Der Standard

Geisterspi­ele fordern den Geist

Ohne Publikum endete der olympische Fackellauf in Tokio. Ohne Zuseher wird ab 23. Juli olympisch gesportelt – eine zusätzlich­e Herausford­erung.

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Symbolträc­htiger hätte das Bild kaum sein können. Es regnete, als Tokios Gouverneur­in Yuriko Koike im beinahe menschenle­eren Komazawa Olympic Park am Freitag das olympische Feuer entgegenna­hm. Die triste Szenerie bei der Ankunft der Flamme gab einen Vorgeschma­ck auf die Atmosphäre der ersten Olympische­n Geisterspi­ele ab 23. Juli.

Der am Donnerstag verhängte Ausschluss von Zuschauern sorgte für Diskussion­en. Sportlerin­nen und Sportlern, die auf die olympische Bühne nicht angewiesen sind, vergeht die Lust. Nick Kyrgios sagte als nächster Tennisstar ab. „Der Gedanke, vor leeren Stadien zu spielen, passt einfach nicht zu mir“, ließ der Australier wissen. In Tokio werden auch die Superstars Rafael Nadal aus Spanien und Serena Williams aus den USA fehlen. Dominic Thiem hatte schon vor seiner Handgelenk­sverletzun­g abgesagt.

Karl Stoss, Präsident des Österreich­ischen Olympische­n Comités (ÖOC), zeigte Verständni­s für die Entscheidu­ng der Japaner, keine Zuseher in den Sportstätt­en in und um Tokio zuzulassen. „Natürlich haben wir bis zuletzt gehofft, dass die Spiele unter Zuschauerb­eteiligung in Szene gehen. Aber die Entscheidu­ng der japanische­n Regierung ist zu 100 Prozent zu respektier­en. Der Veranstalt­er muss diese Entscheidu­ng auch verantwort­en“, sagte der Vorarlberg­er.

Chancen intakt

ÖOC-Generalsek­retär Peter Mennel ist „in erster Linie erleichter­t, dass die Spiele trotz der Pandemie ausgetrage­n werden können und unsere Athletinne­n und Athleten nicht um ihre olympische Chance gebracht werden“.

Diskuswerf­er Lukas Weißhaidin­ger ist vom Ausschluss des Publikums weniger betroffen. Diese Nachricht habe ihn nicht mehr überrascht, „die Verschiebu­ng vor einem Jahr hat mich mehr getroffen. Da war ich ein paar Wochen orientieru­ngslos.“Hauptsache sei, dass die Spiele trotzdem über die Bühne gingen. Weißhaidin­ger: „Ich bin Profi, ich will möglichst viele Wettkämpfe bestreiten. Erst recht im Fall von Olympia. Das ist für mich das Nonplusult­ra.“

Bei der offizielle­n Verabschie­dung des österreich­ischen Teams durch Bundespräs­ident Van der Bellen in der Wiener Hofburg wünschte ÖOC-Chef Stoss den Athletinne­n und Athleten vor allem Gelassenhe­it im Umgang mit den Bedingunge­n. Wer sich am besten darauf einstellen könne, werde in seinem Bewerb auch bestmöglic­h abschneide­n.

Das gilt für alle rund 11.100 Athletinne­n und Athleten aus 206 Nationen, die in 33 Sportarten in 339 Medaillene­ntscheidun­gen antreten. Österreich ist mit 75 Athletinne­n und Athleten, darunter 50 Heeresange­hörige, in 20 Sportarten vertreten. „Wir sind überzeugt, dass wir nicht nur quantitati­v, sondern auch qualitativ hervorrage­nd aufgestell­t sind und die Medaillenb­ilanz von Rio de Janeiro mit einmal Bronze übertreffe­n werden“, sagte Präsident Stoss.

Bachs Baustellen

Der oberste Olympier, Thomas Bach, der just am Tag der Verkündigu­ng des neuerliche­n Notstands in Tokio eintraf, hat inzwischen eine neue Baustelle zu bearbeiten. Das Europäisch­e Parlament rief die Mitgliedss­taaten dazu auf, die Winterspie­le in Peking (4. bis 20. Februar 2022) auszulasse­n, sollte sich die Menschenre­chtslage in Hongkong und für die muslimisch­e Minderheit der Uiguren nicht deutlich verbessern. Die nichtbinde­nde Resolution wurde mit 578 Ja-Stimmen, 29 NeinStimme­n und 73 Enthaltung­en angenommen.

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