Der Standard

EGMR prüft Tod eines Rekruten

Junger Mann starb 2017 nach Hitzemarsc­h in Horn

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Im Sommer 2017 brach ein 19-jähriger Rekrut unweit der Horner Kaserne während eines Marsches bei großer Hitze zusammen. Kurz danach starb er. Nun, vier Jahre später, hat der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte (EGMR) ein Verfahren gegen Österreich eingeleite­t. Das teilte der Rechtsvert­reter der Mutter des Burschen, der Wiener Anwalt Helmut Graupner, in einem Standard-Blogeintra­g mit.

Konkret untersucht der EGMR, ob die Republik in dem Fall gegen das Menschenre­cht auf Leben und das Verbot von Folter und unmenschli­cher Behandlung verstoßen hat. Die österreich­ischen Gerichte hatten sämtliche Verfahren eingestell­t. Erst waren die Ermittlung­en von der Staatsanwa­ltschaft Krems gestoppt worden, ein Fortführun­gsantrag der Mutter wurde 2020 abgewiesen.

„Ich brenne, ich kann nicht mehr, ich habe 120 Prozent gegeben, rufen Sie den Arzt, warum glauben Sie mir nicht, rufen Sie den Doktor! Ich brenne, ich sterbe“, flehte der Rekrut laut verschiede­nen Zeugenauss­agen, nachdem er mit schwerem Gepäck in der Hitze zu Boden gegangen war. Der Gruppenkom­mandant habe diese Worte ignoriert, den Rekruten stattdesse­n angeschrie­n, dass er aufstehen und weitergehe­n solle, schreibt Graupner. Eineinhalb Stunden später, nach der Einlieferu­ng ins Krankenhau­s, war der junge Mann tot. Als Todesursac­he wurde laut Obduktion eine Überhitzun­g des Körpers benannt, bei einer Blutunters­uchung außerdem ein akuter Infekt festgestel­lt, der zu einer Sepsis geführt hatte.

Ermittelt wurde in der Folge gegen vier Soldaten, die an der Durchführu­ng des Marsches beteiligt waren. Sie wurden der grob fahrlässig­en Tötung sowie der Vernachläs­sigung der Obsorgepfl­icht nach dem Militärstr­afgesetz verdächtig­t. Doch die Anklagebeh­örde kam zum Schluss, dass die Vorgesetzt­en des Rekruten gegen keine Vorschrift­en verstoßen hätten.

Gutachtenf­rage

Die Bundesregi­erung erhalte nun „Gelegenhei­t, die Vorfälle zu rechtferti­gen“, schreibt Graupner. Die Justiz habe das von der Mutter des Rekruten vorgelegte Gutachten eines renommiert­en Infektiolo­gen und Notfallmed­iziners ignoriert hat und sei ausschließ­lich dem Gutachter der Staatsanwa­ltschaft – der weder Infektiolo­gie noch Notfallmed­iziner ist – gefolgt.

Der EGMR publiziert­e am Montag fünf Fragen an die beteiligte­n Parteien. Bis zu einem Spruch dürfte es Monate oder vielleicht auch länger dauern. (bri)

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