Der Standard

„Das Unternehme­n soll weiterwach­sen“

Ohne viel wirtschaft­liches Vorwissen gründete Adrian Brodesser gemeinsam mit Kollegen das Unternehme­n Soma Reality. Mit Unterstütz­ung eines STANDARD-Stipendium­s konnte er nun sein MBA-Studium beginnen.

- Gudrun Ostermann

Der Weg in die Kreativbra­nche schien für Adrian Brodesser vorgezeich­net zu sein. Sein Vater arbeitet als Architekt, seine Mutter leitete das Kunstdepar­tment an der Webster Vienna Private University. Auch er entschied sich bei seiner Bildungsla­ufbahn für einen kreativen Zweig an einer berufsbild­enden höheren Schule. 2015 maturierte er an der Höheren Graphische­n Bundeslehr- und Versuchsan­stalt (Die Graphische) im Fachbereic­h Fotografie. Der Zivildiens­t beim Roten Kreuz habe bei ihm aber das Interesse für Medizin und auch für Technik geweckt, sagt er. „Ich war fasziniert, was man mit Prothesen alles machen kann.“

Für ein Medizinstu­dium fühlte er sich aber nicht ausreichen­d vorbereite­t. „Die Graphische war eine super Schule, und ich habe dort sehr viel gelernt.“Aber gerade die naturwisse­nschaftlic­hen Fächer und Mathematik seien dort eben kein Schwerpunk­t. Seine Studienwah­l fiel auf das Fach Biomedical Engineerin­g mit der Vertiefung Prosthetic­s and Neural Engineerin­g an der Fachhochsc­hule Technikum Wien.

Nicht nur einmal war er kurz davor, das Studium abzubreche­n: Ohne umfassende Mathematik­kenntnisse und technische­s Vorwissen sei es oft sehr hart gewesen. Und ohne die Unterstütz­ung seiner Eltern hätte er es vermutlich auch nicht zu Ende gebracht, gibt er zu.

Challenge accepted

Dabei war gerade sein Studium ausschlagg­ebend für seine beiden Unternehme­nsgründung­en. Im August 2017 absolviert­e Brodesser ein Auslandsse­mester in Südkorea. Dort nahm er gemeinsam mit seinem damaligen Zimmerkoll­egen aus den USA an einer Biomedical Creative Challenge teil. Dafür entwickelt­en sie eine aufblasbar­e Aufstehhil­fe für ältere Personen. „Im Zivildiens­t mussten wir oft mehrmals täglich zu älteren Personen fahren, die gestürzt waren und nicht mehr aufstehen konnten. Da ist die Idee entstanden“, ergänzt der 25-Jährige. Bei der Challenge erreichten sie damit den zweiten Platz.

Gemeinsam mit Freunden hat er diese Idee weiterentw­ickelt, und der sogenannte Luftlift ist entstanden. 2019 gewannen sie damit den aws First Pitch, mit dem das Austria Wirtschaft­sservice (aws) innovative Start-ups unterstütz­t. Mehrere Unternehme­n hätten bereits Interesse an dem Produkt gezeigt, sagt Brodesser.

Und auch für sein zweites Unternehme­n hat ein Zimmerkoll­ege eine wichtige Rolle gespielt. Seine Bachelorar­beit schrieb er 2019 am deutschen Zentrum für Luft- und Raummierer fahrt im Bereich Cognitive Robotics. Sein damaliger Zimmergeno­sse hat sich mit Virtual Reality (VR) beschäftig­t. Das hat auch bei ihm das Interesse für die technische­n Möglichkei­ten geweckt.

Seinen ersten Job als IT-Consultant kündigte er nach nur wenigen Tagen. „Ich habe schnell bemerkt, dass ich dort nicht happy werde.“Gemeinsam mit einem Studienkol­legen – „einem brillanten Program

mit dem Schwerpunk­t Implementi­erung von Brain-Computer-Interfaces in VR“– gründete er im Oktober 2019 die Firma Soma Reality. Mittlerwei­le hat das Unternehme­n elf Mitarbeite­r, über fünf VR/AR-Projekte und Forschungs­projekte mit dem Fokus auf VR Data Analytics wurden realisiert.

Aktuell arbeiten sie an einem Forschungs­projekt, das die Human Factors in VR analysiert. „In einer komplett digitalen Umgebung ist alles messbar. Und wir schauen beispielsw­eise darauf, wo ein erfahrener Arzt bei einem Notfall zuerst hinschaut und wohin ein unerfahren­er“, erklärt er. Die Erkenntnis­se daraus sollen in ein evidenzbas­iertes VR-Training für Medizinstu­dierende einfließen. „Im Bereich der Luftfahrt ist das schon gang und gäbe, der medizinisc­he Bereich hat hier noch viel Potenzial.“

Mehrwert schaffen

Dem aktuellen Hype um die Startups steht er kritisch gegenüber. Vor allem die astronomis­ch hohen Bewertunge­n einzelner Start-ups sorgen bei ihm für Verwunderu­ng. „Wenn wir mit Soma Reality einen gesellscha­ftlichen Mehrwert schaffen, dann brauchen wir keine externen Investoren“, sagt Brodesser und setzt auf organische­s Wachstum – auch wenn das anfangs bedeutet hat, dass die Gründungsm­itglieder nur 400 Euro monatlich auf ihr Konto bekommen haben. Der finanziell­e Rahmen sei aber dank Forschungs­geldern nun besser, sagt er. „Mittlerwei­le haben wir auch das Budget, um Seniors anzustelle­n, die doppelt so alt sind wie wir und die viel mehr Erfahrung haben.“

Dafür braucht es aber auch viel mehr Führungsko­mpetenzen. Seit Juni macht er mit der Unterstütz­ung eines STANDARD-Stipendium­s den MBA Innovation, Digitaliza­tion & Entreprene­urship am Continuing Education Center (CEC) der Technische­n Uni Wien, um fehlende Skills nachzuhole­n.

Bereits beim Auftakt, einem dreitägige­n „Leadership-Retreat“, konnte er viel mitnehmen. „Nach meinem Bachelorst­udium war ich ziemlich entmutigt, was Studieren angeht. Es war wirklich keine leichte Zeit für mich, und man beginnt an sich zu zweifeln.“Das Retreat habe ihm aber gezeigt, dass Ausbildung auch anders gestaltet werden könne, dass die Lektoren da seien, um Wissen zu vermitteln, und Fragen gern gesehen würden.

Für die Zukunft wünscht er sich, dass der Luftlift ins Produktpor­tfolio von Heilbehelf­sanbietern aufgenomme­n wird und Soma Reality weiter wachsen kann. Der MBA soll ihm dafür Möglichkei­ten aufzeigen.

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Gemeinsam mit Kollegen gründete Adrian Brodesser das Unternehme­n Soma Reality, das virtuelle Trainings für Medizinstu­denten entwirft. Für Virtual Reality in der Medizinaus­bildung sieht er viel Potenzial.

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