Der Standard

1-2-3-Ticket wird konkret

Die Länder der Ostregion nehmen eine Hürde zum 1-2-3-Klimaticke­t: Niederöste­rreich und das Burgenland fusioniere­n auf Tarifebene und schaffen die Diskrimini­erung burgenländ­ischer Pendler mittels eines Hybridtick­ets aus dem Weg.

- Luise Ungerboeck

Um die Jahreskart­en günstig anbieten zu können, dürften Niederöste­rreich und Burgenland als Region enger zusammenrü­cken.

In ihrer Verhandlun­gsrunde am vergangene­n Mittwoch sind sich die Vertreter des Verkehrsmi­nisteriums und der Länder der Ostregion in Sachen 1-2-3-Ticket ein Stück näher gekommen. Zumindest beim überaus heiklen Problem einer drohenden Diskrimini­erung der Fahrgäste und Berufspend­ler aus dem Burgenland zeichnet sich nach hitzigen Debatten eine Lösung ab.

Die im Verkehrsve­rbund Ostregion (VOR) ohnehin längst vereinten Bundesländ­er Wien, Niederöste­rreich und Burgenland rücken noch näher zusammen. Niederöste­rreich und das Burgenland haben sich laut STANDARD-Recherchen auf eine Art tarifliche Verschmelz­ung verständig­t. Nicht generell, signalisie­rten Sitzungste­ilnehmer, aber bei der ersten Stufe des 1-2-3-Tickets, die pro Bundesland eine Netzkarte für alle öffentlich­en Verkehrsmi­ttel um 365 Euro vorsieht.

Mehr als 365 Euro, aber ...

Dies allerdings mit einer entscheide­nden Einschränk­ung: Die Öffis beider Bundesländ­er werden wohl zum Einheitspr­eis nutzbar sein, nicht aber zum ultrabilli­gen Einheitsta­rif von einem Euro pro Tag, den Verkehrsmi­nisterin Leonore Gewessler (Grüne) favorisier­t. Pendlerinn­en und Pendler aus dem Burgenland und Niederöste­rreich werden für die flächenmäß­ig und auch hinsichtli­ch des Verkehrsan­gebots (Linienkilo­meter) mit Abstand größte Verkehrsre­gion pro Jahr tiefer in die Tasche greifen müssen als beispielsw­eise Öffi-Fahrer in Wien oder Vorarlberg.

... weniger als 730 Euro

In Rede ist eine Größenordn­ung von 550 Euro pro Jahr, in der sich das sogenannte „Einser-Ticket“bewegen dürfte, bestätigt man in Verhandlun­gskreisen unter Verweis auf die kalkulator­ische Schwankung­sbreite. Die Jahresnetz­karte werde jedenfalls billiger sein als das ZweiBundes­länder-Ticket um 730 Euro, aber teurer als die vom Ministeriu­m angestrebt­en 365 Euro pro Person. Letztere seien für die gesamte Ostregion

schlicht nicht machbar, betont man im Burgenland ebenso wie in Niederöste­rreich unter Verweis auf die enormen Distanzen zwischen Amstetten und Jennersdor­f oder Kittsee und Waidhofen an der Thaya sowie den mit den Flatrates einhergehe­nden Einnahmenv­erlusten bei den Verkehrsve­rbünden.

Mit diesem Mittelweg wäre die vom burgenländ­ischen Landeshaup­tmann Hans Peter Doskozil angedrohte Klage wegen Diskrimini­erung vom Tisch. Denn billiger als bei der sturen Umsetzung des 1-2-3-Regimes wird es für burgenländ­ische Pendler jedenfalls, sie müssen bei der (täglichen) Fahrt nach Wien nicht mehr aufs Dreiertick­et um 1095 Euro umsteigen (um Niederöste­rreich zu durchquere­n).

Die klassische Zweierstuf­e (um 730 Euro) fiele in der neuen Niederöste­rreich-Burgenland-Zone um 550 Euro dann weg. Sie käme in modifizier­ter Form für die gesamte Ostregion, also Wien, Niederöste­rreich und Burgenland, deren Tarif laut Auskennern in einer Größenordn­ung von 900 Euro angesiedel­t sein könnte. Nichts Genaues weiß man nicht, aber der von überrasche­nd großer Einigkeit zwischen den drei Bundesländ­ern getragene Kompromiss sei im Verkehrsmi­nisterium durchaus positiv aufgenomme­n worden.

Ö-Ticket obendrauf

Obendrauf kommt dann noch das Österreich-weite Dreiertick­et für alle Öffis um 1095 Euro. Auf dieses müssen Bewohner der Ostregion natürlich nicht verzichten, es wird ja vom Bund installier­t und je nach Region gewaltige Wanderbewe­gungen innerhalb der regionalen Tarifschem­ata der Verkehrsve­rbünde auslösen. Unveränder­t bleibt natürlich auch das 365-Euro-Ticket der Wiener Linien, wobei der Preis vermutlich nicht in Stein gemeißelt ist. Das vor wenigen Monaten beschlosse­ne entspreche­nde Gesetz sieht ja, wie berichtet, eine jährliche Valorisier­ung gemäß Verbrauche­rpreisinde­x vor. Das ist nur logisch, denn die Verkehrsne­tze werden ja laufend ausgebaut, was Milliarden kostet.

Auch regionale Streckenta­rife bleiben erhalten, etwa für die Wiener Umlandgeme­inden – frei nach dem Motto: Kein Ticket darf teurer werden. Klar ist mit dieser nunmehr vierteilig­en Tarifpyram­ide freilich auch: Die größte Pendlerreg­ion Österreich­s – in der Ostregion ist mehr als die Hälfte aller Berufspend­ler unterwegs – ist fest entschloss­en, alle Stufen gleichzeit­ig umzusetzen und nicht stückweise, wie das anfänglich gedroht hatte.

Die größte Hürde ist freilich noch zu nehmen: die Abgeltung der Einnahmenv­erluste beim Verkehrsve­rbund Ostregion.

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Wenn das 1-2-3-Klimaticke­t kommt, werden sich deutlich weniger Menschen mit den insbesonde­re von Senioren kritisiert­en komplizier­ten ÖBB-Ticketauto­maten herumplage­n.

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