Immer mehr Anfragen an Kommission für wissenschaftliche Integrität
Im vergangenen Jahr konnten 19 von 26 verhandelten Fällen abgeschlossen werden
Wien – Die Plagiatsvorwürfe gegen Annalena Baerbock, Kanzlerkandidatin der Grünen bei der deutschen Bundestagswahl, ist nur der jüngste prominente Fall. Immer öfter kommen solche Vergehen ans Tageslicht. Das bestätigen auch die steigenden Anfragen an die Kommission für wissenschaftliche Integrität, die 2009 in der Österreichischen Agentur für wissenschaftliche Integrität (OeAWI) eingerichtet wurde.
Im Vorjahr wurde mit 61 Anfragen ein Höchstwert erreicht, heißt es ibn dem Jahresbericht. Das Gremium sieht darin eine „begrüßenswerte“Entwicklung, weil seine
Arbeit mit wachsendem Interesse verfolgt und wahrgenommen werde und „offensichtlich die Sensibilisierung für Fragen der wissenschaftlichen Integrität zunimmt“.
Die aus internationalen Experten bestehende Kommission untersucht Vorwürfe wissenschaftlichen Fehlverhaltens in Österreich, bewertet die Schwere des Verstoßes und unterbreitet Vorschläge für weitere Maßnahmen. Insgesamt konnten 2020 26 Fälle von der Kommission verhandelt und 19 davon abgeschlossen werden. Im Bericht werden diese anonym beschrieben.
Das Gremium musste sich beispielsweise mit „massiven Anschuldigungen“
hinsichtlich Autorschaftskonflikten, Plagiaten sowie Forschungsund Karrierebehinderung auseinandersetzen, nachdem sich eine Forschungsförderungseinrichtung und vier Jungwissenschafter an die OeAWI gewandt hatten.
Die Kommission stellte bei dem hauptbeschuldigten Professor „maßgebliche Verletzungen der wissenschaftlichen Integrität fest“, die gemäß den Richtlinien zur Guten Wissenschaftlichen Praxis unter anderem einen verantwortungsbewussten und fairen Umgang mit Nachwuchswissenschaftern erfordert. Diese Kriterien seien wiederholt und systematisch verletzt worden. „Besonders schwerwiegend“sei, dass sich die Hinweisgeber bereits über Jahre an verschiedene Stellen des Instituts gewandt hatten, aber ohne Konsequenzen. Daher liege es nahe, „im betreffenden Fall sehr deutliche Anzeichen zur Duldung gravierender, über Jahre bestehender Verstöße gegen die Regeln Guter Wissenschaftlicher Praxis seitens der Institutsleitung konstatieren zu müssen“. Die Überprüfung von einer internen Untersuchungskommission wurde empfohlen.
Aber es gibt auch weniger schwere Anschuldigungen: So wandte sich eine Wissenschafterin wegen eines mutmaßlichen Plagiatsfalls an die Kommission, bei dem ein Graduate Student eine sehr wertschätzende Rezension ihrer Dissertation in einem Journal verfasst hat, zwei Drittel davon aber die Dissertation im Wortlaut paraphrasiert haben.
Für die Kommission wurde die Grenze zwischen Plagiat und Paraphrase „zwar mehrfach überschritten“, wissenschaftliches Fehlverhalten des Beschuldigten stellte sie aber in diesem Fall nicht fest, „da die ausschließliche Bezugnahme des Rezensenten auf das vermeintlich plagiierte Werk durch das Genre der ‚Rezension‘ bereits deutlich markiert war“. (APA/red)