Wien zieht bei Öffnungsschritten nicht mit
Ludwig bleibt bei Maskenpflicht im Handel und für Kulturveranstaltungen
Wien – Während am Donnerstag in den meisten Bundesländern Österreichs die Maskenpflicht für große Teile des Handels fällt, bleibt sie in der Bundeshauptstadt aufrecht. Am Dienstag verkündete Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) sein neuerliches Abweichen vom Kurs der Bundesregierung: Egal in welchem Geschäft man in Wien einkaufen geht, die Maske muss weiterhin getragen werden; Gleiches gilt bei Kulturveranstaltungen und Indoor-Treffen.
Wien werde den „konsequenten Weg der Schutzmaßnahmen“auch nach dem 22. Juli fortsetzen, betonte Ludwig nach Gesprächen mit Expertinnen und Experten. Bereits jetzt ist Wien strenger als der Bund:
Sogenannte Wohnzimmertests werden nicht als Eintrittskarte akzeptiert, und die Drei-G-Regel gilt schon für Kinder ab sechs Jahren.
Am Donnerstag berät dann Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) mit der Corona-Taskforce des Bundes über weitere Verschärfungen.
Unterdessen sind sich Fachleute einig, dass hohe Inzidenzen die Spitäler aufgrund der Impfungen weniger stark belasten werden als bisher. Wie groß dieser Effekt ist, lässt sich aber schwer abschätzen. Hohe Fallzahlen könnten weiterhin zum Problem werden – auch für das Gesundheitssystem. (red)
Eine Maßnahme, die die Regierung zur Eindämmung der Pandemie setzt, muss aus medizinischer Sicht begründbar sein. Liegt eine solche Begründung nicht vor, hebt der Verfassungsgerichtshof (VfGH) die Regelung auf, wenn sie angefochten wird. So geschehen schon häufig, zuletzt etwa als der VfGH im Juni entschied, dass die im Mai gültige Maskenpflicht im Handel gesetzeswidrig war. Der Gesundheitsminister hatte nicht nachvollziehbar festgehalten, warum er das für erforderlich hielt. Wohlgemerkt: Eine später angeordnete Maskenpflicht war hingegen ausreichend begründet und deshalb in Ordnung.
Nun herrschen wieder offene Fragen rund um die fachliche Begründung, nämlich bei der ab Donnerstag gültigen Regel, Genesene nicht mehr, PCR-Getestete und Geimpfte aber weiterhin in Clubs zu lassen. Heikel ist das vor allem deshalb, weil Genesene, Geimpfte und Getestete grundsätzlich rechtlich gleichgestellt sind. Ausnahmen können dann getroffen werden, wenn es dafür medizinische Gründe gibt.
Nun verweist das Gesundheitsministerium aber in diesem Zusammenhang auf eine unsichere Datenlage, was die Transmissionswahrscheinlichkeit von erneut infizierten Genesenen betrifft. Auch in der vom Gesundheitsministerium erstellten fachlichen Begründung zur Verordnung, die dem STANDARD vorliegt, ist davon die Rede. Es wird aber auch mit der Situation in Clubs argumentiert, wo wenig Abstand, hohe Fluktuation und hohe Aerosolproduktion vorherrschten.
Nachschärfen bei Tests
So sieht das auch Virologin Dorothee von Laer: „Da bewegt man sich durch den Club, mischt schön die Luft und die Menschen und die Tröpfchen durcheinander“, das sei der Stoff, aus dem SuperspreadingEvents gemacht sind. Und ebendiese brauche das Virus, um sich in der Population zu halten. Daher sei die Verschärfung in Clubs schon sinnvoll, auch wenn man noch nicht wisse, wie gut das Genesen-Sein vor Übertragung schütze.
Infektiologe Herwig Kollaritsch betont, dass derzeit niemand „genaue Prozentzahlen“darüber angeben könne, wie hoch die Transmissionswahrscheinlichkeit bei Geimpften bzw. Genesenen ist. Im Allgemeinen hätten jedoch Geimpfte einen höheren Antikörperspiegel als (ungeimpfte) Genesene.
Tests können ein großes Risiko darstellen, meint Kollaritsch, der – wie auch von Laer – die Gültigkeitsdauer von 72 Stunden bei PCR-Tests als zu lange ansieht: „In dieser Zeit kann sich viel tun.“Man müsse bei solchen Regeln jedoch immer einen Kompromiss eingehen, und der aktuelle sei momentan aus epidemiologischer Sicht zulässig. Gehen die Zahlen rauf, müsse man aber vielleicht „nachschärfen“.
Übrigens: Noch eine weitere Bestimmung hob der VfgH auf. Und zwar, dass Ende 2020 nur 50 Personen auf ein Begräbnis durften. Ein Begräbnis lasse sich nicht wiederholen, der Eingriff in das Privatleben der Betroffenen war daher zu schwer.