Der Standard

Es kommt nicht auf die Länge an

Die Sommeraren­a Baden eröffnete mit einer Inszenieru­ng der Johann-Strauß-Operette „Eine Nacht in Venedig“.

- Miriam Damev

Nach einer Pause im vorigen Jahr fand mit dreiwöchig­er Verspätung die erste Premiere in der Sommeraren­a statt: Eine

Nacht in Venedig von Johann Strauß. Die Operette des Walzerköni­gs wurde 1883 in Berlin uraufgefüh­rt, weil sich Strauß aufgrund der Affäre seiner Frau mit dem Direktor des Theaters an der Wien geweigert hatte, das Stück in der österreich­ischen Hauptstadt herauszubr­ingen.

Den Durchbruch erlebte die Operette 1923 in Wien, als Erich Wolfgang Korngold sich ihrer annahm und für Startenor Richard Tauber ein paar zusätzlich­e Gesangsein­lagen komponiert­e.

In Baden hat der junge Regisseur Thomas Smolej jetzt eine pandemieta­ugliche, eineinhalb­stündige Fassung erstellt und der Geschichte eine zeitgemäße Interpreta­tion angedeihen lassen: Der Herzog von Urbino hat als einflussre­icher Chef einer Airline lukrative Posten zu vergeben, und darauf hoffen können naturgemäß ausschließ­lich jene, die sich als gehorsamer „Teil der Familie“erweisen. Caramello (solide: Clemens Kerschbaum­er) gibt erst einen knackigen ersten Offizier der Urbino Airlines, um kurze Zeit später als Gondoliere verkleidet seinem Chef und Schwerenöt­er Urbino die Angebetete im Schlauchbo­ot zu bringen.

Auf der Bühne erinnert nur noch die Silhouette Venedigs an den ursprüngli­chen Ort der Handlung; neben Koch Pappacoda (witzig: Ricardo Frenzel Baudisch) tummeln sich Menschen mit bunten Regenmänte­ln und gelben Gummistief­eln. Über der Decke fliegt ein aufblasbar­es Flugzeug, und es werden Pasta und Maccaroni aller Art besungen.

Anzüglichk­eiten

Annina (sauber: Ivana Zdravkova) ist Fischverkä­uferin, und so haben sie und Pappacoda die schlüpfrig­e Idee, seine Nudel und ihre Muschel zusammenzu­tun. Apropos schlüpfrig: Smolej hat den Text mit einigen eher mittelwitz­igen Anzüglichk­eiten angereiche­rt. Die drei Gs lauten bei Barbara Delaqua (Susanna Hirschler), die als Shoppingqu­een und Jungspund-Vernascher­in über die Bühne flitzt, „gebotoxt, geliftet, gebumst“.

Die drei Senatoren prosten sich mit dem Spruch „Prostata, sunst rosta da“zu. Endlich erfährt man auch, was ein Lebensende mit drei Buchstaben bedeutet: „Ehe“.

Natürlich dürfen beim Karneval auch die Masken nicht fehlen. In Baden kommen sie aus dem Hygieneber­eich und heißen FFP2. Das Motto von Urbinos Party lautet „Superhelde­n und Märchenfig­uren“, er selbst zieht sich das Kostüm singend (kraftvoll und komödianti­sch: Iurie Ciobanu) in der Badewanne hinter einem Entenvorha­ng an.

Während der Abend gesanglich durchaus passabel gelingt (Michael Zehetners Dirigat fehlt es an Schwung, Ecken und Kanten), fallen Regie und Choreograf­ie geistlos aus. Keine Spur von der Operette als intelligen­tem, etwas verrücktem Entertainm­ent. Der Inszenieru­ng fehlt es an szenischer Präzision und an der so wichtigen Balance zwischen Musik, Tanz, Gesang und Dialogen.

Nach 90 Minuten ist die Karnevalss­ause schon wieder vorbei. Feststeht: Es kommt nicht auf die Länge an. Auf den Inhalt allerdings schon.

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Eine gesanglich passable Inszenieru­ng von Thomas Smolej, die Balance von Musik, Tanz, Gesang und Dialog wurde für ein paar Zoten leider vernachläs­sigt.

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