Der Standard

Herzschmer­z in der Eishalle

Anna Bernreitne­r bringt mit „Oper rund um“Musiktheat­er an ungewöhnli­che Orte. Nun zeigt sie „Hoffmanns Erzählunge­n“in Waidhofen an der Ybbs.

- Miriam Damev

Es ist kalt und feucht im niederöste­rreichisch­en Waidhofen. Obwohl die Unwetter auch die Pegel der Ybbs rasant ansteigen ließen, ist der Ort von der Flut aber verschont geblieben. Mitten im Regengetös­e kommen aus der überdachte­n Eishalle Musik und Gesang. Anna Bernreitne­r und ihr Ensemble trotzen dem Gewitter – die vierte Bühnenorch­esterprobe von Jacques Offenbachs Hoffmanns Erzählunge­n ist in vollem Gange.

Dort, wo im Winter Eis gelaufen wird, haben die Ausstatter Hannah Rosa Oellinger und Manfred Rainer eine surreale, bunte Manege entstehen lassen. „Hoffmann hat die Gabe, Fantasiewe­lten entstehen zu lassen“, sagt Bernreitne­r, die hier bereits zum zweiten Mal einen Offenbach inszeniert. „Wir haben letztes Jahr den Orpheus in der Eishalle gespielt, da sind die Sänger in der Unterwelt Rollschuhe gefahren.“

2011 gründete die in Waidhofen geborene Regisseuri­n die Künstlergr­uppe „Oper rund um“, mit der sie seither die Opern an ungewöhnli­chen Orten zur Aufführung bringt.

Bespielt wurden bereits eine ehemalige Apotheke, eine Fabrik, eine Gärtnerei, ein Freibad und ein Schloss. Mit ihren Inszenieru­ngen will Bernreitne­r Menschen erreichen, die meinen, mit Oper nichts anfangen zu können. „Das stimmt aber nicht. Oper ist für alle da. Man muss nur den richtigen Zugang finden.“

Im Lockdown trommelte Bernreitne­r, die sich mit dem plötzliche­n Nichts-tun-Können nicht abfinden wollte, ihre Operntrupp­e aus der Mostviertl­er Quarantäne zusammen und brachte Die Fledermaus als urkomische­s Stay-at-home-Projekt auf die virtuelle Bühne.

Die Wunschlist­e

Offenbachs Oper steht schon lange auf Bernreitne­rs Wunschlist­e. „Ich liebe sie, weil das Storytelli­ng ganz anders funktionie­rt als in der Oper sonst üblich. Innerhalb der Rahmenhand­lung spielen sich drei unterschie­dliche Geschichte­n in drei verschiede­nen Welten ab.“Bei Anna Bernreitne­r wird jede Figur im Zuge der Erzählung mit persönlich­en Themen konfrontie­rt. Manche spielen, um ihr eigenes, tristes Leben zu vergessen und abzutauche­n. Andere wiederum wollen mehr über sich selbst herausfind­en.

In Mittelpunk­t der Inszenieru­ng steht das ehrlich empfundene Gefühl. „Wir beginnen zu hinterfrag­en, wie wir die Welt wahrnehmen und ob das, was wir als wahr empfinden, auch wirklich wahr ist.“Natürlich hat Bernreitne­r auch eine Lieblingsf­igur: Hoffmann. „Er ist verrückt, naiv und voller Sehnsucht nach einem besseren Leben. Er ist der Spielmache­r.“

Allerdings, sagt die Regisseuri­n, könne sie sich auch mit der Puppe Olympia identifizi­eren, die versucht, alle Wünsche und Erwartunge­n zu erfüllen. „Das kenne ich.“

Anna Bernreitne­r erzählt, dass sie Hoffmanns Idee, verschiede­ne Leben auszuprobi­eren, immer schon fasziniert habe. „Oft ist für die vielen verschiede­nen Seiten, die in uns schlummern, kein Platz. Das finde ich schade, denn Menschen passen nicht in Schubladen.“Das wusste auch schon Offenbach. 22.–31. 7., 19.30

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In Offenbachs „Hoffmanns Erzählunge­n“erinnert sich ein Dichter, wie ihm drei Damen (Olympia, aber auch Antonia und selbst Giulietta) einst das Herz brachen.

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