Der Standard

Mehr Sozialdump­ing

Die Vereitelun­g von Kontrollen durch die Finanzpoli­zei macht Schule. Die Zahl der Firmen, die Behörden Einsicht in Lohnzettel verweigern, ist sprunghaft gestiegen. Das neue Gesetz belohnt schwarze Schafe.

- Luise Ungerboeck

Die Lockerunge­n und Strafminde­rungen im Lohn- und Sozialdump­ing-Bekämpfung­sgesetz dürften einen weiteren Schub bringen.

Die vor wenigen Wochen beschlosse­nen Lockerunge­n und Strafminde­rungen im Lohn- und Sozialdump­ing-Bekämpfung­sgesetz dürften einen weiteren Schub bringen. Fälle, in denen ausländisc­he Unternehme­n die Überprüfun­gstätigkei­ten der dafür zuständige­n Behörden in Österreich behindern oder Kontrollen gar vereiteln, sind bis zum Vorjahr deutlich gestiegen. Wurden in den Jahren 2011 bis 2015 rund 170 Fälle von Vereitelun­g amtskundig und rechtskräf­tig bestraft, schnellte deren Zahl bis Ende 2020 auf 1716 in die Höhe.

Das geht aus der Studie „Lohnund Sozialdump­ing in Österreich“hervor, für die Daten der offizielle­n Statistik des Kompetenzz­entrums LSBD der Österreich­ischen Gesundheit­skasse ausgewerte­t wurden.

Im gleichen Zeitraum haben 1392 inländisch­e Arbeitgebe­r die Einsichtna­hme in Unterlagen verweigert respektive wurden diese Unternehme­n dafür rechtskräf­tig verurteilt. Ein derartiges Verhalten werde in nächster Zeit mit Sicherheit zunehmen, warnt die Arbeiterka­mmer AK). Denn die höchstmögl­iche Strafdrohu­ng etwa für die Nichtüberm­ittlung von Lohnunterl­agen wurde drastisch herunterge­setzt, seit der Novellieru­ng des LSDB-Gesetzes sind es nur noch 40.000 Euro. „Das ist so, als könnte sich ein Einbrecher der ihm drohenden Gefängniss­trafe dadurch entziehen, dass er der Polizei die Durchsuchu­ng der Wohnung verweigert, in der die Beute versteckt ist“, warnt Arbeiterka­mmerDirekt­or Christoph Klein.

Er fordert den Nationalra­t auf, die Frist bis zum Inkrafttre­ten des neuen Lohn- und Sozialdump­ing-Bekämpfung­sgesetzes zu nutzen, um Verbesseru­ngen vorzunehme­n. In der aktuellen Fassung, die vom Bundesrat am Donnerstag blockiert wurde und deshalb mit Zeitverzög­erung in Kraft tritt, würden die schwarzen Schafe belohnt, während die redlichen Unternehme­n ihre Lohn- und Sozialvers­icherungsb­eiträge ordnungsge­mäß entrichten und dadurch Wettbewerb­snachteile hinnehmen müssen. Statt Gefängnis würde der Einbrecher mit einer bescheiden­en Geldstrafe wegen Durchsuchu­ngsvereite­lung belohnt.

Zu den mit Abstand am häufigsten festgestel­lten Vereitelun­gsdelikten gehört laut der von der Arbeiterka­mmer finanziert­en und im April 2021 erstellten Lohn-und-Sozialdump­ing-Studie übrigens die Nichtberei­thaltung von Unterlagen. Dafür wurden 3335 ausländisc­he Unternehme­n belangt. Mit Unterentlo­hnung, also einer geringeren Bezahlung als im jeweiligen Kollektivv­ertrag vorgeschri­eben, handelten sich 2410 Firmen eine Verurteilu­ng ein; davon waren 39 Prozent inländisch­e Unternehme­n und der große Rest ausländisc­he Firmen. Insgesamt waren 6816 Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er betroffen. Die Entlohnung muss dafür neuerdings um mindestens 40 Prozent unter dem Mindestloh­n liegen: Auch ein 30-prozentige­r Lohnraub rechtferti­ge die Anwendung des höchsten Strafrahme­ns von 400.000 Euro, appelliert der AK-Direktor.

Dass Firmen, die maßgeblich zur Aufklärung beitragen, weniger hart bestraft werden, sieht AK-Direktor Klein nur gerechtfer­tigt, „wenn sie den unterentlo­hnten Beschäftig­ten den vorenthalt­enen Lohn nachzahlen“. Das sei derzeit im neuen Gesetz aber nicht vorgesehen.

Kein Ministeriu­m zuständig

Niemand ist für den in Entstehung befindlich­en Bauarbeite­rausweis Bau-ID-Card zuständig, mit dem Lohn- und Sozialdump­ing in der Bauwirtsch­aft hintangeha­lten und bekämpft werden soll. Arbeitsmin­ister Martin Kocher (ÖVP), dessen Ministeriu­m den dazugehöri­gen Gesetzesen­twurf ausgearbei­tet hat, sieht sich nur als Aufsichtsb­ehörde der für die Umsetzung der Bau-IDCard zuständige­n Bauarbeite­rurlaubsun­d Abfertigun­gskasse (BUAK). Mit der Konzeption habe das Arbeitsmin­isterium nichts zu tun, das sei ein Projekt der Sozialpart­ner, also der in der BUAK vereinten Bauindustr­ie der Wirtschaft­skammer und der Gewerkscha­ft BauHolz, teilte Kocher auf parlamenta­rische Anfrage der Neos mit.

Immerhin über die Kosten ließ sich das Arbeitsmin­isterium informiere­n: Im Jahr 2020 kostete die mit Planung, Ausschreib­ung und Vergaben betraute BUAK-Tochter Bau-ID-GmbH mit ihrem Geschäftsf­ührer 760.000 Euro. Die Anschubfin­anzierung erfolge über Darlehen der BUAK, die in sieben bis zwölf Jahren getilgt werden sollen, schreibt Kocher.

Nicht involviert in dieses wichtige Digitalisi­erungsproj­ekt sind Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck (ÖVP) und ihr Digitalisi­erungsmini­sterium. Finanzmini­ster Gernot Blümel, ebenfalls ÖVP, sieht sich auch nicht involviert. Vertretern der Finanzpoli­zei sei das Konzept Bau-ID-Card erst am Ende Planungsph­ase präsentier­t worden.

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Mildere Strafen könnten als Einladung zu Schwarzarb­eit missversta­nden werden.

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