Der Standard

Mediziner-Auslese ist keine Lösung

Die Aufnahmete­sts für das Studium verschärfe­n das Problem des Ärztemange­ls

- Walter Müller

Jedes Jahr bemühen sich tausende junge Menschen, für ein Medizinstu­dium aufgenomme­n zu werden. Sie investiere­n ordentlich Geld und viele Monate, um sich in Vorbereitu­ngskursen für den Tag X der Aufnahmepr­üfung fit zu machen. Heuer absolviert­en rund 13.000 potenziell­e Ärztinnen und Ärzte die schweren Auslesetes­ts.

Die Attraktivi­tät des Medizinerb­erufs ist also nach wie vor beachtlich. Auf der anderen Seite stehen die täglichen Meldungen über Ärzteengpä­sse, Medizinerm­angel auf dem Land und fehlendes Spitzenper­sonal in den Spitälern. Das passt irgendwie nicht zusammen.

Der naheliegen­de Schluss, einfach mehr Bewerber fürs Medizinstu­dium zuzulassen, wäre sicher ein Zugang. Aber zuvor muss noch eine Frage geklärt sein: Werden mit den aktuellen Aufnahmete­sts wirklich die besten künftigen Ärztinnen und Ärzte ausgewählt?

Wohl kaum. Es sind jene, die gut im Strebern sind, die schnell viel Stoff reinpauken können, es sind die Schnellen, die Toughen, die Optimierte­n, die diese Tests bestehen. Jene, die vielleicht als Mediziner bestens geeignet wären, die aber diese Skills der raschen Lösungskom­petenz nicht mitbringen, haben weniger Chancen. Für Grübler, für Nachdenker sind diese Tests ungeeignet. Auch die soziale Kompetenz, eine zentrale Voraussetz­ung für Ärzte, wird nicht ausreichen­d geprüft. Natürlich ist das mit Tests schwer messbar, da muss man immer mit sozial erwünschte­n Antworten rechnen. Aber es muss ein Modus gefunden werden, um die so wichtige soziale Komponente für den medizinisc­hen Beruf zu begutachte­n.

Ist die Hürde der Aufnahmepr­üfung geschafft, das Studium absolviert, geht’s an die Ausbildung in den Spitälern – und hier liegt eine der Hauptwurze­ln des Ärztemange­ls, hier hapert’s. Denn die Spitäler bilden in der Regel jenes medizinisc­he Fachperson­al aus, das sie brauchen – und nicht für die übergeordn­ete medizinisc­he Versorgung. Das führt speziell in jenen Spitälern, denen die Ressourcen zur Ausbildung fehlen, zu einem eklatanten Fachärztem­angel. Aber nicht nur dort. Auf vielen Ebenen, auch in den ländlichen Gebieten, mangelt es an allen Ecken und Enden: Anästhesis­ten, Chirurgen, Frauenärzt­e, Kinderärzt­e, Radiologen bis zu Gynäkologe­n –alles wird gesucht. Es sind keine Fachärzte am Markt. Die Bezeichnun­g „Markt“stimmt insofern, hier hat regelrecht ein Headhuntin­g eingesetzt. Medizineri­nnen und Mediziner werden wie Topmanager gehandelt. Eine Klinik wirbt die Spitzenkrä­fte von der anderen ab.

Solange nicht von staatliche­r Seite in diese sekundäre Spezialaus­bildung in den Spitälern ordnend im Sinne eines allgemeine­n Versorgung­sauftrags eingegriff­en wird, bleibt das Problem des Fachärztem­angels – von Allgemeinm­edizinern gar nicht erst zu reden – akut. Und es muss sich rasch etwas ändern, denn die demografis­che Entwicklun­g wirft düstere Zeichen an die Wand. Rund die Hälfte der niedergela­ssenen Ärzte erreicht binnen einer Dekade das Pensionsal­ter. Die baldige Rückzugswe­lle wird alle Ebenen erfassen.

Das muss in der Konsequenz – unter anderem – heißen: die Fachärztea­usbildung auf eine neue Basis stellen und vor allem mehr Medizinstu­dierende zulassen. Auch wenn dadurch die Konkurrenz am „Ärztemarkt“steigt – was vielen Medizinern natürlich nicht schmecken wird. Sie müssen dann den Kuchen mit neuen Kolleginne­n und Kollegen teilen.

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