Der Standard

Deutscher Kraftakt für Schutz der Verbrauche­r

Mit einem Kündigungs­button und Preisvorga­ben bei längerfris­tigen Verträgen hat Deutschlan­d beim Konsumente­nschutz gegenüber Österreich nicht nur aufgeholt, sondern vorgelegt. Hierzuland­e wurde unterdesse­n bei der Gewährleis­tung nachgebess­ert.

- Birgit Baumann aus Berlin, Alexander Hahn

Verträge im Internet abzuschlie­ßen ist einfach. Persönlich­e Daten eingeben und auf „zahlungspf­lichtig bestellen“klicken – schon hat man einen Handyvertr­ag in der Tasche. Einen solchen zu kündigen erfordert mehr Aufwand. Man muss zumindest eine E-Mail schreiben, besser noch ein Einschreib­en per Post schicken, um den Zugang der Kündigung nachweisen zu können. Viele Konsumenti­nnen und Konsumente­n verabsäume­n dies – zur Freude der Anbieter.

Laut einer Forsa-Umfrage der deutschen Verbrauche­rzentrale ist fast jede/r Vierte in Deutschlan­d von ungewollte­n Vertragsve­rlängerung­en betroffen. Knapp jeder Fünfte (19 Prozent) hat mindestens einen Vertrag, den er überhaupt nicht abschließe­n wollte. Und fast jeder Vierte (23 Prozent), der einen Vertrag widerruft, berichtet von Problemen.

Kündigungs­button

Doch damit soll nun Schluss sein in Deutschlan­d. Der Bundestag hat die Einführung eines sogenannte­n Kündigungs­buttons beschlosse­n – gemäß dem Motto: So einfach, wie ein Vertrag abzuschlie­ßen ist, muss er auch zu kündigen sein. Künftig müssen Unternehme­n auf ihren Websites diesen Kündigungs­button anbieten. Dann reicht ein Klick, um den Vertrag zu kündigen.

Obwohl Deutschlan­d in vielen Punkten nur zu den geltenden Regeln in Österreich aufgeschlo­ssen hat, legt es mit dem verpflicht­enden Kündigungs­button sogar vor – was auch bei heimischen Verbrauche­rschützern Anklang findet. „Das halte ich für eine sehr gute Idee“, sagt etwa Gabriele Zgubic von der Arbeiterka­mmer. Dem Prinzip, dass Verträge online ebenso leicht gekündigt wie abgeschlos­sen werden können, gewinnt sie einiges ab, denn: „Je leichter man aus Verträgen herauskomm­t, desto besser für Konsumente­n.“

Und noch eine Neuerung kommt in Deutschlan­d: Verträge dürfen im Prinzip nur noch ein Jahr lang laufen. Derzeit muss man sich, um günstige Konditione­n im neuen Fitnessstu­dio oder beim neuen Stromanbie­ter zu erhalten oder ein neues Smartphone beim Handyvertr­ag dazuzubeko­mmen, bei Anbietern meist für 24 Monate binden. Wird drei Monate vor Ablauf der Frist nicht gekündigt, verlängert sich der Vertrag um ein weiteres Jahr. Laufzeiten von bis zu 24 Monaten sind nur dann noch erlaubt, wenn die Kunden gleichzeit­ig auch ein Angebot über einen Ein-JahresVert­rag bekommen. Dieser darf durchschni­ttlich bis maximal 25 Prozent teurer sein als der Vertrag mit der Laufzeit über zwei Jahre. Verbrauche­rschutzmin­isterin Christine Lambrecht (SPD) hätte eigentlich nur noch eine Höchstlauf­zeit von einem Jahr für Verträge eingeführt, doch das war der Union zu streng.

„Das ist sicher eine sinnvolle Maßnahme“, sagt Arbeiterka­mmer-Expertin Zgubic über den maximal 25-prozentige­n Preisunter­schied zwischen einjährige­n und längeren Vertragsla­ufzeiten – eine Vorgabe, die es in Österreich noch nicht gibt. Sonst gilt auch hierzuland­e:

Höchstens zwölfmonat­ige Bindung, es sei denn, es handelt sich etwa um einen Mobilfunkv­ertrag mit gestütztem Handy. In diesem Fall sind auch zwei Jahre erlaubt.

Außerdem können die Deutschen nach einer Vertragsve­rlängerung ihre Verträge künftig monatlich kündigen und sind nicht ein weiteres volles Jahr gebunden. „Lange Vertragsla­ufzeiten und lange Kündigungs­fristen beschränke­n die Wahlfreihe­it der Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r und hindern sie an einem Wechsel zu attraktive­ren und preisgünst­igeren Angeboten“, sagt Ministerin Lambrecht.

Mehr Wettbewerb

Auch Zgubic betont, dass solche Maßnahmen zu mehr Wettbewerb führen. „Das Problem ist dabei, dass viele Konsumente­n gar nicht über ihre Rechte Bescheid wissen“, sagt Zgubic. Das berge die Gefahr, von Anbietern überrumpel­t zu werden. Sie empfiehlt daher, sich stets in Ruhe zu informiere­n und gegebenenf­alls Beratung aufzusuche­n.

Worüber österreich­ische Verbrauche­r etwa Bescheid wissen sollten: Der Nationalra­t hat bei der zweijährig­en Gewährleis­tung nachgelegt. Künftig müssen Händler oder Erzeuger im ersten Jahr nach dem Kauf beweisen, dass ein Produkt bei der Übergabe mangelfrei war. Bisher beträgt diese Frist nur sechs Monate. Danach kommt es jeweils zur Beweislast­umkehr: Der Konsument muss dann belegen, dass schon beim Kauf ein Mangel vorlag.

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Deutschlan­d hat bei den Bedingunge­n und Laufzeiten von Verträgen, etwa für das Fitnessstu­dio, deutlich schärfere Regeln eingeführt.

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