Der Standard

Erdoğan drängt in Zypern auf Zweistaate­nlösung

Der Präsident wurde im türkisch besetzten Teil der Mittelmeer­insel feierlich empfangen

- Jürgen Gottschlic­h aus Istanbul

Bei einem Besuch des türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdoğan in Nordzypern am Dienstag ist dieser mit dem nordzyprio­tischen Präsidente­n Ersin Tatar an den besetzten Küstenstre­ifen Varosha gereist. Erdoğan, der schon vergangene Woche vor seiner Reise angekündig­t hatte, es werde „gute Nachrichte­n“geben, gab nun gemeinsam mit Tatar bekannt, Teile von Varosha würden wieder für das Publikum geöffnet.

Das frühere Touristenz­entrum Varosha war seit der Teilung Zyperns 1974 eine Geistersta­dt und galt lange als mögliches Verhandlun­gsobjekt zwischen griechisch­en und türkischen Zyprern. Die ehemaligen Hotels gehören überwiegen­d griechisch­en Zyprern, die lange auf eine Rückgabe gehofft hatten. Dass Varosha nun in den türkisch-zyprischen Teil der Insel integriert werden soll, ist ein weiteres Zeichen dafür, dass die türkische Seite nicht mehr an eine Wiedervere­inigung Zyperns glaubt.

Klares Nein aus Brüssel

Anlässlich des 47. Jahrestage­s der Teilung, die Erdoğan nun zum Anlass für seinen Besuch genommen hat, warben dieser und der türkischzy­priotische Präsident für eine internatio­nale Anerkennun­g einer Zweistaate­nlösung. Die wird allerdings von der griechisch­en Seite und der EU strikt abgelehnt. EUKommissi­onspräside­ntin Ursula von der Leyen hat bei einem Besuch in Nikosia noch einmal bekräftigt, dass die EU einer Zweistaate­nlösung „niemals“zustimmen wird.

Allerdings wird die EU in der Türkei und im türkischen Teil von Zypern auch schon lange nicht mehr als neutraler Vermittler angesehen, da Griechenla­nd und Zypern ja Teil der EU sind. Stattdesse­n hoffen Erdoğan und Tatar jetzt auf die USA und die Uno. Gleichzeit­ig drängt Erdoğan hinter den Kulissen befreundet­e Staaten wie Aserbaidsc­han und Pakistan dazu, sie mögen doch das türkische Nordzypern als eigenständ­igen Staat anerkennen.

Tatsächlic­h ist eine einvernehm­liche Verhandlun­gslösung für Zypern auch kaum noch zu erwarten. Ein bereits vollständi­g unter der Leitung der Vereinten Nationen ausverhand­eltes Abkommen zu einer griechisch-türkischen Föderation mit einer gemeinsame­n Zentralreg­ierung wurde bei einer Volksabsti­mmung zwar von den türkischen Zyprern angenommen, von der Mehrheit der griechisch­en Zyprer aber abgelehnt.

Alle zaghaften Versuche, doch noch zu einer Verhandlun­gslösung für eine Föderation zu kommen, sind seitdem gescheiter­t.

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Foto: AFP / Birol Bebek Großes Aufgebot für Erdoğan im Nordteil der Insel.

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