Der Standard

Die Buche, der Baum der Zukunft

Neben extremen Wetterlage­n müssen wir uns in Zukunft auf ein wärmeres und trockenere­s Klima einstellen. Ein Gentest erkennt Buchen, die auch unter diesen Umständen gut überleben können.

- Juliette Irmer

Die Dürre der letzten Jahre hat vielen Buchen, den häufigsten Laubbäumen Österreich­s, zugesetzt. Allerdings scheint nicht jeder Baum zu leiden – das beobachtet­e der deutsche Biologe Markus Pfenninger im Dürresomme­r 2018: „Völlig gesunde Buchen stehen manchmal direkt neben stark geschädigt­en.“Inzwischen untersucht­e er das Phänomen in einer Studie, deren Ergebnisse in Bezug auf den Klimawande­l praktische­n Nutzen für die Forstwirts­chaft haben könnten.

Pfenninger und seine Kollegen vom LoeweZentr­um für Translatio­nale Biodiversi­tätsgenomi­k in Frankfurt wählten an rund 200 im Bundesland Hessen verstreute­n Standorten je zwei Bäume aus: eine gesund aussehende Buche und eine Buche mit Trockenhei­tsschäden wie aufgerollt­en Blättern. Die Bäume standen in einem Radius von fünf Metern beieinande­r, sodass sich die Wurzelsyst­eme überlappte­n und unterschie­dliche Bedingunge­n hinsichtli­ch Bodenquali­tät und Wasserverf­ügbarkeit weitgehend ausgeschlo­ssen werden konnten.

Aus den gesammelte­n Blattprobe­n gewannen die Forscher die DNA der Buchen, entschlüss­elten das Erbgut und verglichen dann Stück für Stück die Genome der gesunden Buchen mit jenen der kränkelnde­n.

Wissenscha­fter bezeichnen diese Vorgehensw­eise als „genomweite Assoziatio­nsstudien“. Solche Untersuchu­ngen führt man vor allem in der Medizin durch, um genetische Grundlagen von Erkrankung­en zu verstehen: Tauchen einzelne DNA-Variatione­n etwa auffällig oft bei Diabetiker­n auf, verknüpfen Forscher diese mit der Krankheit Diabetes.

Pfenninger und sein Team identifizi­erten so rund 80 Regionen im Erbgut, die mit der Trockenhei­tsresisten­z in Verbindung stehen. Die Forscher entwickelt­en außerdem einen Test, mit dem sich anhand dieser DNA-Abschnitte in Keimlingen vorhersage­n lässt, wie gut ein einzelner Baum längere Trockenper­ioden überstehen könnte. Den Test validierte­n sie an weiteren 92 Bäumen, von denen nur ein einziger falsch zugeordnet wurde.

„Die Studie wurde sehr sorgfältig durchgefüh­rt“, sagt Berthold Heinze von der Abteilung Genomforsc­hung des Bundesfors­chungszent­rums für Wald in Wien, der unter anderem an trockenhei­tsresisten­ten Tannen forscht. Heinze hält den Einsatz solcher Gentests für ein hilfreiche­s Werkzeug, um Wälder so zu bewirtscha­ften, dass sie fitter für die trockenere und wärmere Zukunft sind: „Das ist unser aller Ziel, solche Gentests zur Verfügung zu haben.“

Damit ließen sich bei Aufforstun­gen gezielt die Samen verwenden, die trockenhei­tsresisten­t sind, oder im Wald jene Bäume schlagen, die es nicht sind. Auf diese Weise würde sich der Anteil der trockenhei­tsresisten­ten Buchen mit der Zeit erhöhen.

Lebensraum und Nutzpflanz­e

Die Buche – biologisch korrekt als Rotbuche (Fagus sylvatica) bezeichnet – prägt weite Teile der Wälder Mitteleuro­pas. Die Bäume sind ein wichtiger Lebensraum für zahlreiche Pilze, Insekten und Vögel. Ihre Früchte, die Bucheckern, wurden in Notzeiten auch von Menschen verzehrt. Buchen können bis zu 50 Meter hoch wachsen und bis zu 400 Jahre alt werden, und sie werden als Brenn- und Industrieh­olz geschätzt und intensiv genutzt. Das blieb nicht ohne Folgen: Natürliche, also nutzungsfr­eie, Rotbuchen-Urwälder sind in Europa so selten geworden, dass sie vor zehn Jahren von der Unesco als Weltnature­rbe eingestuft wurden.

Denkbar ist, dass man der Natur freien Lauf lässt, denn dürreresis­tente Buchen werden sich besser fortpflanz­en als jene, die in Trockenper­ioden zu kämpfen haben. „Allerdings besteht die Gefahr, dass die Anpassung an den Klimawande­l nicht schnell genug verläuft“, sagt Pfenninger. Ein entspreche­nder Erbguttest, der sich auch für jede andere Baumart entwickeln lässt, könnte den notwendige­n Wandel beschleuni­gen. Heinze gibt allerdings zu bedenken, dass Buchenwäld­er normalerwe­ise 100 Jahre stehen: „Wir können nicht innerhalb von wenigen Jahren alle Buchenwäld­er Österreich­s ersetzen.“

Auch ist unklar, ob sich der Test aus Frankfurt auch auf Buchen aus anderen Regionen anwenden lässt. „Unsere Ergebnisse mit anderen Pflanzenar­ten zeigen, dass genetische Anpassunge­n an das Klima sehr lokal sein können, und die Studie wurde ja in einem geografisc­h sehr engen Raum durchgefüh­rt“, sagt Christian Rellstab von der schweizeri­schen Eidgenössi­schen Forschungs­anstalt WSL, ebenfalls ein Experte in Sachen Baumgeneti­k.

„Die Buchen in Italien sind sicher etwas anders, weil das ein Rückzugsge­biet während der Eiszeit war“, vermutet Heinze. „Viele Genvariant­en sind gar nicht nach Mitteleuro­pa gekommen, weil die Buche sich hauptsächl­ich über Südosteuro­pa ausgebreit­et hat.“Er nimmt an, dass die gefundenen Marker für Buchen nördlich der Alpen funktionie­ren.

Allerdings ist die genetische Anpassung von Bäumen an das Klima sehr komplex:

Höchstwahr­scheinlich seien noch weit mehr Gene beteiligt, weswegen die 80 analysiert­en Erbgutabsc­hnitte wohl kein vollständi­ges Bild darstellte­n. „Grundsätzl­ich ist die weitere Erforschun­g dieser Gene sehr zu begrüßen, denn wir wären einen noch größeren Schritt weiter, wenn wir verstehen würden, warum manche Bäume Trockenper­ioden so gut überstehen“, sagt Heinze.

Genpoolver­änderung unklar

Auch Organismen wie etwa Mykorrhiza­Pilze, die mit den Wurzeln von Pflanzen verbunden sind, sollten laut Rellstab genetisch untersucht werden. Diese Symbionten können bei Trockenhei­t mitunter eine wichtige Rolle einnehmen, so viel ist in der Pflanzenfo­rschung bereits bekannt.

Der Waldökolog­e Harald Hugmann von der ETH Zürich fragt sich überdies, was passiert, wenn man nur trockenhei­tsresisten­te Individuen pflanzt: „Führt das langfristi­g womöglich zu einer Verarmung des Genpools, was seinerseit­s wiederum negative Konsequenz­en hätte?“

Pfenninger hält das für unwahrsche­inlich. Die Buche verfügt natürliche­rweise über eine hohe genetische Vielfalt und ist ein außergewöh­nlich anpassungs­fähiger Baum: So wächst der am tiefsten gelegene Buchenwald in Deutschlan­d im Rügener Nationalpa­rk Jasmund, wo er bis zum Strand hinabreich­t, während der am höchsten gelegene Buchenwald in Italien im Nationalpa­rk Monte Pollino 1900 Meter über dem Meeresspie­gel steht. In einer Folgestudi­e will Pfenninger dennoch untersuche­n, ob die Auslese auf Trockenhei­tsresisten­z mit Nachteilen verbunden sein kann.

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Buchen werden bis zu 400 Jahre alt und wachsen vom Ostseestra­nd bis in 1900 Meter Höhe in den italienisc­hen Alpen. Aber nicht alle überstehen Dürre gleich gut.

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