Ein spanisches Meisterwerk
Bei der jüngsten Station der Internetturniere schwächelte Weltmeister Magnus Carlsen und versöhnte seine Fans am Ende doch mit einer Glanzpartie im Blitztempo.
Ob sich das Format auch nach Corona weiterhin halten wird, wissen wir nicht. Jedenfalls hatten Internetturniere mit stark verkürzter Bedenkzeit (15 Minuten), mit einer Qualifikationsund einer Entscheidungsphase in zweitägigen Minimatches im letzten Jahr Konjunktur. Es etablierte sich ein eigener Stil mit vielen Spannungsmomenten, taktischen Geplänkeln und mit einer Menge haarsträubender Fehler.
Für das jüngste Event der hochdotierten Turnierserie, das Goldmoney Asian Rapid, qualifizierten sich wieder die üblichen Verdächtigen, mit von der Partie natürlich auch Weltmeister Magnus Carlsen. Carlsen wirkte irgendwie überspielt, der Weltmeister lachte manchmal während der Partie hämisch über eigene Fehler. Er schlug zwar im Viertelfinale den Mitfavoriten auf den Gesamtsieg der Serie, den amerikanischen Stahlbetonspezialisten Wesley So, doch er verlor schließlich recht sang- und klanglos im Semifinale gegen den späteren Sieger Levon Aronian. Im Match um den dritten Platz traf Carlsen auf den Chinesen Ding Liren, den viele nach wie vor für einen der gefährlichsten Herausforderer Carlsens halten. Wieder war die Leistung Carlsens schwankend. Am ersten Tag gewann er, dann ging er am zweiten Tag bei den Rapidpartien mit drei Niederlagen en suite fast kampflos unter. Im Tiebreak allerdings war Carlsen wieder raubtierhaft wach. Bei der ersten Blitzpartie packte er sein allerbestes Schach aus und schuf in wenigen Minuten ein Meisterwerk.
Sehen Sie selbst, wie er aus einer eher gleichstehenden spanischen Partie etwas ganz Besonderes zaubert. Zunächst ein präventives Manöver mit Lc2–d3–f1 im 21. und 22. Zug, danach kommt der bedrohlich wirkende schwarze Angriff zum Stillstand. Dann nach nur zehn Sekunden (!) Nachdenken das wunderbare 26. bxc5. Carlsen macht sich einen isolierten Doppelbauern, aber erobert das Feld d6. Der Rest ist Mozart.
Carlsen – Ding 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0–0 Le7 6.d3
6… b5 7.Lb3 d6 8.c3 0–0 9.a4 Weiß hat hier eine große Auswahl an guten Zügen, wie 9.Sbd2, 9.h3 oder 9.Tfe1, der Textzug kristallisiert sich immer mehr als Standardfortsetzung heraus. 9… Ld7 Oder 9… Lb7 nebst Sa5 und c7-c5. 10.Lc2 Von Peter Svidler erfunden. 10... Te8 Hier und in der Folge konnte Schwarz zum aktiven b5-b4 greifen. 11.Te1 h6 12.Sbd2 Lf8 13.h3 Tb8 Verabsäumt letzte Chance zu 13... b4. 14.b4! Schließt den Damenflügel und schränkt das schwarze Gegenspiel ein. 14… Se7 15.axb5 axb5 16.d4 jetzt beginnt sich Weiß um das Zentrum zu kümmern. 16... Sg6 17.Sb3 Ta8 Sonst folgt 18.Sa5. 18.Ld2 Jetzt würde 18.Sa5 mit 18… c5 beantwortet werden. 18… Txa1 19.Dxa1 Dc8 20.Kh2 Vorsicht im richtigen Moment. Schwarz drohte den Einschlag auf h3. 20… Sh5 Ein bedrohlicher Angriff scheint am Königsflügel aufzuziehen. 21.Ld3 Shf4 22.Lf1 Damit hat Carlsen seinen König mit minimalen Mitteln für immer gesichert. 22… c6 23.dxe5 dxe5 24.Le3 Le6 25.Sc5 Lxc5 26.bxc5! Statt des automatischen Zurückschlagens mit dem Läufer lässt sich Weiß auf ein Spiel mit isolierten Doppelbauern ein.. 26… f6 Schwarz sollte aktiver 26… Db7 27.Db2 Td8 spielen. Vor 27.Lxf4 Sxf4 28.Sxe5?! Dc7! brauchte er keine Angst zu haben. 27.Td1 Jetzt kommt der Turm auf das schöne Feld d6.
27… Kh7 28.Td6 Langsam hat sich Weiß eine hervorragende Stellung erarbeitet. 28... f5?! Aktivität zur unrechten Zeit. Mit 28... Ld7 29.c4 b4 konnte die Stellung noch verteidigt werden. 29.Lxf4! Sichert dem Springer das wichtige Feld d4.
29… exf4 Erzwungen, denn nach 29... Sxf4 30.Sxe5 Lg8 31.c4 (nicht 31.Txc6?! Db7 32.c4 Lxc4) 31... fxe4 32.Txc6 steht es schlecht um Schwarz. 30.Sd4 Se5 31.Db1! Plötzlich gerät der schwarze König ins Schussfeld. Viel schwächer wäre 31.Txe6?! Txe6 32.exf5 Tf6 oder auch 31.Sxe6 Txe6 32.exf5 Txd6 33.cxd6 Dd7. 31... g6 Auf 31... f3, was Ding geplant hatte, folgt 32.exf5 Ld5 33.f6+ g6 34.g3. 32.Dc1 Hält die Spannung aufrecht. Wieder bringt 32.Txe6?! Txe6 33.exf5 Tf6 34.fxg6+ Kh8 nicht viel. 32... Ld7 Denn 32... fxe4 33.Dxf4 Ld7 34.Df6 ist verloren. 33.exf5 g5 In der Hoffnung, durch die Bauernkette die Stellung noch zu stabilisieren, doch jetzt wird der König schutzlos. Auch nach 33... gxf5 34.Dxf4 Sf7 35.Tf6 gibt es keine Rettung. 34.Dc2! Der dritte kleine Schritt der Dame bringt die Entscheidung. 34… Tg8 Der Schwindelversuch 34... f3 scheitert an 35.f6+ Kh8 36.f7 Sxf7 37.Dg6. 35.De4 De8 Auch auf 35... Te8 folgt 36.Se6. 36.Se6 Sf7 37.f6+ Kh8 Falls 37... Tg6, so 38.Txd7! g4 (38… Dxd7 39.Sf8+) 39.Sg5+ hxg5 40.Dxe8. 38.Ld3 Jetzt kann Schwarz das Matt nicht einmal durch Herausgabe des Turms verhindern: 38.Ld3 Tg6 39.Dxg6 Dg8 40.Txd7 Dxg6 41.Lxg6 usw. 1–0