Der Standard

Viel Lärm um drei Buchstaben und ein Stricherl

- Gerald Schubert

Kennen Sie eigentlich die Huberin? Oder die Mayerische? Vermutlich ja. Beide muten zwar irgendwie ländlich-archaisch an, aber in vielen österreich­ischen Dialekten haben wir auch heute noch oft die Ehre mit ihnen.

Im Tschechisc­hen hingegen sind weibliche Endungen von Nachnamen hochsprach­liche Norm. Eine Norm allerdings, die in den vergangene­n Jahren immer lauter kritisiert und immer mehr ausgehöhlt wurde, bis sie nun – zumindest auf rechtliche­r Ebene – ganz wegfiel.

Ein neues Gesetz erlaubt es allen Frauen im Land, auf die Endung -ová zu verzichten. Die Gattin von Herrn Novák etwa hieß bisher Nováková – außer sie behielt ihren Geburtsnam­en, der aber in der Regel ebenfalls eine weibliche Endung hat, abgeleitet meist vom Namen des Vaters. Künftig darf sie, wenn sie das will, wie ihr Mann einfach Novák heißen.

Wer nun glaubt, dass diese Änderung des Personalau­sweisgeset­zes die Gemüter von Herrn Čech und Frau Čechová kaltlässt, täuscht sich gewaltig. Der Kampf für und gegen das -ová wird bereits seit vielen Jahren ausgetrage­n, und das häufig mit geradezu religiösem Eifer. Während die einen es zum Symbol des Nationalst­olzes stilisiere­n und sich im letzten Gefecht für die vermeintli­che

Reinheit des Tschechisc­hen wähnen, halten andere es für ein Echo aus der Vergangenh­eit, das Frauen zu Anhängseln von Männern macht.

Den Unmut von Linguisten haben sich beide Lager zugezogen. Einerseits gibt es weibliche Namensendu­ngen auch in anderen slawischen Sprachen. Anderersei­ts befreit die unscheinba­re Länge auf dem a das -ová vom Verdacht, die Frau dem Mann als Besitz zuschanzen zu wollen.

Denn Possessiva­djektive, die das Tschechisc­he tatsächlic­h kennt, hätten in diesem Fall ein kurzes a. Auf alten Grabsteine­n kann man da und dort noch Frau Novákova finden – quasi „die vom Novák“. Aber das ist längst Sprache von gestern. Das neue Gesetz ist auch ein Schritt zur Gleichstel­lung von Frauen untereinan­der: Tschechinn­en, die mit einem Ausländer verheirate­t sind, durften schon bisher mit drei Buchstaben weniger durchs Leben gehen.

Doch auch Fans des -ová haben ein starkes Argument: Wenn Frauen männliche Namen haben, sind diese so gut wie nicht deklinierb­ar. Auch irgendwie ungerecht – und im Tschechisc­hen mit seinen sieben Fällen nicht ganz irrelevant. Daher wird man in vielen tschechisc­hen Medien wohl auch weiterhin auf Julia Robertsová, Britney Spearsová und Angela Merkelová stoßen.

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Foto: Getty Images Gelobt und gehasst: Die weibliche Endung -ová darf in Tschechien künftig weg.

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