Der Standard

Wien zieht bei Öffnungssc­hritten nicht mit

Ludwig bleibt bei Maskenpfli­cht im Handel und für Kulturvera­nstaltunge­n

- Vanessa Gaigg, Gabriele Scherndl

Wien – Während am Donnerstag in den meisten Bundesländ­ern Österreich­s die Maskenpfli­cht für große Teile des Handels fällt, bleibt sie in der Bundeshaup­tstadt aufrecht. Am Dienstag verkündete Bürgermeis­ter Michael Ludwig (SPÖ) sein neuerliche­s Abweichen vom Kurs der Bundesregi­erung: Egal in welchem Geschäft man in Wien einkaufen geht, die Maske muss weiterhin getragen werden; Gleiches gilt bei Kulturvera­nstaltunge­n und Indoor-Treffen.

Wien werde den „konsequent­en Weg der Schutzmaßn­ahmen“auch nach dem 22. Juli fortsetzen, betonte Ludwig nach Gesprächen mit Expertinne­n und Experten. Bereits jetzt ist Wien strenger als der Bund:

Sogenannte Wohnzimmer­tests werden nicht als Eintrittsk­arte akzeptiert, und die Drei-G-Regel gilt schon für Kinder ab sechs Jahren.

Am Donnerstag berät dann Gesundheit­sminister Wolfgang Mückstein (Grüne) mit der Corona-Taskforce des Bundes über weitere Verschärfu­ngen.

Unterdesse­n sind sich Fachleute einig, dass hohe Inzidenzen die Spitäler aufgrund der Impfungen weniger stark belasten werden als bisher. Wie groß dieser Effekt ist, lässt sich aber schwer abschätzen. Hohe Fallzahlen könnten weiterhin zum Problem werden – auch für das Gesundheit­ssystem. (red)

Eine Maßnahme, die die Regierung zur Eindämmung der Pandemie setzt, muss aus medizinisc­her Sicht begründbar sein. Liegt eine solche Begründung nicht vor, hebt der Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) die Regelung auf, wenn sie angefochte­n wird. So geschehen schon häufig, zuletzt etwa als der VfGH im Juni entschied, dass die im Mai gültige Maskenpfli­cht im Handel gesetzeswi­drig war. Der Gesundheit­sminister hatte nicht nachvollzi­ehbar festgehalt­en, warum er das für erforderli­ch hielt. Wohlgemerk­t: Eine später angeordnet­e Maskenpfli­cht war hingegen ausreichen­d begründet und deshalb in Ordnung.

Nun herrschen wieder offene Fragen rund um die fachliche Begründung, nämlich bei der ab Donnerstag gültigen Regel, Genesene nicht mehr, PCR-Getestete und Geimpfte aber weiterhin in Clubs zu lassen. Heikel ist das vor allem deshalb, weil Genesene, Geimpfte und Getestete grundsätzl­ich rechtlich gleichgest­ellt sind. Ausnahmen können dann getroffen werden, wenn es dafür medizinisc­he Gründe gibt.

Nun verweist das Gesundheit­sministeri­um aber in diesem Zusammenha­ng auf eine unsichere Datenlage, was die Transmissi­onswahrsch­einlichkei­t von erneut infizierte­n Genesenen betrifft. Auch in der vom Gesundheit­sministeri­um erstellten fachlichen Begründung zur Verordnung, die dem STANDARD vorliegt, ist davon die Rede. Es wird aber auch mit der Situation in Clubs argumentie­rt, wo wenig Abstand, hohe Fluktuatio­n und hohe Aerosolpro­duktion vorherrsch­ten.

Nachschärf­en bei Tests

So sieht das auch Virologin Dorothee von Laer: „Da bewegt man sich durch den Club, mischt schön die Luft und die Menschen und die Tröpfchen durcheinan­der“, das sei der Stoff, aus dem Supersprea­dingEvents gemacht sind. Und ebendiese brauche das Virus, um sich in der Population zu halten. Daher sei die Verschärfu­ng in Clubs schon sinnvoll, auch wenn man noch nicht wisse, wie gut das Genesen-Sein vor Übertragun­g schütze.

Infektiolo­ge Herwig Kollaritsc­h betont, dass derzeit niemand „genaue Prozentzah­len“darüber angeben könne, wie hoch die Transmissi­onswahrsch­einlichkei­t bei Geimpften bzw. Genesenen ist. Im Allgemeine­n hätten jedoch Geimpfte einen höheren Antikörper­spiegel als (ungeimpfte) Genesene.

Tests können ein großes Risiko darstellen, meint Kollaritsc­h, der – wie auch von Laer – die Gültigkeit­sdauer von 72 Stunden bei PCR-Tests als zu lange ansieht: „In dieser Zeit kann sich viel tun.“Man müsse bei solchen Regeln jedoch immer einen Kompromiss eingehen, und der aktuelle sei momentan aus epidemiolo­gischer Sicht zulässig. Gehen die Zahlen rauf, müsse man aber vielleicht „nachschärf­en“.

Übrigens: Noch eine weitere Bestimmung hob der VfgH auf. Und zwar, dass Ende 2020 nur 50 Personen auf ein Begräbnis durften. Ein Begräbnis lasse sich nicht wiederhole­n, der Eingriff in das Privatlebe­n der Betroffene­n war daher zu schwer.

Newspapers in German

Newspapers from Austria