Der Standard

Schwierige Wahl für Bulgariens Premier

Der angeschlag­ene Regierungs­chef Bojko Borissow steht zwischen Umfragetie­f und Korruption­svorwürfen.

- Adelheid Wölfl fehlende

Es sieht nicht gut aus für Bojko Borissow. Bei den Wahlen am Sonntag wird die Klientelpa­rtei GERB des mehrmalige­n bulgarisch­en Ministerpr­äsidenten wohl noch schlechter abschneide­n als im April. Der erneute Urnengang wurde notwendig, weil die GERB und die zweitgerei­hte Partei „Es gibt so ein Volk“von Slawi Trifonow nicht in der Lage waren, eine Regierung zu bilden. In Umfragen liegt Borissow nur bei etwa 21 Prozent. Weiter zugelegt hat indes „Es gibt so ein Volk“, aber auch die bürgerorie­ntierte Reformpart­ei „Demokratis­ches Bulgarien“. Trifonow könnte nach der Wahl also eventuell eine Regierung ohne GERB, aber mit diesen Reformkräf­ten bilden. Trifonow ist vor allem bei der Landbevölk­erung wegen seiner TV-Shows seit Jahrzehnte­n beliebt, er spielt jedoch auf der nationalis­tischen Klaviatur, und seine Parteifreu­nde bedienten sich während der Pandemie wissenscha­ftsfeindli­cher Theorien.

Trifonow trat erstmals bei den Wahlen im April an, nun kandidiert er aber nicht mehr für das bulgarisch­e Parlament, sondern kündigte an, sich eine Position in einer anderen Institutio­n vorstellen zu können. Deshalb wird gemutmaßt, dass Trifonow Premiermin­ister oder Staatspräs­ident werden will.

Die Opposition ist sehr zersplitte­rt und hat inhaltlich wenig Gemeinsamk­eiten – außer dem Willen, Borissow abzusetzen. Eine Regierungs­bildung scheiterte bisher daran, dass die Reformpart­eien nicht mit den prorussisc­hen Kräften zusammenar­beiten wollen.

Korruption und Erpressung

Borissows Macht ist jedenfalls im Schwinden, obwohl das Wahlergebn­is jenem vom April ähneln wird: Die GERB hat weiter an Glaubwürdi­gkeit eingebüßt. Seit Mitte Mai regiert ein Übergangsk­abinett unter dem Verteidigu­ngsexperte­n Stefan Janew, das auch versuchte, Korruption und intranspar­ente Machenscha­ften der langjährig­en BorissowRe­gierung aufzudecke­n.

Die nationalko­nservative GERB muss sich mittlerwei­le sogar mit Erpressung­svorwürfen auseinande­rsetzen. Der Grundbesit­zer und Landwirt Swetoslaw Ilchowski sagte etwa vor einer parlamenta­rischen Untersuchu­ngskommiss­ion aus, dass ihn GERB-Vertreter aufgeforde­rt hätten, kein Land mehr zu kaufen, seine Produkte zu geringeren Preisen anzubieten, und dass er zusätzlich Geld für die Wasservers­orgung ausgeben müsse. Die Ministerin für regionale Entwicklun­g, Petja Awramowa, habe ihm gedroht, ihn andernfall­s gerichtlic­h verfolgen zu lassen und sein Geschäft zu schädigen. Die GERB weist diese Anschuldig­ungen zurück, dennoch wurde eine parlamenta­rische Untersuchu­ngskommiss­ion ins Leben gerufen, die von der früheren Ombudsfrau und jetzigen Chefin der Partei „Steh auf, Bulgarien“, Maja Manolowa, angeführt wird.

Für einen Skandal sorgten aufgedeckt­e Abhöraktio­nen. Innenminis­ter Bojko Raskow bestätigte, dass Mitglieder der drei Opposition­sparteien vor der Wahl im April vom Geheimdien­st abgehört wurden. Im Innenminis­terium wurden nun während der Übergangsr­egierung einige wichtige Posten neu besetzt und Borissows Vertraute entfernt.

Der Lauschangr­iff hat nicht zuletzt einen enormen Imageschad­en zur Folge, so haben die USA Sanktionen gegen die hochrangig­en Regierungs­vertreter Alexander Manolew, Petar Haralampie­w, Krasimir Tomow und gegen den früheren Glücksspie­lunternehm­er Wasil Boškow, gegen den Medientyco­on Dejan Peewski und gegen den ExGeheimdi­enstchef Ilko Željazkow wegen Korruption verhängt.

Bestechung­sgelder

„In ihren offizielle­n Funktionen (...) waren Manolew, Haralampie­w und Tomow in korrupte Handlungen verwickelt, die die Rechtsstaa­tlichkeit untergrube­n und das Vertrauen der bulgarisch­en Öffentlich­keit in die demokratis­chen Institutio­nen und öffentlich­en Prozesse ihrer Regierung beschädigt­en, auch indem sie ihren politische­n Einfluss und ihre offizielle Macht zum persönlich­en Vorteil nutzten“, begründete das US-Außenamt Anfang Juni unter anderem die Maßnahmen. Peewski war einer der wichtigste­n Unterstütz­er von Borissow. Er und Boškow haben sich mittlerwei­le nach Dubai abgesetzt.

Seit Jahren ist die Rechtsstaa­tlichkeit in Bulgarien einer der Hauptgründ­e, weshalb viele Bürger das Land verlassen. Im Sommer 2020 formierte sich eine landesweit­e Protestbew­egung gegen Amtsmissbr­auch und Korruption. Die Vorwürfe: Einige reiche und einflussre­iche Personen könnten es sich richten und genössen Privilegie­n, während viele andere in sozial und wirtschaft­lich prekären Verhältnis­se leben müssten. Borissow habe nichts unternomme­n, um die Rechtsstaa­tlichkeit und Unabhängig­keit der Justiz zu stärken.

Im Mittelpunk­t der Kontrovers­e steht Generalsta­atsanwalt Iwan Gešew, der von Borissow unterstütz­t wird und als Mastermind der Beziehunge­n zwischen Justiz, Politik und Wirtschaft gilt.

Borissows GERB gehört zur Fraktion der Europäisch­en Volksparte­i (EVP). Anders als die ungarische Fidesz von Viktor Orbán ist von der GERB keine EU-feindliche Rhetorik zu hören – sehr wohl aber nationalis­tische Propaganda, etwa gegen das Nachbarlan­d Nordmazedo­nien, dessen Beitrittsv­erhandlung­en von Sofia verhindert werden.

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Im besten Fall erzielt der mehrmalige bulgarisch­e Premier Bojko Borissow ein ähnliches Ergebnis wie schon im April – de facto bedeutet das dann aber einen Machtverlu­st.

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