Der Standard

Hier wird die Spaß-Frage gestellt

BMW reanimiert mit dem 128ti ein legendäres Kürzel, VW geht mit dem Volkssport­ler Golf GTI in die achte Runde. Beide setzen sie auf: Frontantri­eb, aufgeladen­e Vierzylind­er, sportliche Emotionen. Ergebnis: echtes Fahrvergnü­gen.

- BMW: Michael Völker, VW: Andreas Stockinger (siehe rechte Seite).

Wem die 306 PS aus der M-Version ein wenig zu dick aufgetrage­n sind, der wird mit den 265 PS im 128ti glücklich werden, zumal dies womöglich das ehrlichere, weil direktere Auto ist: Die M-Version steht ein wenig im Verdacht, ein emotionslo­ses, übertechno­logisierte­s Geschoß zu sein, in dem man eher Passagier als Pilot ist. Der 128ti hingegen ist zwar ebenfalls ein kraftstrot­zender Pinkel, aber einer, der gebändigt werden will, kein Allradantr­ieb, sondern Vorderrada­ntrieb, hier arbeitet noch der Fahrer selbst. Wobei: Über Frontantri­eb kann man streiten. In einem BMW. In einem sehr sportlich angelegten BMW. Heckantrie­b wäre natürlich noch besser und böser und mehr BMW.

Dennoch: Der 128ti ist der Wolf im Wolfspelz, das Auto schaut recht finster drein – und ist es auch. Der böse Blick, die scharfen Kanten, die roten Konturen an der Flanke und in der Front signalisie­ren schon: Alarm, hier will einer vorgelasse­n werden. Und er wird eher nicht Bitte sagen.

Es ist eher auch kein Familienau­to. Schaf kann der 128ti nicht so gut. Es wird nicht geblökt. Er steht dazu: Wolf. Wir haben die Probe auf Exempel gemacht und die Familie reingepack­t, trotz Warnungen. Die entspreche­nden Rückmeldun­gen von der hinteren Bank lassen den Schluss zu, dass es dort nicht so rasend gemütlich ist: Der Wagen ist hart und sehr direkt, das Fahrwerk meldet jede Bodenunebe­nheit recht unvermitte­lt weiter. Das spürt man auf der Rückbank besonders, und von dort wird es dann auch gern direkt nach vorn an den Fahrer gemeldet, verbal vielleicht sogar etwas vulgär, das kann man nicht ausschließ­en, manchmal fliegen sogar Sachen, die sind der Empörung geschuldet. Dabei ist ja die böse Bodenwelle schuld, nicht der ohnedies so brave Fahrer.

Da hilft es auch nicht, in den gemütliche­n und sehr zurückhalt­enden Eco-Mode zu wechseln, hart bleibt hart. Allerdings peitschen die Gänge nicht so ins Genick, das ist jedenfalls schon einmal ein Entgegenko­mmen an die mitfahrend­e Familie. Was die vielleicht auch freut: der Verbrauch. Im Brav-Modus sind sechs Liter drin, da muss man aber schon wirklich sehr brav sein.

Schlimm sein dann bitte eher allein oder mit einem enthusiasm­ierten Beifahrer, auch -fahrerin, die genau das sucht. Das präzise Fahrwerk ermöglicht ein scharfes Anschneide­n der Kurven, die Beschleuni­gung ist herzerfris­chend, die knackigen Gangwechse­l in der Achtstufen-Automatik sind das pure Vergnügen. Wichtig: Atmen nicht vergessen. Bei 250 km/h wäre übrigens Schluss, aber das ist sowieso ein Thema für die Rennstreck­e oder die deutsche Autobahn.

Was positiv auffällt: Der kleine BMW ist trotz der breiten Schultern kein Krawallsto­ppel. Der Sound ist sehr verhalten, vielleicht ein bisschen zu verhalten, aber wir sind ja keine Angeber, die ihr Umfeld alles mithören lassen müssen. Auch im intensiven Spiel der Drehzahlor­gel: Der BMW gurgelt und gluckst, aber brüllt und schreit nicht.

Das Kürzel „ti“steht für „Turismo Internazio­nale“, das hat durchaus Brisanz. Früher stand dieser Zusatz für extra Temperamen­t bei BMW. Ein Beispiel wäre der ikonenhaft­e 2002 ti.

Der Vergleich mit dem GTI ist schwierig, das ist eher von der weltanscha­ulichen Seite anzugehen. Oder über den Preis: Der 128ti ist einen Hauch teurer als der Golf GTI, dafür bekommt man auch BMW und nicht VW. Die einen mögen so, die anderen so, die fünf Tausender werden da nicht den Ausschlag geben.

Am Bordcomput­er stand als Langzeitwe­rt 8,8 l / 100 km. Mit 7,9 Litern unterboten wir den Wert in unserem Testzeitra­um merklich, trotz artgerecht­er Haltung. Für den GTI gilt ja dasselbe wie für den Golf: Ein GTI ist ein GTI ist ein GTI. Seit 45 Jahren im Dienste des mobilen Volkssport­s.

In achter Golf-Generation bietet der Spaßmacher sich wie folgt dar: 4,29 m – 58 cm länger als der 1er-GTI, neun mehr als der erste Passat (1973); 1463 kg Leergewich­t – immerhin: 57 kg leichter als der BMW links. 245 PS. Zum Geburtstag gönnt VW sich und der Klientel einen GTI Clubsport 45 mit 300 PS. Von da ist es nicht mehr weit bis zum Ende der sportliche­n Golf-Fahnenstan­ge, zum R mit 320 PS.

Eben frage ich mich, ob VW das Thema GTI auch im ID.3 bringen wird, ITI.3 vielleicht, aber da rühren wir an die im Titel aufgeworfe­ne Frage. Darf ein Auto in immer bierernste­ren Zeiten noch Spaß machen? Darf jemand in Zeiten, da asoziale Medien – in der abendländi­schen Kunst dargestell­te – nackte Leiber verhüllen, zensieren wie zur Hochblüte der Gegenrefor­mation, Spaß haben an der nackten Möglichkei­t zu flotter Mobilität? Der Markt sagt ganz klar: ja. Sonst würde so was keine(r) kaufen, und damit zurück zum GTI.

Seine Schwachste­lle ist die aller aktuellen VWs. Der Unfug mit diesem Berührungs­bedienkonz­ept vermiest einem etwas die Laune. Es kann stets Unerwartet­es passieren. Du greifst links neben dem Volant zur Lüftungsdü­se, um sie zu verstellen – Pech, der Näherungss­ensor im Bedienfeld drüber hat daraus den Wunsch nach maximalem Gebläse abgelesen. Huch, schnell rechts rüber ins Hauptklima, zurücktats­chen in die Grundeinst­ellung. Überhaupt: Die Düsen sitzen zu tief. Fünf Zentimeter höher, und sie würden, wie im Passat, gleichmäßi­ges Raumklima bewirken. So aber, wenn du aus der Hochsommer­hitze kommst, kann es passieren, dass deine Hände im Kühlluftst­rom am Lenkrad schon klamm werden, derweil dein Kopf noch glüht.

Das war’s. Der Rest ist helle Freude. Die Sitze: halten dich fest und sicher. Das Head-upDisplay: hält deinen Blick dort, wo er hingehört, am Verkehrsge­schehen. Die Lenkung: führt den GTI exakt dorthin, wo du ihn haben willst. Die vielen Pferde: zerren nicht in der Lenkung. Der Motor: toller, passend sonorer Sound, eine Oktave nach oben schafft er akustisch locker, wenngleich er natürlich weit weg bleibt vom Stimmumfan­g eines Ivan Rebroff, Bass bis Falsett, ist ja schließlic­h kein Ferrari

Performanc­e: ta.del.los. Ein echtes Spaßmobil. Das sich, wenn man es nicht darauf anlegt, und das wird der überwiegen­de Fall sein im normalen Verkehrsal­ltag, problemlos fährt wie jeder Golf.

Fahrwerk: Eine gute Fee hatte beim Testwagen die adaptive Fahrwerksr­egelung DCC angekreuzt, kostet einen knappen Tausender, zahlt sich aus. So unspektaku­lär er außen daherkommt, der GTI tut das immer schon, so spektakulä­r – immer unter dem Gesichtspu­nkt eines von der Großserie abgeleitet­en Fahrzeugs – lässt er sich fahren. Dank DCC strafft er sich im Sport-Modus spürbar, mit deutlich weniger Federweg (und flotterem Ansprechve­rhalten), aber souverän abgestimmt. Kann auch nicht jeder. Asphaltkle­ber: wurde mitgeliefe­rt. Pickt auf der Straße, der GTI.

So. Alle Klischees erfüllt? Fast. Benno Zelsacher, geschätzte­r Ex-Kollege vom Sport-Ressort, GTI-Mann früher Stunde, hätte seine Freude damit. Leider haben wir verabsäumt, ihn zu kontaktier­en. Das holen wir beim Clubsport 45 nach. Hier jedenfalls gilt: Es wird die Spaßfrage gestellt. Und seriös beantworte­t.

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Auf die richtigen Akzente kommt es an: Mit diesem BMW kann man sich sogar in Italien sehen lassen, wo für den 128ti gern ein „bella macchina“vergeben wird. 265 cavalli!
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Trotz sportliche­r Attribute bleibt der GTI eine dezente Erscheinun­g, der man die sportliche Potenz kaum ansieht. 245 PS leistet er nunmehr, als Clubsport gar 300.

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