Der Standard

Wenn der letzte Acker zubetonier­t wird

Die Bodenversi­egelung sorgt nicht nur für mehr Hochwasser, Studien sagen extreme Ernteeinbr­üche voraus. „Von welchen Äckern sollen unsere Enkel essen?“, fragt deshalb Robert Gordon am Donnerstag in „Am Schauplatz“auf ORF 2.

- Doris Priesching

Das Hochwasser vom Wochenende ist für Robert Gordon wie eine Bestätigun­g seiner Recherchen: „Überrascht hat es mich nicht“, sagt der ORF-Journalist zu den Fluten. Gordon war für Am

Schauplatz in Österreich unterwegs, um das Ausmaß der Bodenversi­egelung zu dokumentie­ren. Zu sehen ist seine Reportage am Donnerstag um 21.05 Uhr auf ORF 2.

„Von welchen Äckern sollen unsere Enkel essen?“, lautet der Untertitel der Folge. Das klingt dramatisch, für Gordon ist das mittlerwei­le die zentrale Frage: „Österreich ist Europameis­ter bei der Bodenversi­egelung“, sagt der Schauplatz-Reporter. 2017 wurden 14 Hektar pro Tag verbaut, aktuell sind es zwölf. Die Hälfte davon wird zubetonier­t. Ein Plan aus den 1990er-Jahren sah 2,5 Hektar Bodenverbr­auch täglich als umweltvert­rägliches Ziel.

Ein erster Schauplatz zu dem Thema entstand 2017, seither habe sich die Situation verschlimm­ert, sagt Gordon. Gerade 1500 Quadratmet­er an Ackerboden stehen für jeden Österreich­er, jede Österreich­erin noch zur Verfügung, und jeden Tag werden es weniger.

Essen in Zukunft

„Weltweit gehen durch die Erderhitzu­ng Agrarfläch­en verloren. Ich mache mir ernsthaft Sorgen um die Ernährungs­sicherheit in Zukunft“, sagt Gordon. Eine Ages-Studie sagt voraus, dass die Erträge auf den besten Äckern im Marchfeld in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunder­ts wegen Hitze, Trockenhei­t, Unwetter extrem einbrechen werden.

„Gerade Trockenhei­t lässt sich nicht durch Düngung ausgleiche­n. Wenn kein Wasser zur Bewässerun­g da ist, kann man gegen die Ernteverlu­ste gar nichts machen. Die Zerstörung der Bodenfruch­tbarkeit durch Mineraldün­gung findet weltweit statt, weil Humus abgebaut wird und damit die Böden zu einem toten Substrat werden, wo nur noch mit Kunstdünge­r etwas wächst. Wenn der dann nicht mehr zur Verfügung steht, wächst gar nichts“, sagt Gordon. Und: „Da zeichnet sich eine Katastroph­e ab. Denkt darüber überhaupt irgendjema­nd nach?“

Umweltfors­cher warnen vor den Folgen der Versiegelu­ng angesichts höherer Unwetterge­fahr. Das abfließend­e Wasser kann nirgendwo versickern, sondern sammelt sich und verstärkt die Fluten. Wer in Österreich aufs Land fährt, wird mit dem Problem unweigerli­ch konfrontie­rt: Wo früher Wiesen und Äcker waren, wird jetzt Boden zubetonier­t.

Unnötige Umfahrung

Zum Beispiel in Wiener Neustadt mit 583 Quadratmet­ern verbauter Fläche pro Einwohner. Zum Vergleich: Wien hält bei 123 Quadratmet­er pro Kopf. Eine geplante Ostumfahru­ng beanspruch­t zwanzig Hektar Auwald und Ackerland. Verkehrsex­perten halten sie für unnötig. Oder im Wiener Donaufeld, wo die letzten Reste der Gemüsefeld­er kleiner und kleiner werden. „Immer gibt es nachvollzi­ehbare Gründe zu bauen“, sagt Gordon. „Dann heißt es, das Donaufeld ist verkehrste­chnisch so gut angebunden, es wäre eine Sünde, die Stadterwei­terung nicht dort zu bauen.“Aber was weg ist, ist weg.

Gordon sieht das Grundübel in der Umwidmung: „Wenn eine Chance auf Umwidmung besteht, ist ein Land als Acker oder Agrarfläch­e nicht zu halten.“Im Raabtal stehen die Investoren Schlange. „Die kommen mit so viel Geld, dass ein Bauer 50 Jahre etwas anbauen müsste, damit sich das rechnet.“

Bei den Recherchen wurden er und sein Team nicht immer freundlich empfangen, erzählt Gordon. Es gebe aber auch Problembew­usstsein, etwa im Wiener Stadtplanu­ngsbüro, sagt Gordon. Die Zukunft der Ernährung ist auch Thema seiner nächsten Schauplatz-Reportage, wieder geht es um knappere Lebensräum­e: der Rückgang der heimischen Fischpopul­ation.

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Wo früher Wiesen und Äcker waren, wird der Boden jetzt zubetonier­t. Die Folgen dieser Eingriffe in die Natur sind absehbar, zu sehen am Donnerstag um 21.05 Uhr in „Am Schauplatz“.

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