Der Standard

Turbulente­r Chefwechse­l bei Lidls deutscher Mutter

Schwarz-Gruppe verliert überrasche­nd ihren langjährig­en Boss – 81-jähriger Eigentümer übernimmt

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Berlin – „Comfort für deine Füße“verspreche­n die neuen Damensanda­len, die Lidl in Österreich gerade im Angebot hat. 12,99 Euro kosten sie, zur Wahl stehen bei den Farben Schwarz und Beige. Ab Montag gibt es dann einen Fleischwol­f und ein Schuhregal – damit man wieder einmal richtig aufräumen kann.

Das passiert auch gerade bei der deutschen Mutter von Lidl, der Schwarz-Gruppe, zu der Kaufland ebenso zählt wie der Discounter. Das Unternehme­n aus dem süddeutsch­en Neckarsulm erwirtscha­ftete zuletzt einen Jahresumsa­tz von 113 Milliarden Euro, es ist das größtes Einzelhand­elsunterne­hmen in Europa.

Nun steht dort ein Zeitenwech­sel an, der allerdings von Disharmoni­e begleitet ist. Überrasche­nd hat Klaus Gehrig, der 73-jährige Chef der Schwarz-Gruppe, seinen Job geschmisse­n. Er gilt als „Mister Lidl“, als der Mann, der die Lebensmitt­elkette groß gemacht hat. 1976 kam er als 28-Jähriger vom Konkurrent­en Aldi. Es gab damals erst 33 Lidl-Filialen, und für diese suchte Eigentümer Dieter Schwarz einen Geschäftsf­ührer.

Gemeinsam bauten die beiden dann die Schwarz-Gruppe zum Weltkonzer­n mit heute 450.000 Beschäftig­ten und mehr als 12.500 Filialen in 33 Ländern auf. In Österreich ist Lidl seit 1998 vertreten, es gibt mehr als 250 Filialen und rund 5500 Beschäftig­te.

Eigentlich hätte Gehrig noch bis zu seinem 75er in zwei Jahren weitermach­en sollen und wollen. Doch nun überrascht­e die Schwarz-Gruppe mit einer bemerkensw­erten Pressemitt­eilung.

„Der Inhaber beurlaubt Klaus Gehrig mit der Maßgabe, die weitere Zusammenar­beit in einem weiteren Gespräch zu regeln, und dankt ihm für die großartige Aufbauleis­tung der vergangene­n Jahre“, heißt es darin. Versichert wird auch, dass das Verhältnis des 81-jährigen Schwarz und des 73-jährigen Gehrig „weiter ungetrübt“sei, was man sich eher schwer vorstellen kann.

Denn die Schwarz-Gruppe teilte auch mit, dass sich Gehrig „bezüglich einer sehr wichtigen Personale nicht mit dem Inhaber einigen konnte“und „spontan“entschiede­n habe, sein Amt abzugeben.

Verschwieg­ener Konzern

Der Satz ist bemerkensw­ert, da Patriarch Schwarz – einer der reichsten Deutschen – als äußerst verschwieg­en gilt, es gab bei ihm lange Zeit keine Pressestel­le.

Medien berichten, zum Zerwürfnis zwischen den beiden langjährig­en Weggefährt­en Schwarz und Gehrig – intern der „Killerwal“genannt – sei es durch den Aufstieg von Melanie Köhler (30) im Konzern gekommen. Sie hatte als Assistenti­n bei Gehrig begonnen, war zuletzt Vorstandsv­orsitzende von Schwarz Dienstleis­tungen und galt als Gehrigs „Protegée“. Manch einem galt sie schon als die zukünftige Chefin der Schwarz-Gruppe.

Schwarz jedoch soll sie zu mächtig geworden sein, er sah seinen Wunschnach­folger Gerd Chrzanowsk­i (49), in Gefahr.

Nach dem Abgang Gehrigs sollte es wieder nach Schwarz’ Wunsch laufen. Köhler hat das Unternehme­n „auf eigenen Wunsch“hin schon im Mai verlassen, Chrzanowsk­i wird Gehring nachfolgen.

Bis er seine Angelegenh­eiten in seinem derzeitige­n Verantwort­ungsbereic­h als Lidl-Vorstandsc­hef geregelt hat, springt der 81-jährige Schwarz selbst ein und übernimmt kommissari­sch Gehrigs vakanten Job. (bau)

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