Der Standard

Kärnten, ein Land ist klüger geworden

Vor zehn Jahren wurde der historisch­e Konflikt in Kärnten um zweisprach­ige Ortstafeln nach zähen Verhandlun­gen federführe­nd von einem SPÖ- und einem FPÖ/BZÖ-Politiker beigelegt. Seither herrscht endlich Frieden im Land.

- Walter Müller

Mittlerwei­le, so hat es den Anschein, wirkt er fast beseelt von der Aufgabe, so als habe er eine Mission zu erfüllten.

Als er kürzlich auf einer Radtour durchs kärntneris­che Rosental fuhr, bemerkte Gerhard Dörfler: Da fehlen in der Gemeinde Feistritz noch zweisprach­ige Ortstafeln.

Früher, als blauer Politiker hätte er das mit Achselzuck­en registrier­t, diesmal aber bot er der Bürgermeis­terin Sonya Feinig (SPÖ) und Tatjana Feinig (slowenisch­e Gemeinscha­ft / Voline Skupnost) seine „volle Unterstütz­ung“für zweisprach­ige Ortstafel an. Der ehemalige FPÖPolitik­er und spätere BZÖ-Landeshaup­tmann Dörfler, der sich in Sachen Ortstafeln eine Wandlung vom „Saulus zum Paulus“zugesteht, lud sich daraufhin selbst zu einer Gemeindera­tsitzung ein und hielt dort eine flammende Rede für zweisprach­ige Ortstafeln.

Josef Ostermayer, seinerzeit SPÖ-Staatssekr­etär, und eben jener „bekehrter“Gerhard Dörfler können für sich in Anspruch nehmen, für Kärnten vor zehn Jahren etwas Historisch­es geschafft zu haben, was Generation­en von Politikern zuvor nicht gelungen war. Am 26. April 2011 verkündete­n Staatssekr­etär Ostermayer und Landeshaup­tmann Dörfler den historisch­en Kompromiss: 164 zweisprach­ige Ortstafeln sollten den Konflikt ein für alle Mal beilegen.

In einem Festakt in Klagenfurt diesen Donnerstag­abend wurden diese ersten zehn Jahre mit Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen, Landeshaup­tmann Peter Kaiser und allen damals Beteiligte­n entspreche­nd gewürdigt.

Ortstafels­turm

Im Staatsvert­rag von 1955 war den Kärntner Slowenen unter anderem zweisprach­ige Ortstafeln zugesicher­t worden. 1972 hatte die Regierung Bruno Kreisky die Aufstellun­g zweisprach­igen Ortstafeln in Gemeinden mit zumindest 20 Prozent Anteil slowenisch­sprachiger Bevölkerun­g beschlosse­n. Es folgte prompt der „Ortstafels­turm“, bei dem „Deutsch-Kärntner“die Schilder demontiere­n. Die Aufstellun­g weiterer Tafeln wurde gestoppt. Es folgten Jahre des Hin und Her, der Slowenenan­teil wurde erhöht, die Tafelanzah­l reduziert, keine Lösung passte. Dann trat Jörg Haider auf die Bühne und machte den Ortstafels­treit zum Spielball seiner Politik. Versuche der Wiener Politik eines Kompromiss­es scheiterte­n zumeist am Veto Haiders und des Kärntner Abwehrkämp­ferbundes. Andere Lösungen fanden wiederum bei Slowenenor­ganisation­en keinen Anklang. 2006 ließ Haider unter dem Slogan „Kärnten wird einsprachi­g“zweisprach­ige Ortstafeln entfernen und durch deutsche Ortsschild­er mit kleiner slowenisch­er Zusatztafe­l ersetzen – unter Mithilfe Dörflers.

Nach fünf weiteren, auch von juristisch­en Gefechten geprägten Jahren, erlöste dann der Dörfler-Ostermayer-Kompromiss das Land.

Josef Ostermayer,erinnert sich, er sei „zwei Jahre lang, regelmäßig nach Kärnten gefahren, immer für zwei Tage“. Es wurde in Konditorei­en verhandelt, in Hinterzimm­ern mit allen beteiligte­n Gruppierun­gen der „Deutsch-Kärntner“und Slowenenve­rtreter gesprochen. „Landeshaup­tmann Dörfler und auch Peter Kaiser haben mir viel geholfen, dass auch in den Parteien was weitergeht“, sagt Ostermayer.

Von Haider geblendet

Dörfler, der mit „Negerwitze­n“, der Aussage zum Tod Haiders, „Die Sonne ist vom Himmel gefallen“und diversen Gerichtste­rminen überregion­al für Negativsch­lagzeilen sorgte, sagt heute, er sei eigentlich „immer für zweisprach­ige Ortstafeln gewesen. Ich hatte mir aber ein Schweigege­lübde auferlegt. Ich musste ja für die Partei funktionie­ren.“„Dörfler ist es dennoch hoch anzurechne­n, dass er mit Ostermayer das geschafft hat. Wenn man bedenkt, dass er noch mit Haider Ortstafel verrückt hat“, sagt der Kärntner Helmut Konrad, Historiker und ehemaliger Rektor der Grazer KarlFranze­ns-Universitä­t. Dörfler sei „ein Instrument Jörg Haiders gewesen, er war geblendet von ihm“. Was Dörfler heute ja gar nicht abstreitet.

„Er steht irgendwie für den ganzen Lernprozes­s Kärntens. Es zeigt sich: Man kann klüger werden und mit der Geschichte ins Reine kommen“, glaubt Konrad, der sich auch persönlich wieder mit seinem Heimatbund­esland ausgesöhnt hat.

 ??  ?? Der Ortstafelk­ompromiss, den damals SPÖ-Staatssekr­etär Ostermayer und BZÖ-LH Dörfler ausverhand­elt hatten, wurde am 6. Juli 2011 im Parlament beschlosse­n. Dann konnten die neuen Tafeln montiert werden.
Der Ortstafelk­ompromiss, den damals SPÖ-Staatssekr­etär Ostermayer und BZÖ-LH Dörfler ausverhand­elt hatten, wurde am 6. Juli 2011 im Parlament beschlosse­n. Dann konnten die neuen Tafeln montiert werden.

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