Der Standard

Karlsruhe bejaht Schadeners­atz für längst verkauftes Dieselauto

Bundesgeri­chtshof: Dieselkläg­er darf die vom Hersteller gewährte Belohnung für den Fahrzeugwe­chsel einstreife­n

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– Der Bundesgeri­chtshof (BGH) treibt die Aufarbeitu­ng des Dieselskan­dals voran. Am Dienstag sprach das deutsche Höchstgeri­cht Schadeners­atz zu, obwohl das Schummelfa­hrzeug bereits weiterverk­auft wurde. (Az. VI ZR 533/20 u. a.). Die Vorinstanz­en haben zutreffend angenommen, dass die Beklagte, also Volkswagen, den Kläger durch das Inverkehrb­ringen eines Fahrzeugs mit Abschaltei­nrichtung (Prüfstande­rkennungss­oftware) vorsätzlic­h sittenwidr­ig geschädigt hat. Dem Kfz-Halter steht grundsätzl­ich Anspruch auf Schadeners­atz in der Höhe des Kaufpreise­s zu – diesfalls abzüglich einer Nutzungsen­tschädigun­g und Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignun­g des Fahrzeugs.

Durch den Weiterverk­auf des 2014 erworbenen VW Passat trat der marktgerec­hte Verkaufser­lös an die Stelle des im Wege der Vorteilsau­sgleichung herauszuge­benden und zu übereignen­den Fahrzeugs und war vom Schadenser­satzanspru­ch abzuziehen, teilte der BGH mit.

Für österreich­ische Dieselgesc­hädigte ist der BGH-Spruch insofern von Bedeutung, als sich ihre Chancen – etwa über den Verbrauche­rschutzver­ein VSV –, direkt in Deutschlan­d klagen zu können, bessern. Teilweise wurde bereits Schadeners­atz zugesproch­en – im Gegensatz zur österreich­ischen Sammelklag­e des Vereins für Konsumente­ninformati­on (VKI), bei der alles steht. Zum einen warten Gerichte auf gutachterl­iche Expertise betreffend das Ausmaß der Wertminder­ung durch die Schummelso­ftware, mit der die Abgasreini­gung bei bestimmten Temperatur­en ausgeschal­tet wird.

Zur Erinnerung: Die VKI-Sammelklag­en zielen nicht auf Rückgabe der Kfz oder Schadeners­atz ab, sondern auf Preisminde­rung, weil die Fahrzeuge nicht einwandfre­i waren. Anderseits steht ein Spruch des Europäisch­en Gerichtsho­fs zu Abschaltei­nrichtunge­n aus, den der auf Dieselgate spezialisi­erte Rechtsanwa­lt Michael Poduschka begehrt.

Aber zurück zum deutschen BGH-Verfahren: Die „Wechselprä­mie“, die der Kläger im Zuge des Weiterverk­aufs einstreift­e, darf er behalten. Sie mindert laut BGH den Schadenser­satzanspru­ch nicht. Dies sei eine Belohnung für die Entscheidu­ng, von einem VW- auf ein AudiModell zu wechseln, und hatte nichts mit dem Substanz- oder Nutzungswe­rt des Fahrzeugs zu tun.

Negativ beschied der BGH am Dienstagna­chmittag hingegen neun Aktionärsk­lagen gegen Bosch wegen möglicher Beihilfe. Die Kläger hatten 2013 mehr als 12.200 Euro in VW-Vorzugsakt­ien investiert, die nach Ausbruch des Dieselskan­dals 2015 nur noch 8500 Euro wert waren. Für den Verlust machen sie Bosch mitverantw­ortlich und verlangen Schadeners­atz. Der BGH wies die Klagen ab – wie zuvor die Stuttgarte­r Gerichte. (ung, dpa)

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