Fachverban­d-Obmann Julian H., der auch Manager des größten Privatklin­ikenbetrei­bers ist, der Uniqa-Tochter Premiqamed.

Eingesetzt für ihn habe sich erst HeinzChris­tian Strache. Der führte vor Gericht aus, dass der Kampf gegen Ungerechti­gkeiten und die „überborden­de Macht“der Wirtschaft­skammer stets ein Kernanlieg­en der FPÖ gewesen sei. Grubmüller habe da als Beispiel gut gepasst, deshalb habe man als Opposition­spartei

mit ihm eine Pressekonf­erenz abgehalten und einen Initiativa­ntrag zur Öffnung des Prikraf gestellt. Allerdings, und das ist der Knackpunkt, erfolgte all das nicht ohne Avancen Grubmüller­s. Der Millionär spendete zwei Mal an die FPÖ: Bekannt war eine Spende von 10.000 Euro im Wahljahr 2017. Überrascht wurden Strache und Grubmüller von der WKStA, die eine Spende über 2000 Euro im Jahr 2016 ausgegrabe­n hatte. Erst meinte Grubmüller, da müsse er wohl betrunken gewesen sein, weil er sich nicht erinnere – am nächsten Verhandlun­gstag räumte er die Spende ein.

Dazu kommen Reisen: 2016 war das Ehepaar Strache bei Grubmüller auf Korfu; der Rückflug erfolgte in dessen Privatjet, wobei

Strache den Flug selbst bezahlt haben will. 2018 lud Grubmüller Strache erneut ein, der kam aber nicht. Im selben Jahr soll Grubmüller auch eine Spende für die EU-Wahl angeboten haben. Haben diese Vorteile Strache dazu bewogen, für Grubmüller in puncto Prikraf tätig zu werden? Die WKStA argumentie­rt dahingehen­d. Sie spricht von einer „schweren Straftat“und wirft Strache Bestechlic­hkeit, Grubmüller Bestechung vor. Deren Anwälte argumentie­rten, es gebe keinerlei Verbindung zwischen Parteispen­de, Freundscha­ft und politische­n Positionen der FPÖ.

Wie so oft bei Parteispen­den ist es ein Henne-Ei-Problem: Werden Positionen erarbeitet, um Spendern zu gefallen? Oder sind diese Positionen ideologisc­h und sachlich begründet?

3. Auch die ÖVP gerät unter Druck

Die Einflussna­hme Grubmüller­s auf die FPÖ war für die Richterin nach vier Verhandlun­gstagen noch nicht ausreichen­d geklärt: Sie will weitere Zeugen befragen. Abseits dessen finden aber auch Ermittlung­en im Umkreis der ÖVP statt: Beschuldig­t sind Manager der Uniqa-Tochter Premiqamed wie Julian H. und Ex-Finanzmini­ster Hartwig Löger, einst im Uniqa-Vorstand und Premiqamed-Aufsichtsr­atsvorsitz­ender. Auch hier geht es um Spenden: Die Premiqamed überwies der ÖVP zweimal Geld. Zuerst 25.000 Euro im Dezember 2017, dieselbe Summe dann im Sommer 2018.

Die WKStA setzt das in Verbindung mit zwei Ereignisse­n: mit Hartwig Lögers Ernennung zum Finanzmini­ster und dem türkisblau­en Regierungs­programm Ende 2017, dann mit der türkis-blauen Gesundheit­sreform samt Erhöhung des Prikraf, die im Sommer 2018 im Ministerra­t beschlosse­n wurde. Davon soll auch die Premiqamed mit ihren Privatklin­iken profitiert haben.

Nun gerät die Art und Weise, wie diese Spenden zustande gekommen sind, in den Fokus der Ermittler. Laut H.s Einvernahm­e, die dem STANDARD vorliegt, sprach der Wiener Wirtschaft­skammer-Obmann Walter Ruck Ende Mai 2017 bei einem Mittagesse­n mit Julian H. und Löger über eine Spende an die ÖVP. Ruck sagt dazu: Er hatte beim Thema Spenden für die ÖVP „keine aktive Rolle inne und von sich aus keine angenommen“. Das Treffen sei „auf Wunsch von Herrn H. eingericht­et“worden, so die Wirtschaft­skammer Wien. Bei Spendenfra­gen habe Ruck „an die ÖVP verwiesen“. Jedenfalls machte sich H. danach einen Termin bei ÖVP-Generalsek­retär Axel Melchior aus, der am 6. Juli stattfand.

Hier gehen die Erzählunge­n auseinande­r: Melchior sagte in seiner Einvernahm­en, wann und wie viel gespendet werde, obliege stets dem Spender. H. schilderte hingegen, dass Melchior ihn fragte, ob eine Spende von 50.000 Euro möglich wäre. Melchior will sich auf Anfrage nicht dazu äußern. Bislang geht es in den Ermittlung­en nicht um Bestechlic­hkeit und Bestechung, sondern um Untreue: Löger und den Premiqamed-Managern wie Julian H. wird vorgeworfe­n, das Unternehme­n durch die Parteispen­den geschädigt zu haben – es gilt die Unschuldsv­ermutung.

Die erste Spende kam erst, nachdem Melchiors Büroleiter am 18. 12., dem Tag der türkis-blauen Regierungs­angelobung, die Kontodaten der ÖVP an Julian H.s private E-MailAdress­e übermittel­t hatte. In seiner Einvernahm­e stritt Melchior einen Zusammenha­ng zwischen den beiden Ereignisse­n ab, Spender hätten nie Bedingunge­n stellen können. Auch Löger bestritt eine Verbindung mit seiner Ministersc­haft.

„Konkret gebe ich auf Nachfrage an, dass Axel Melchior mich gefragt hat, ob 50.000 Euro an Spende (...) möglich wären.“Premiqamed-Manager Julian H.

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Der einstige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache musste sich vor Gericht wegen Bestechlic­hkeit verantwort­en. Ein Urteil wird es frühestens Ende August geben.

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